Die Wahl des universitären Schwerpunkts – wie wäre es mit Medizinrecht?

von Jonathan Steudle

Die Schwerpunktwahl im Jura-Studium sollte wohl überlegt sein. Nicht nur, dass der Schwerpunkt 30 Prozent der Abschlussnote der Ersten Juristischen Prüfung ausmacht und somit zumindest schon einmal ein gewisses Polster für die nervenaufreibenden Examensprüfungen schaffen kann. Auch die (einmalige) Möglichkeit, sich intensiv mit einem selbstgewählten Rechtsgebiet auseinandersetzten zu können, sollte nicht unberücksichtigt gelassen werden - so kann man damit etwa schon Weichen für die berufliche Zukunft stellen. Meine Entscheidung fiel dabei auf den Schwerpunkt Medizinrecht an der LMU München – ein Erfahrungsbericht.

Warum gerade Medizinrecht?

Die Wahl des passenden Schwerpunkts gestaltet sich für viele Studierende äußerst schwierig, denn das Angebot an diversen Schwerpunkten ist meist breit und – so mein Empfinden – von außen betrachtet auf den ersten Blick auch oftmals gleichermaßen spannend. Was einen letztlich erwartet, lässt sich in der Tiefe kaum überblicken. Zudem kann sich die Begeisterung für das entsprechende Rechtsgebiet ja auch entwickeln, so dass man erst mit der Zeit erkennt, ob der Schwerpunkt tatsächlich der eigenen Neigung entspricht. Aus diesem Grund kann es ratsam sein, sich der Schwerpunktwahl anhand pragmatischerer Überlegungen zu näheren. Was also spricht gerade für den Schwerpunkt „Medizinrecht“?

Die Examensrelevanz

Zunächst ist festzuhalten, dass im Medizinrecht thematisch Fragestellungen aus allen drei großen Rechtsgebieten (sprich Zivil-, Straf- und öffentliches Recht) auftauchen. Dies kann Fluch und Segen zugleich sein. Einerseits besteht das Erfordernis sich – wenn auch zum Teil nur oberflächlich – in der Breite mit unterschiedlichsten interdisziplinären juristischen Fallkonstellationen auseinanderzusetzen, was der Vorbereitung auf das Staatsexamen sehr dienlich ist. Andererseits resultiert hieraus auch ein hoher Lernaufwand - zumindest bei umfassender Vorbereitung auf die Klausur. Inwiefern sich der Lernumfang allerdings im Vergleich zu anderen Schwerpunkten unterscheidet, vermag ich nicht abschließend zu beurteilen.

Abwechslungsreicher Prüfungsstoff

Beim Medizinrecht handelt es ich um ein vergleichsweise neues und modernes Rechtsgebiet, weshalb insbesondere tagesaktuelle und politisch kontrovers diskutierte Themen näher beleuchtet werden. Fragen, wie die strafrechtliche Einordung von Abtreibungen, Schadensersatzansprüche bei einem missglückten Kaiserschnitt oder Probleme rund um das Thema Eizellen- oder Samenspenden werden juristisch aufgearbeitet und bilden oft den Prüfungsstoff für die Abschlussklausur.

Ein Blick über den „juristischen Tellerrand“

Auch ein über rein juristische Problemstellungen hinausgehende Interesse für andere Fachbereiche ist gewiss von Vorteil, wenn man sich für den Schwerpunkt Medizinrecht interessiert. So werden etwa im Biomedizinrecht die den Fallbeispielen zugrundeliegenden biologischen Hintergründe (etwa der Aufbau einer Zelle) dargestellt. Das bereits im Rahmen des Abiturs erlernte Wissen aus dem Bio-Unterricht lässt sich jedoch leicht wieder auffrischen.

Im Sozialversicherungsrecht und Recht der gesetzlichen Krankenversicherung wird die Arbeit mit und an dem Sozialgesetzbuch (SGB) relevant, das für Studierende abseits des Schwerpunkts im Studium keine Rolle spielen dürfte, jedoch alleine wegen der für jeden Krankenversicherten praktischen Relevanz sehr informativ und durchaus auch packender sein kann, als es auf den ersten Blick erscheint.

Aus den genannten Rechtsgebieten resultiert damit ein weiteres Argument für diesen Schwerpunkt. Denn für ein Jahr (oder auch länger) kann die starre Einteilung des Prüfungsstoffes in die drei großen Rechtsgebiete durchbrochen und in bisher unbekannte Gebiete vorgestoßen werden, wodurch sich neue Interessen oder gar Berufswünsche auftun können.

Flankiert werden die (Grund-)Vorlesungen von interdisziplinären Veranstaltungen. In München bietet etwa die Medizinische Fakultät Vorlesungen in den Bereichen Rechtsmedizin oder Forensische Psychiatrie an – beide Veranstaltungen ermöglichen einen Blick über den Tellerrand der juristischen Ausbildung hinaus und bieten die Möglichkeit sich ein (wenn auch sehr geringes) Maß an medizinischem Wissen anzueignen – das habe ich als sehr spannend empfunden.

Berufsaussichten

Wenngleich die Schwerpunktwahl im Allgemeinen nicht unbedingt wegweisend für die spätere berufliche Orientierung sein muss, können doch entsprechend damit zusammenhängende Berufsmöglichkeiten bei der Schwerpunktwahl den Ausschlag für oder gegen einen bestimmten Schwerpunkt machen. Gerade im Bereich der Anwaltschaft gibt es eine hohe Nachfrage an ausgebildeten Medizinrechtlern, die die Rechte und Interessen von Patienten, Ärzten, Krankenhausträgern, Pharmaunternehmen, Medizinprodukteherstellern sowie Krankenversicherungen vertreten. Darüber hinaus gibt es Berufsmöglichkeiten bei den Krankenhäusern, Krankenversicherungen und Ärztekammern selbst oder auch in entsprechenden Gesundheitsministerien und Verbänden und allgemein im öffentlichen Dienst. Die beruflichen Möglichkeiten im Bereich Medizin- und Gesundheitsrecht sind also breit gefächert und in diesem Bereich gut ausgebildete Juristen sehr gefragt.

Wie fällt die Benotung im Schwerpunkt aus?

Zu guter Letzt die für viele Studierende entscheidende Frage: Lassen sich im Schwerpunkt Medizinrecht gute Noten erzielen? Die ebenso unzufriedenstellende als auch naheliegende Antwort auf diese Frage lautet: genau sagen lässt sich dies nicht.

Gegebenenfalls lässt sich mit Blick auf die Notenstatistik – hier am Beispiel der LMU in München im Zeitraum von Sommersemester 2019 bis zum Wintersemester 2023/2024 – eine Tendenz erkennen. Als Referenzwert soll die in diesem Zeitraum erzielte Durchschnittsnote aller Schwerpunktklausuren dienen. Durchschnittlich wird die Schwerpunkt-Klausur mit einer Note von 7,6 Punkten bestanden. Mit Blick auf die im selben Zeitraum geschriebenen Medizinrechts-Klausuren wird klar, wie sich die Frage nach der Notengebung beantworten lässt – denn auch hier wurde ein Punkteschnitt von 7,6 Punkten erreicht. Die Benotung entspricht also im wahrsten Sinne dem Durchschnitt aller Schwerpunktbereiche, wenngleich es selbstredend Jahrgänge gab, in denen die Bepunktung mit 9,6 Punkten weit über dem Durchschnitt lag und anderseits mit durchschnittlich 6,4 Punkten auch mal deutlich darunter.

Dieses Ergebnis untermauert damit auch meine eigene Erfahrung, dass die Entscheidung für oder gegen einen Schwerpunkt nicht bzw. zumindest nicht primär von losen (im Zweifel nicht aussagekräftigen) Vorstellungen über die Notengebung abhängig gemacht werden sollte. Das wird auch den aus dem Schwerpunkt resultierenden Möglichkeiten nicht gerecht, sich einmal abseits des ansonsten klar vorgezeichneten Studienplans anderen Rechtsgebieten zuzuwenden oder tiefer in bereits bekannte Rechtsgebiete einzusteigen. Die eigene Neugierde bzw. das Interesse mehr über das gewählte Rechtsgebiet zu erfahren und sich mit damit einhergehenden Problemen auseinanderzusetzen, ist – meiner Erfahrung nach – für einen erfolgreichen Abschluss des Schwerpunkts maßgeblich.

Fazit zum Schwerpunkt Medizinrecht

Die Entscheidung Medizinrecht als Schwerpunkt zu wählen, empfinde ich rückblickend als die für mich persönlich richtige Wahl. Gerade die tagespolitische Aktualität der Prüfungsthemen gepaart mit spannenden Einblicken in die Welt der Medizin, Biologie und des Krankenversicherungswesens machen diesen Schwerpunkt für mich definitiv empfehlenswert.

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Über den Autor:

Jonathan Steudle 
studiert Rechtswissenschaften an der LMU in München.

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