Ob im ZDF-Morgenmagazin oder im heute journal: Dr. Sarah Tacke ordnet aktuelle Ereignisse rechtlich ein, berichtet über laufende Gerichtsverfahren und nimmt Stellung zu neuen Gesetzesvorhaben. Worauf es in ihrer täglichen Arbeit ankommt und wie der Weg in den Journalismus gelingen kann, hat die promovierte Juristin gegenüber C.H.BECK beantwortet.
1. Homeoffice-Pflicht, Triage, Corona-Demonstrationen: Wie gehen Sie mit dieser Bandbreite an juristischen Themen um?
Die Themenbandbreite ist ein ganz großer Reiz, der unseren Job ausmacht. Selbstverständlich erreicht man zu den einzelnen Themen nicht den Spezialisierungsgrad eines Fachanwalts. Gleichzeitig muss aber jede Aussage, die wir veröffentlichen, zutreffend, genau und fundiert sein. Das funktioniert nur mit einer guten Planung und Vorbereitung. Einige Themen sind absehbar oder werden immer wieder aktuell. Gerichtsentscheidungen sind oftmals angekündigt. Hier gilt es, sich vorab in die Materie einzuarbeiten, zunächst ganz klassisch juristisch die Entscheidungen der Vorinstanzen, Gesetzestext und Kommentare zu studieren. Dann journalistisch: Professoren und Expertenauf dem Gebiet interviewen oder sich im Hintergrundgespräch beraten. Und für unsere Arbeit zentral: Kontakt zu den Beteiligten aufnehmen, um auch vorab die Menschen, die die Entscheidung oder das Gesetz betrifft, zu sprechen und mit der Kamera zu drehen. Denn anhand der Menschen, die sich vor Gericht für ihre Sache einsetzen, lässt sich am besten abbilden, um was es geht. Wenn die Tagesaktualität bestimmte Themen ganz kurzfristig auf die Agenda spült und wenig Vorbereitungszeit bleibt, ist die juristische Fähigkeit gefragt, sich zügig in einen komplexen Sachverhalt einzuarbeiten – und natürlich zählt hier auch das juristische Know-How. Seit Beginn der Pandemie geht es häufig um Corona-Maßnahmen. Kaum beschlossen, ist es schon an uns, ihre Rechtmäßigkeit zu bewerten oder zumindest zu erläutern, woran sie sich misst. Hier müssen wir schnell reagieren. Dabei helfen gute Ansprechpartner, deren Einschätzung auch kurzfristig eingeholt werden kann, und natürlich die Arbeit im Team.
2. Wenn Sie an die medien- und presserechtlichen Rahmenbedingungen für Ihre Arbeit denken: Wo liegen die besonderen Herausforderungen?
Im Bereich der Berichterstattung über Strafverfahren müssen wir selbstverständlich die Vorgaben zur Verdachtsberichterstattung
einhalten. Da wir Fernsehberichterstattung betreiben, stellt sich häufig die Frage der Verpixelung von Angeklagten oder sonstigen Prozessbeteiligten. Wir müssen redaktionell abwägen zwischen dem öffentlichen Interesse an identifizierenden Informationen und andererseits den Persönlichkeitsrechten der Betroffenen. Das sind aber Herausforderungen, die je nach Thema der Berichterstattung in jeder Redaktion vorkommen können.
3. Welches Erlebnis aus Ihrem Berufsalltag ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Besonders prägend war für mich das Ermittlungs- und Strafverfahren gegen den damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff. Als ARD-Inlands- Korrespondentin war ich für die Berichterstattung zuständig. Ich habe mich tief in das Verfahren eingearbeitet, um klar sagen zu können: Welche Vorwürfe gibt es und wie sind sie rechtlich einzuordnen? Am Tag vor dem Freispruch kontaktierte mich die Redaktion von Anne Will und lud mich in die Sendung für den nächsten Abend ein. Da war ich zum ersten Mal Gast in einer Talkshow und wusste nicht, ob ich das kann. Aber mir war klar: Wenn ich jetzt nicht zusage, werde ich das auch nie wissen. Also bin ich ins kalte Wasser gesprungen. Am Morgen nach der Sendung bekam ich das Angebot vom ZDF für die Rechtsredaktion und die WISO-Moderation. Das hat auf einen Schlag mein Leben verändert.
4. Was würden Sie Referendarinnen und Referendaren raten, die gern eine ähnliche Laufbahn wie Sie einschlagen würden?
Praxiserfahrung zu sammeln, ist das A und O. Das journalistische Handwerk ist genau das: ein Handwerk, das man lernen und einüben kann. Wer sich für Journalismus interessiert, dem empfehle ich, die Wahlstation während des Referendariats juristisch-journalistisch zu gestalten, zum Beispiel bei uns in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz. Möglichst viel selbst auszuprobieren, dabei zu sein, wenn ein Fernsehbeitrag produziert wird, Interviews zu führen, Artikel zu schreiben – das sind die ersten Schritte auf dem Weg in den Journalismus. Zwingende formelle Zugangsvoraussetzungen für den journalistischen Beruf gibt es keine. Eine volle journalistische Ausbildung bieten aber Journalistenschulen und viele Rundfunkanstalten und Zeitungen in Form von Volontariaten an. Auch das ZDF bildet regelmäßig Volontärinnen und Volontäre aus. Sie arbeiten zwei Jahre lang in verschiedenen Redaktionen mit und werden in Seminaren und Trainings ausgebildet. Ein Volontariat ist zwar der klassische, aber keineswegs der einzige Weg in den journalistischen Beruf.
5. Inwieweit gibt es Schnittmengen zwischen Juristerei und Journalismus?
Juristinnen und Juristen bringen oft gute Voraussetzungen mit, um das journalistische Handwerk zu erlernen. Denn in der juristischen Ausbildung wie im journalistischen Beruf sind Texte das Arbeitsmittel der Wahl. Wer sich Gutachten- und Urteilsstil angeeignet hat, ist in der Lage, Argumente stringent und verständlich zu entwickeln, Themenkomplexe zu strukturieren, Informationen zu sortieren und an der richtigen Stelle zu platzieren, unterschiedliche Sichtweisen darund einander gegenüberzustellen. Natürlich spielt im journalistischen Geschäft der Faktor Allgemeinverständlichkeit eine noch bedeutendere Rolle. Das relevante Publikum ist nicht mehr der (juristisch einigermaßen kenntnisreiche) »Korrektor«, sondern der durchschnittliche Fernsehzuschauer ohne juristische Vorkenntnisse. Diesen Zuschauer abzuholen und ihm mehr zu liefern als die nicht sonderlich weiterführende Antwort »Es kommt darauf an«, sondern dafür zu sorgen, dass er einen Mehrwert aus dem Fernsehprogramm mitnimmt – das ist die Aufgabe, an der wir täglich arbeiten.
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Über die Autorin:
Dr. Sarah Tacke
moderiert die ZDF-Wirtschaftssendung WISO sowie ZDF-Spezial-Sendungen zu aktuellen Großereignissen und leitet die ZDF-Redaktion Recht und Justiz. Als justizpolitische Korrespondentin des ZDF berichtet sie über bedeutende Gerichtsverfahren in Deutschland und Europa. Zudem gibt sie rechtliche Einschätzungen zu politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen und Gesetzesvorhaben in allen Sendungen des ZDF. Sarah Tacke ist promovierte Juristin und ausgebildete Journalistin