Vom Gegeneinander zum Miteinander: ein Einblick in die Welt der Mediation

Clara Herz im BECK Stellenmarkt Interview

Dr. Clara Herz hat nach dem Ersten Staatsexamen, ihrem LL.M. Studium am Trinity College Dublin und der Promotion eine Stelle als Lektoratsassistentin beim Verlag C.H.Beck angenommen. Daneben arbeitet sie seit Mitte 2022 als selbstständige Mediatorin. Was sie an ihrer Tätigkeit als Mediatorin fasziniert und wie sie es schafft, beide Stellen unter einen Hut zu bekommen, hat sie uns im Interview verraten.

Liebe Frau Dr. Herz, möchten Sie uns verraten, wie es dazu kam, dass Sie nach dem Jurastudium eine Stelle als Lektoratsassistentin beim C.H.BECK Verlag angenommen haben ?

Das verrate ich Ihnen gerne: Die Manuskriptarbeit, die einen Großteil meiner Arbeit im Lektorat ausmacht, mochte ich bereits als wissenschaftliche Mitarbeiterin sehr gerne. Als sich dann gegen Ende meiner Promotionszeit ein Wechsel nach München andeutete, war das Verlagswesen für mich ein Bereich, in dem ich mich näher umgesehen habe. Einen Text auf Aktualität und inhaltliche Stimmigkeit hin durchzusehen, auf Genauigkeit und Einheitlichkeit zu achten – all das sind Aufgaben, die ich schon immer gerne übernommen habe. Die Idee, mich in Richtung Fachverlag zu orientieren, hatte ich deshalb schon etwas länger als eine unter mehreren möglichen Optionen im Hinterkopf. So kam es, dass ich mir die Stellenausschreibungen bei C.H.Beck näher angesehen habe. Hängen geblieben bin ich an einer eher atypischen Assistenzstelle – um die ich mich dann beworben habe.

Welche Aufgaben kennzeichnen denn Ihre Assistenzstelle?

Vielleicht ein zentraler Punkt vorweg: ich bin keine Lektorin (diese Stellen werden im Verlag nur an Volljuristinnen und Volljuristen vergeben). Als Assistentin sind meine Aufgaben deshalb eher im unterstützenden Bereich angesiedelt. Eine meiner Hauptaufgaben ist die Durchsicht von Manuskripten in Absprache mit den Lektorinnen und Lektoren aus der Abteilung. Hier kann ich meinen Blick fürs Detail ausleben: Sind die Randnummern richtig gesetzt? Werden Gerichtsentscheidungen einheitlich zitiert? Sind die Angaben zur Kommentarliteratur auf dem aktuellen Stand? All das sind Fragen, die mit der Manuskriptbearbeitung verbunden sind.

Hinzu kommen in meinem Fall noch zwei ganz besondere Aufgaben: als Chefredakteurin des Beck’schen Studienführers und des Beck’schen Referendariatsführers bin ich für zwei Publikationen verantwortlich, die ich von der ersten Autorenanfrage bis hin zur lektoratsseitigen Druckfreigabe eigenständig betreue. Diese Arbeit empfinde ich auch deshalb als ganz besonders sinnstiftend und wertvoll, weil ich über die Gestaltung der Beiträge großen Einfluss darauf nehmen kann, welche Themen ein Forum erhalten und welche nicht. Dieser Verantwortung als Redakteurin bin ich mir sehr bewusst. Themen aufzugreifen, die aktuell sind, Denkanstöße geben, Hilfestellungen bieten und auch das breit gefächerte Spektrum beruflicher Perspektiven aufzeigen, die das Jurastudium eröffnet: das ist mein Anspruch an jedes neue Heft.

Die beiden Publikationen sind für mich außerdem ein großes Teamprojekt: im Verlag habe ich großartige Kolleginnen und Kollegen, die die Broschüren zusammen mit mir entstehen lassen – das beginnt bei der Anzeigenabteilung, geht weiter über Grafik und Mediengestaltung in München und Nördlingen, Herstellung, Marketing und Vertrieb. Und dann ist da natürlich noch die Zusammenarbeit mit den Autorinnen und Autoren, die ich ebenfalls sehr schätze. Denn die einzelnen Beiträge sind für mich weit mehr als nur fachliche Berichte. Ich sehe vor allem die Menschen hinter den Beiträgen – Menschen, die ihre Erfahrungen teilen, über ihren beruflichen Werdegang sprechen und Einblicke in ihren Arbeitsalltag geben. Mich faszinieren dabei immer wieder zwei Dinge: zum einen die Vielfalt der Berufe, die sich nach einer juristischen Ausbildung ergreifen lassen, und zum anderen die gesellschaftliche Relevanz der Fragen, mit denen Juristinnen und Juristen sich tagtäglich beschäftigen. Jungen Menschen mit den beiden Broschüren einen Blick für diese Zusammenhänge – im Großen wie im Kleinen – zu vermitteln: auch mit diesem Anspruch gehe ich an meine Arbeit.

Das hört sich nach einer umfangreichen Tätigkeit an. Vor einiger Zeit haben Sie sich zusätzlich als Mediatorin selbstständig gemacht. Wie bringen Sie beide Stellen unter einen Hut?

Das stimmt, das mag nicht immer ganz einfach sein. In meinem Fall lassen sich Festanstellung und Selbständigkeit allerdings wunderbar miteinander vereinbaren. Denn die Arbeit im Verlag lässt sich gut planen, sodass ich die Mediationstermine am Abend oder an freien Tagen sehr verlässlich einhalten und mich darauf einstellen kann. Zusätzlich achte ich aber auch auf ausreichend Erholung und Freizeit. Denn Stress ist nicht nur in der Mediation ein häufig anzutreffendes Thema – auch ich selbst kenne stressige Phasen gut. Zeitmanagement und ein gewisses Maß an Organisationstalent sind deshalb das eine – ein Bewusstsein für die eigenen Ressourcen zu haben, ist für mich das andere. In meinem Kalender finden sich deshalb jede Woche auch kleine Inseln der Ruhe und Entspannung, also Zeiten, in denen ich ganz bewusst keine Termine habe.

War der Sprung in die Selbstständigkeit eine eher spontane Idee oder schon länger Ihr Traum, den Sie sich nun erfüllt haben?

Eine spontane Idee war der Sprung in die Selbständigkeit eher weniger – wer mich kennt, weiß, dass ich gerne plane und organisiere, Dinge wohlüberlegt angehe und dann entsprechend strukturiert einen Schritt nach dem anderen nehme. Gleichzeitig lasse ich mich aber auch immer gerne von Unvorhergesehenem überraschen und bin offen für neue Erfahrungen. Mit dieser Haltung bin ich auch vor gut zwei Jahren in die Mediationsausbildung gegangen. Hier kann man wirklich von einem Traum sprechen, den ich mir erfüllt habe: Bereits ganz zu Beginn meines Jurastudiums entstand die Idee und der Wunsch, eine Mediationsausbildung zu absolvieren. Ein Wochenendseminar zu Konfliktmanagement und Mediation im zweiten Semester mit viel fachlichem Input, Rollenspielen und Erfahrungsaustausch war für mich ein prägendes Erlebnis. Während des Studiums und auch danach habe ich mich dann aber zunächst vertieft dem Strafrecht gewidmet – die Materie fand ich von Anfang an spannend. Auch durch die Anbindung an einen strafrechtlichen Lehrstuhl – zunächst als studentische Hilfskraft und später als wissenschaftliche Mitarbeiterin parallel zur Promotion – hatte ich beste Bedingungen, um mich dieser Leidenschaft auf akademischer Ebene widmen zu können. Als sich gegen Ende meiner Promotionszeit aber natürlich die Frage stellte, wie es nun weitergehen soll, war für mich klar: wenn ich die Gelegenheit, nochmal etwas Neues zu wagen, jetzt nicht nutze, werde ich es vermutlich später sehr bereuen. Und so habe ich mich nach einem nicht ganz einfachen Entscheidungsprozess für die Mediationsausbildung in München angemeldet. Seitdem hat sich für mich immer wieder bestätigt, was ich bereits zu Beginn der Ausbildung gespürt habe: die Mediation ist genau der Bereich, den ich weiter vertiefen möchte. Die Selbständigkeit bietet deshalb für mich gerade den idealen Rahmen, um neben der Berufstätigkeit im Verlag auch meine Leidenschaft für die Mediation weiterverfolgen zu können.

Was fasziniert Sie denn an der Arbeit als Mediatorin?

Gar nicht so einfach, das auf den Punkt zu bringen. Spontan würde ich sagen, dass es vor allem die Haltung ist, mit der ich hier anderen Menschen begegne. Als Mediatorin gehört es zu meinem beruflichen Selbstverständnis, aber auch zu meinen Aufgaben, allparteilich zu sein. Das ist nochmal etwas anderes als nur „neutral“ zu sein. Bei der Allparteilichkeit geht es darum, eine Verbindung zu beiden Konfliktparteien herzustellen, beiden Seiten aufmerksam zuzuhören, beide Seiten aufrichtig verstehen zu wollen und mit beiden Seiten in Kontakt zu sein. Das mag sich jetzt etwas verklärt anhören – aber genau diese Haltung bildet die Grundlage dafür, dass auch die beiden Konfliktparteien wieder einen Zugang zueinander finden können. Insgesamt kann ich in der Mediation einfach viel von dem einbringen, was meinen Charakter ausmacht: ich bin von Natur aus sehr empathisch, kann mich gut in andere hineinversetzen und andere Sichtweisen nachvollziehen. Zwischen zwei Seiten zu vermitteln und zu sehen, wie sich ein „Gegeneinander“ in ein „Miteinander“ verwandelt, macht mir große Freude – und ich merke: hier gehöre ich hin.

Von einem Gegeneinander zu einem Miteinander: Da sprechen Sie wohl einen wichtigen Punkt bei der Konfliktlösung an. Wie kann man sich den Ablauf einer Mediation konkret vorstellen?

Die juristische Antwort auf diese Frage wäre: „Es kommt darauf an.“ Diese Antwort gilt auch für die Mediation. Hier kommt es zunächst einmal darauf an, in welchem Bereich ich tätig bin. Denn in Wirtschaft und Arbeitswelt sind die Konflikte und auch die Konfliktbearbeitung etwas anders gelagert als beispielsweise in der Paarmediation. So stellen etwa das Vorhandensein eines Auftraggebers und die Frage, welches Setting für die Gespräche zu wählen ist, bereits erste Weichen für die Mediation.

Wie eine Mediation abläuft und was man sich genau unter einer Mediation vorstellen darf, wird vermutlich am besten an einem Beispiel deutlich: Nehmen wir an, ein Paar ist gerade frisch zusammengezogen. Im neuen gemeinsamen Alltag geraten die beiden immer öfter aneinander, abends nach Feierabend ist die Laune schlecht, die beiden sprechen immer weniger miteinander und irgendwann kommt die Grundsatzfrage auf: Trennen oder Zusammenbleiben? – In einer solchen Konstellation kann eine Mediation den geeigneten Rahmen bieten, um wieder miteinander ins Gespräch zu kommen.

Im ersten Schritt würde sich einer der beiden mit mir in Verbindung setzen – in der Regel telefonisch oder per E-Mail. Ich würde mir den Konflikt kurz schildern lassen und einordnen, ob Mediation im konkreten Fall als Verfahren geeignet ist. Ob dann zunächst noch etwas ausführlichere getrennte Einzelgespräche geführt werden oder direkt ein erstes gemeinsames Treffen vereinbart wird, hängt vom Einzelfall ab – genauso wie die weitere Mediation. So kann eine Mediation beispielsweise an einem einzigen Tag stattfinden oder auch verteilt auf mehrere Treffen im Abstand von mehreren Wochen.

Ganz grob orientiert sich der Ablauf einer Mediation am sog. Phasenmodell, das mit der Auftragsklärung beginnt und mit einer Abschlussvereinbarung endet. Wichtig ist dabei aber: eine Mediation wird ergebnisoffen geführt, d.h. es geht nicht darum, mit der Mediation ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen. Vielmehr steht die Klärung im Vordergrund – etwa von bestimmten tatsächlichen Umständen. Genauso kann es aber auch um eine Klärung auf der Beziehungsebene oder von individuellen Interessen und Bedürfnissen gehen. Wenn diese Klarheit geschaffen ist, ist der Weg frei für die Suche nach einer Lösung.

Am ehesten – und stark vereinfacht – lässt sich eine Mediation vielleicht mit einem moderierten Gespräch vergleichen. Meine Rolle als Mediatorin ist allerdings eine besondere: ich strukturiere die Gespräche und sorge für Fairness, sodass ein Raum entsteht, in dem beide Seiten Gehör finden und auch Vertrauliches besprochen werden kann. Im Übrigen gilt: Die Mediation folgt dem Prinzip der Eigenverantwortlichkeit, d.h. als Mediatorin unterstütze ich die Konfliktparteien lediglich bei der Suche nach einer Lösung, aber ich entscheide nicht für sie. Genau diese Punkte kläre ich zu Beginn jeder Mediation.

Zum Schluss ein Blick in die Zukunft: Möchten Sie einmal als Anwältin arbeiten oder lieber hauptberuflich als Mediatorin tätig sein?

Das eine gute Frage. Vielleicht liegt die Antwort ja irgendwo dazwischen. Als Anwältin zu arbeiten, könnte ich mir durchaus gut vorstellen (was allerdings voraussetzt, dass ich mein Referendariat in absehbarer Zeit nachhole). Klar ist für mich jedenfalls, dass die Mediation ausreichend Platz und Zeit in meiner weiteren Planung finden wird. Alles andere wird sich zeigen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Über die Interviewpartnerinnen:

Clara Herz
ist Lektoratsassistentin bei C.H.Beck, Chefredakteurin des Beck’schen Studienführers und des Beck’schen Referendariatsführers. Seit Mitte 2022 ist sie außerdem selbständig als Mediatorin und Konfliktberaterin tätig. Sie ist Mitglied im Bundesverband Mediation e.V. und engagiert sich dort u.a. in der AG Junge Erwachsene. Sie ist Mitgründerin des Netzwerks „About Mediation“ und hat sich als Mediatorin auf den Umgang mit Stress spezialisiert. Weitere Informationen und Kontaktanfragen unter: www,claraherz.com

Veronika Gebertshammer, Dipl.-Jur.  
Texterin, Lektorin und Schreibcoach  
www.veronika-gebertshammer.de