Der LL.M. im Internationalen Migrations- und Flüchtlingsrecht an der Vrije Universiteit Amsterdam

Grachten in Amsterdam
von Luca Scheid

Wer sich für den vielschichtigen Themenbereich der internationalen Migration begeistert, ist in Amsterdam am richtigen Ort. Das Masterprogramm an der Vrije Universiteit verschreibt sich dem komplexen Zusammenspiel verschiedener Rechtsordnungen und analysiert hochaktuelle Fragen des Migrations- und Flüchtlingsrechts aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln. Der einjährige LL.M. ist dabei weitaus mehr aus nur ein Abschluss – es ist eine fachlich wie persönlich intensive Erfahrung, die sich durch den engmaschigen Austausch mit motivierten Kommiliton*innen und Dozierenden aus der ganzen Welt auszeichnet.

Warum Migrationsrecht in Amsterdam?

Das Programm ist am Amsterdam Centre for Migration and Refugee Law (ACMRL) angesiedelt, dem europaweit größten Forschungsinstitut für Migrations- und Flüchtlingsrecht. Am ACMRL forschen derzeit über 20 Wissenschaftler*innen auf dem Gebiet der Familienzusammenführung, des Staatsangehörigkeitsrechts sowie an Schnittstellen zwischen dem Migrationsrecht und Soziologie, (Post)Kolonialismus oder Gender-Studien.

Der LL.M. zieht eine diverse Gruppe motivierter Studierender an, die regelmäßig bereits vielschichtige Erfahrungen mit der Arbeit im Bereich der internationalen Migration gesammelt haben. In meinem Fall setzte sich der Jahrgang aus 35 Studierenden und einem guten Dutzend verschiedener Nationalitäten zusammen. So zeichnete sich der Master nicht nur durch exzellente Lehre, sondern gleichsam durch einen inspirierenden Erfahrungsaustausch mit ehemaligen Mitarbeitenden etwa des UNHCR im Irak und Iran oder Rechtsberatenden in australischen und US-amerikanischen Aufnahme- bzw. Abschiebezentren aus.

Bewerbungsverfahren und Finanzierung

Der Master startet jeweils zum 1. September (Bewerbungsschluss: 15. Juli) und 1. Februar (Bewerbungsschluss: 1. Januar). Das Bewerbungsverfahren gestaltet sich vergleichsweise niederschwellig. Neben den üblichen Bewerbungsunterlagen ist ein Nachweis über ausreichende Englischkenntnisse vorzulegen. Darüber hinaus gilt es den Erwerb von 60 ECTS-Punkten in rechtswissenschaftlichen Kursen nachzuweisen. Dies gestaltet sich für Absolvent*innen des Ersten Juristischen Staatsexamens problemlos, eröffnet allerdings auch Studierenden interdisziplinärer Bachelorstudiengänge wie Staatswissenschaften, Recht und Politik o.ä. die Möglichkeit des Einstiegs in den LL.M.

Die Studiengebühren fallen mit derzeit 2.530 Euro gegenüber vergleichbaren Masterprogrammen im anglo-amerikanischen Raum relativ günstig aus. Allerdings wartet Amsterdam mit ausgesprochen hohen Lebenshaltungskosten und Mieten auf, wobei sich letztere aufgrund der durch die Uni vermittelten Wohnheimszimmer preislich (immerhin) im Rahmen deutscher Großstädte halten. Stipendienprogramme werden seitens der Vrije Universiteit leider nur für Studierende aus Nicht-EU-Ländern vergeben, die noch einmal wesentlich höhere Studiengebühren aufbringen müssen. Eine Vielzahl deutscher Absolvent*innen konnte jedoch auf Stipendien des DAAD oder der sog. Begabtenförderungswerke zurückgreifen.

Das Studium

Das Curriculum des LL.M. zeichnet sich durch ein hohes Maß an Flexibilität aus. Während einige Vorlesungen wie Migration and Family Reunification Law und Legal Remedies belegt werden müssen, gestaltet sich die Wahl darüberhinausgehender individueller Schwerpunkte frei. Zur Auswahl stehen insofern eine Vielzahl fachverwandter Kurse oder extrakurrikularer Aktivitäten. Ferner besteht die Möglichkeit, Vorlesungen anderer Fakultäten oder gar Universitäten in Amsterdam anrechnen zu lassen. Eine besonders lehrreiche Perspektive bietet die Teilnahme an der Migration Law Clinic, wo Studierende unter der Leitung von Professor*innen und renommierten Praktiker*innen Gutachten in anhängigen Vorabentscheidungs- und Individualbeschwerdeverfahren vor dem EuGH bzw. EGMR verfassen.

Der Fokus der Lehre liegt insgesamt auf der kritischen Reflexion des geltenden Rechts. Während regelmäßige Essays die eigenständige Entwicklung vielschichtiger Forschungsfragen erfordern, können im Rahmen praktisch angelegter Prüfungsformate wie etwa einem Moot Court vor den Menschenrechtsorganen der Vereinten Nationen kreatives Denken und die Originalität juristischer Argumentation erprobt werden. Einen weiteren Kontrapunkt zum deutschen Jurastudium stellt die ausgesprochen interaktive Ausgestaltung der Vorlesungen dar. In vielen Veranstaltungen sind rege Diskussionen über rechtswissenschaftliche Publikationen, Gerichtsentscheidungen oder aktuelle Gesetzesnovellierungen an der Tagesordnung. Gewinnbringend gestaltet sich zudem die engmaschige Betreuung durch die Dozierenden des ACMRL, aus der heraus sich nicht zuletzt für eine Vielzahl von Studierenden die Möglichkeit der Mitarbeit an spannenden Forschungsprojekten ergab.

Und danach?

Das Masterprogramm bereitet die Studierenden bestens auf die wissenschaftliche wie praktische Arbeit im Bereich der internationalen Migration vor. Viele Absolvent*innen verschlägt es im Anschluss zu internationalen Organisationen wie dem UNHCR, IOM oder der Europäischen Kommission. Berufsmöglichkeiten eröffnen sich gleichsam in NGOs sowie einer Vielzahl von nationalen Behörden und Ministerien.

Extrakurrikulares

Auch das Campusleben an der Vrije Universiteit ist überaus facettenreich. Nicht nur decken diverse ehrenamtliche Hochschulgruppen ein weites Spektrum ab, auch seitens der Uni werden regelmäßig Themenwochen zu gesellschaftspolitischen Fragestellungen wie Nachhaltigkeit, mentale Gesundheit oder Minderheitenschutz veranstaltet. Der Alltag im – trotz seines Großstadtflairs noch recht beschaulichen – Amsterdam gestaltet sich ungemein lebenswert und bietet reichlich Abwechslung zur intensiven Zeit auf dem Campus. Die schönen Grachten, die historische Altstadt sowie unzählige Museen, Konzerthäuser, Sehenswürdigkeiten und kulinarische Spezialitäten aus der ganzen Welt warten nur darauf, entdeckt zu werden.

 

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Über den Autor:

Luca Scheid, LL.M. - Rechtsreferendar am Kammergericht Berlin
Er studierte Rechtswissenschaften an der Universität Passau sowie an der Vrijien Universiteit Amsterdam. Im Anschluss an seinen LL.M. arbeitete er als Referent für internationale strategische Prozessführung für das VluchtelingenWerk Nederland.