
Wie geht es eigentlich los?
Das Richterdasein sucht man sich eigentlich nicht aus. Denn: Die Entscheidung wird einem (zunächst) abgenommen. Zuerst einmal muss man die formalen Voraussetzungen des Bundeslandes erfüllen, die dort für eine Einstellung in den Justizdienst aufgestellt werden. Früher galt als Mindestanforderung, dass man in beiden Examina die Note »vollbefriedigend« erreicht haben sollte. Inzwischen haben einige Bundesländer diese Vorgaben jedoch abgesenkt. Hinzukommen muss eine halbwegs belastbare gesundheitliche Konstitution, die eingangs ebenfalls überprüft wird.
Unabhängig von diesen formalen Aspekten muss man natürlich auch Richter sein wollen. Man muss gerne und viel entscheiden. Man muss sich zudem darüber im Klaren sein, wieviel Verantwortung es bedeutet, wenn man über die Freiheit, das Wohl und das Geld anderer Menschen befindet. Ein gewisses Maß an Demut vor der eigenen Handlungsmacht schadet auch nicht.
Darf man dann als Assessor im Richterdienst tätig sein, werden die Aufgabengebiete vom Präsidium des Gerichts und dem Geschäftsverteilungsplan bestimmt. Man kann zu Beginn allenfalls Vorlieben benennen, aber aussuchen kann man sich nichts. Manche Aufgabengebiete wie das Strafrecht oder das allgemeine Zivilrecht kennt man zwar noch aus dem Studium oder dem Referendariat. Doch wenn man nach dem ersten Berufsjahr auch in anderen Bereichen eingesetzt werden darf, etwa im Familienrecht, Betreuungsrecht oder im Insolvenzrecht, dann erfordert dies ein gehöriges Maß an Selbststudium und viel Fragearbeit bei den Kollegen.
Je nach Größe des Gerichts kann es passieren, dass man in einem Rechtsbereich über mehrere Jahre verankert bleibt. Arbeitet man jedoch an einem kleinen Amtsgericht, muss man schon wegen der Vertretungssituation bei Urlaub oder Erkrankung der Kollegen faktisch in allen Rechtsgebieten halbwegs fit und einsatzbereit sein. An Landgerichten kann gerade ein Assessor auch auf mehrere Kammern aufgeteilt sein, teilweise sogar parallel im Zivil- und im Strafrecht, sodass auch hier eine gewisse geistige Flexibilität gefordert ist. Hinzu kommen in den Anfangsjahren auch ungewollte Wechsel der Gerichtsstandorte. Mit wieviel zeitlichem Vorlauf man darüber informiert wird, ist unterschiedlich von Bundesland zu Bundesland.
Wie geht es weiter?
Nach der Assessorenzeit winkt die Planstelle auf Lebenszeit, entweder an einem Amtsgericht oder an einem Landgericht. Von dieser Stelle bzw. diesem Gericht kann man dann nur noch mit Einverständnis oder auf Antrag versetzt werden. Von nun an kann man sich viel besser spezialisieren und auf ein Fachwissen zusteuern, mit dem man den Fachanwälten im jeweiligen Rechtsgebiet auf Augenhöhe gegenübertreten kann.
Nicht erst ab dem Erhalt der Richterstelle auf Lebenszeit, sondern schon während der Assessorenzeit ist es möglich, sich um sogenannte Abordnungen zu bemühen. Man kann, wenn entsprechende Angebote ausgeschrieben sind, sein Interesse an zeitlich befristeten Tätigkeiten in Ministerien, beim Landesjustizprüfungsamt oder in der Ausbildung kundtun. Man kann sich in Projekten z.B. im Bereich e-justice engagieren und so seinen rechtlichen Horizont enorm erweitern. Bei besonderer Qualifikation und besonders gelagertem Interesse kommen zudem Abordnungen als wissenschaftlicher Mitarbeiter zum BGH, zum BVerfG oder zum GBA in Betracht.
Nach einigen Jahren kann man sich, wenn man einen entsprechenden Vorschlag bekommt, um die Erprobung am Oberlandesgericht bemühen, das so genannte dritte Staatsexamen. Wird man nach dieser mehrmonatigen Abordnung als qualifiziert erachtet, kann man sich auf Beförderungsstellen bewerben. Manche Bundesländer ermöglichen auch eine Abordnung als Präsidialrichter zu einem großen Landgericht, um mit dieser Erfahrung Direktor eines Amtsgerichts werden zu können.
Ich selbst war an mehreren Amtsgerichten, am Landgericht und am Oberlandesgericht tätig, habe in nunmehr 20 Jahren als Richter (abgesehen von Landwirtschaftssachen) alle Rechtsgebiete in erster und zweiter Instanz einmal kennen gelernt, habe an Projekten zu Videoverhandlungen und zum Einsatz von KI in Ordnungswidrigkeitenverfahren mitgearbeitet, wirkte als Prüfer in den Staatsexamina und organisiere nach wie vor Fortbildungen.
Und was kommt noch dazu?
Neben der ohnehin schon abwechslungsreichen und spannenden juristischen Tätigkeit darf man nicht unterschätzen, wie vielschichtig man als Richter mit anderen Disziplinen in Berührung kommt. Das Verständnis für medizinische und technische Vorgänge, wirtschaftliche Denkprozesse oder auch sozialwissenschaftliche Kompetenzen ist in verschiedenen Rechtsbereichen höchst nützlich. Die Zusammenarbeit mit Sachverständigen und Gutachtern, mit Fachbehörden und natürlich den oftmals hoch spezialisierten Prozessbeteiligten wird enorm gefördert und produktiv, wenn man den eigenen juristischen Horizont verlässt, um sich assoziativ fremde Wissenschaft anzueignen und anzuwenden.
Schließlich ist der Richterberuf in hohem Maße familienfreundlich. Dafür sorgt nicht nur die in Art. 97 GG verankerte (u.a. zeitliche und örtliche) Unabhängigkeit des Richters, sondern auch der Einsatz im Home-Office, die Einführung der elektronischen Akte und auch die Möglichkeit der Videoverhandlung. Die Inanspruchnahme von Elternzeit ist für Väter und Mütter gleichermaßen möglich und wird nicht hinterfragt. Selbst wenn man als Rechtsanwalt mehr Einkünfte generieren könnte: Die Tätigkeit als Richter sorgt nicht nur für ein ausreichendes Einkommen, sondern auch für ein hohes Maß an Berufs- und Lebenszufriedenheit. Besser geht es – nach meiner ganz persönlichen Meinung – eigentlich nicht.
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Über den Autor:
Dr. Benjamin Krenberger - Richter am Amtsgericht
Er ist im Justizdienst seit 2005 bei verschiedenen Gerichten tätig, zuletzt am Amtsgericht Landstuhl. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Straf- und Bußgeldsachen, Betreuungsrecht sowie Verkehrszivilrecht. Er ist Herausgeber und Autor zahlreicher Werke zum Thema Verkehrsrecht.