Vielfalt im Recht: Chancen und Trends für die nächste Generation von Juristinnen und Juristen

von Diane Manz

Vor zwei Wochen war ich auf einer lokalen Job- und Ausbildungsmesse und nicht zum ersten Mal erstaunt darüber, wie viel sich in den letzten Jahren in Joblandschaft und Arbeitsmarkt getan hat. Berufe, von denen man nicht einmal wusste, dass es sie überhaupt gibt – geschweige denn, was man in ihnen macht – reihen sich neben den klassischen Arbeitsgebieten, von denen auch der ein oder andere ganz vom Markt verschwunden ist, ins Gelände ein. Es war ein sehr spannender Nachmittag. Diese Entwicklung betrifft nicht nur Ausbildungs- sondern natürlich auch Studienberufe. Und auch wenn man der Rechtsbranche häufig eine eher träge Wandelbarkeit nachsagt, hat sich auch hier einiges verändert.

Laut dem statistischen Bundesamt (Statistisches Bundesamt, Mikrozensus Erstergebnis 2023) gab es 2023 421.000 Erwerbstätige mit einem rechtwissenschaftlichen Abschluss. Wie vielfältig die Beschäftigungsbereiche sind, wenn man Jura studiert hat, zeigt sich darin, dass nur knapp zwei Drittel dieser Erwerbstätigen in juristischen Tätigkeitsfeldern arbeiteten. Die Auswahl ist also groß. Gleichzeitig verbessern sich die Berufschancen für qualifizierte Juristinnen und Juristen, zum einen dadurch, dass im Rahmen des gesellschaftlichen Wandels in den nächsten Jahren viele Babyboomer aus dem Beruf ausscheiden und zum anderen deswegen, weil die Zahlen der Studierenden, die ihr Zweites Juristisches Staatsexamen erfolgreich absolvieren, in den letzten Jahren zurückgegangen sind. Und auch damit steigen die Karrieremöglichkeiten.

Kanzleien, Unternehmen, Öffentlicher Dienst: Die juristische Arbeitswelt ist vielfältig

Im klassischen Sinne kann man bei den juristischen Arbeitsplätzen drei Hauptkategorien abbilden: Kanzleien, Unternehmen und Öffentlicher Dienst. Bei Kanzleien kann man mehrere Typen unterscheiden. In Großkanzleien mit mehr als 100 Berufsträgern und -trägerinnen liegt der Schwerpunkt in der Regel auf Rechtsgebieten wie M&A, Gesellschaftsrecht, Bank- und Kapitalmarktrecht, Steuerrecht, Compliance, u.a. aber auch auf IT-Recht, Datenschutzrecht sowie auf anderen technologischen Rechtsgebieten. Die Beratung zu Cybercrime oder zu rechtlichen und regulatorischen Fragen in Bezug auf künstliche Intelligenz hat hier in den letzten Jahren stark zugenommen.

Bei Boutiquen gibt es kein all-inclusive Angebot, dafür werden aber bestimmte Rechtsgebiete bzw. besondere Nischen hochspezialisiert angeboten. Auch hier gewinnen technologienahe Themen zunehmend an Bedeutung. Mittelständische Kanzleien haben deutlich weniger Berufsträgerinnen und -träger als Großkanzleien, arbeiten aber häufig in ähnlichen Rechtsgebieten mit vergleichbaren Trends und auch oft in kleineren Teams. In der Einzelkanzlei liegt die Gestaltung und Spezialisierung vollständig in eigener Hand. Die Kapazität schränkt natürlich die Möglichkeiten der unterschiedlichen Rechtsgebiete ein, dementsprechend kommen die Mandate eher durch Privatpersonen oder kleinere Unternehmen.

In Unternehmen gibt es diverse Positionen mit sehr guten Perspektiven für Juristinnen und Juristen. Leider stellen sich die Positionsbezeichnungen nicht immer ganz eindeutig dar. Auch die primären Rechtsfragen können variieren, je nach dem in welcher Branche man sich bewegt. Grundsätzlich ist ein Legal Counsel ein Inhouse-Berater für rechtliche und regulatorische Belange des Unternehmens. Ein Head of Legal leitet – häufig auf mittlerer Führungsebene – die interne Rechtsabteilung. Ein Chief Legal Officer ist in der Regel mit den strategischen und Management-Themen betraut, wohingegen der General Counsel eher den operativen Bereich leitet. Häufig gibt es aber nur eine der beiden Positionen, in der dann beide Themenbereiche vereint sind. Mit Zweitem Juristischen Staatsexamen kann man in jeder Funktion auch als Syndikus tätig sein, heißt, als zugelassener Anwalt bzw. zugelassene Anwältin das Unternehmen vor Gericht vertreten. Compliance Officer sind dafür verantwortlich, dass alle Prozesse und Geschäftsabläufe eines Unternehmens den gesetzlichen Vorgaben sowie internen Richtlinien entsprechen. Sie stellen sicher, dass der Betrieb im Einklang mit geltenden Gesetzen und unternehmensinternen Standards geführt wird.

Der Rechtsmarkt bietet diverse Berufsbilder neben den klassischen Juristenberufen

Sowohl in Kanzleien als auch in Unternehmen besteht zunehmend die Möglichkeit, in Bereichen zu arbeiten, die außerhalb der regulären anwaltlichen Tätigkeit liegen, z.B. Knowledge Management, Legal Project Management oder Legal Operations Management. Darüber hinaus findet man auch Mitarbeitende mit juristischem Abschluss in der Personalabteilung oder im Business Development. Unter Umständen reicht hier auch ein erfolgreich absolviertes Erstes Juristisches Staatsexamen aus.

Ein weiteres spannendes Berufsfeld, das sowohl in der freiberuflichen Praxis als auch im öffentlichen Dienst ausgeübt werden kann, ist das Notariat. Hier gibt es zwei Formen: das Anwaltsnotariat und das hauptamtliche (sogenannte) Nur-Notariat. In beiden Fällen liegt der Fokus auf der Beratung und Begleitung von Menschen, die wesentliche, oft lebensverändernde Entscheidungen treffen möchten, sei es bei der Gründung eines Unternehmens, beim Erwerb von Immobilien oder bei der Erstellung von Testaments- und Erbverträgen. Notarinnen und Notare haben in ihrem Beruf eine besondere Verantwortung, da sie nicht nur als unparteiische Berater agieren, sondern auch hoheitliche Aufgaben wahrnehmen. Sie genießen dabei eine hohe berufliche Unabhängigkeit und können ihren Arbeitsalltag in der Regel frei gestalten – eine ideale Möglichkeit, eine ausgewogene Balance zwischen Beruf und Familie zu erreichen.

Im öffentlichen Dienst gibt es neben den klassischen Berufen im Richteramt und in der Staatsanwaltschaft auch andere interessante Tätigkeiten. Als Verwaltungsjurist oder -juristin übernimmt man verwaltende Aufgaben und wird sowohl rechtsberatend als auch rechtsgestaltend tätig. Bei der Polizei kann man in den höheren Verwaltungsdienst einsteigen und unter Umständen schon sehr schnell eine Führungsrolle übernehmen. Im Bundeskartellamt berät man zu Fusionskontrolle, Kartellverfahren sowie zum operativen Geschäft. Die Arbeit bei der Bundeswehr kann so vielfältig sein, dass Aufgaben, die denen der Staatsanwaltschaft oder des Richteramts ähneln, Teil der Stellenbeschreibung sind. Und wer James Bond nacheifern möchte – auch der Bundesnachrichtendienst stellt Juristinnen und Juristen ein.

Neben diesen zum größten Teil typischen Berufen gibt es noch eine Vielzahl anderer Möglichkeiten, für die man juristische Kenntnisse braucht, z.B. Journalismus, Lektorat oder Redaktion in der Medienbranche, Repetitorium oder Lehre in der Ausbildung oder in der Politik – um nur einige zu nennen.

Durch einen zunehmenden Wandel in der Rechtsbranche ergeben sich neue Berufschancen

Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass aktuelle Trendthemen wie Globalisierung, Klimawandel, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz zu einer verstärkten Nachfrage in bestimmten Rechtsgebieten führen werden. Besonders wachstumsstark sind IT-Recht, Datenschutzrecht und technologische Rechtsgebiete, da die Digitalisierung umfassende Regulierungen erfordert. Die Bereiche Legal Tech und Legal Operations kombinieren hier juristische und technische Expertise. Nachhaltigkeit und ESG (Environmental, Social and Governance) sind ebenfalls wichtige Themen, da Unternehmen zunehmend verpflichtet sind, über ihre Nachhaltigkeitspraktiken zu berichten und gesetzliche Anforderungen wie Klimaschutzgesetze zu erfüllen. Das Medizin- und Biotechnologierecht wächst aufgrund der Digitalisierung im Gesundheitswesen und komplexen Haftungsfragen. Auch internationales Wirtschaftsrecht gewinnt an Bedeutung, da Unternehmen global agieren müssen und spezialisierte Beratung benötigen.

Eine verminderte Nachfrage ist insbesondere im Rahmen von Zivilrechtsklagen zu verzeichnen. Da diese in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen sind, ist davon auszugehen, dass weiterhin mit weniger Streitigkeiten z.B. in Bezug auf Mietsachen, Kaufsachen, Honorarforderungen und Ansprüchen aus Versicherungen zu rechnen ist. Hier haben u.U. Juristen und Juristinnen profitiert, die sich auf alternative Streitbeilegung und Mediation spezialisiert haben. Besonders verändert hat sich der Bereich juristische Übersetzungen, da hier aufgrund der zunehmenden Digitalisierung neue Kompetenzen im Umgang mit KI-gestützter Software gefordert sind.

Quo Vadis?

Die hier genannten Berufsfelder erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Eine liebe Kollegin von mir betont immer ganz besonders ›Mit Jura kannst Du alles machen‹ und da hat sie recht. Ich habe mich hier dennoch auf die Bereiche konzentriert, die juristisches Fachwissen unumgänglich erfordern. Als Coach und Beraterin begegnen mir sehr oft Menschen in der Jura-Bubble, die zum Teil schon während des Studiums mit ihrer Berufswahl hadern. Das ist insbesondere aufgrund des extrem anspruchsvollen und stressreichen Studiums sehr bedauerlich. Um so wichtiger ist es, schon früh die Fühler auszustrecken und mögliche Berufsfelder zu erkunden. Ebenso essenziell ist die Auseinandersetzung mit der Frage ›Was ist mir wichtig und wo will ich hin?‹ (die Betonung liegt hier auf ›mir‹ und ›ich‹; es geht nicht darum, was andere erwarten). Nicht jede Organisation teilt meine Werte, nicht jede Position passt zu meiner Persönlichkeit, nicht jeder Anspruch passt zu meinem Lebensplan. Information und Reflektion kann helfen, hier eine langfristig stimmige Wahl zu treffen.

 

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Über die Autorin:

Diane Manz - Dipl.-Psychologin, systemischer Business Coach
Als Inhaberin von brandung | coaching & consulting liegt ihr Fokus der Beratung auf den Bereichen Kommunikation, Karriereentwicklung, Führung und Selbstmanagement, insbesondere im Hinblick auf Umgang mit Stress. Mit 17 Jahren Erfahrung im Personalbereich, davon 13 Jahre als Personalleiterin einer internationalen Großkanzlei, ist die Beratung von JuristInnen ein branchenspezifischer Schwerpunkt ihrer Arbeit. www.brandung-consult.com