Masterstudiengänge LL.M. Legal Tech - Eintauchen in die digitale Welt des Rechts

von Prof. Dr. Frank Maschmann

Big Data, Internet of Things, Künstliche Intelligenz – wer diese Begriffe hört, wird vielleicht nicht ans juristische Arbeiten denken. Doch auch in der Welt des Rechts spielt die Digitalisierung eine immer größere Rolle: Digitale Analysetools helfen bei der juristischen Aufarbeitung von großen Datenmengen, IT macht eine schnelle Kommunikation mit den Gerichten möglich und so mancher Streit lässt sich online beilegen.

In den USA hat sich längst eine große Start-Up-Szene von Legal- Tech Unternehmen etabliert. In Deutschland steckt diese Entwicklung zwar noch in den Kinderschuhen. Aber schon jetzt zeigen sich ihre Auswirkungen auf den anwaltlichen Beratungsmarkt: Der Wettbewerb wird härter, vor allem durch nicht-anwaltliche Dienstleister, und der Druck auf die Honorare steigt: nicht nur bei den international tätigen „Law Firms“, sondern auch bei den kleineren und mittleren Kanzleien. Um so wichtiger ist es, mit klugen Geschäftsstrategien die Chancen der Digitalisierung für sich zu nutzen: Wie positioniere ich mich im digitalen Beratungsmarkt? Wie spreche ich neue Mandanten in den sozialen Medien an? Wie überzeuge ich sie mit intelligenten Legal Tech Produkten? Besonders innovative Hochschulen bieten deshalb Studiengänge für Juristen an, die sich auf dem Gebiet der Digitalisierung des Rechts weiterbilden wollen. Zuletzt die Universität Regensburg, die im Oktober 2020 mit einem zweisemestrigen Studiengang „LL.M. Legal Tech“ an den Start gegangen ist.

Es braucht ein Gespür für die „Denkweise der Informatik“

Notwendig ist zunächst einmal eine Standortbestimmung: Was bedeuten die Begriffe Legal Tech und Digital Law überhaupt? Welche Bezüge bestehen zu den Bereichen „E- Justice“ und „E-Government“? Welche digitalen Technologien werden schon heute verwendet? Sind sie erfolgreich? Welche Grenzen ziehen das Rechtsdienstleistungsgesetz und das anwaltliche Berufsrecht bei der automatisieren Rechtsdurchsetzung?

Will man tiefer in die Materie eindringen, muss man sich mit den Grundkonzepten der Datenwissenschaft (Data Science) und den „Schlüsseltechnologien der Digitalisierung“ beschäftigen, wobei die Verarbeitung großer Textmengen im Mittelpunkt stehen muss: Texterschließung und -aufbereitung, Text Mining, Information Retrieval, eDiscovery, „Distant Reading“ für Juristen. In Übungen müssen die Studierenden gut zugängliche und leicht erlernbare Arbeits- und Analyseumgebungen erproben, um Möglichkeiten und Grenzen der Wissensrepräsentation und der Wissensmodellierung im juristischen Bereich selbst auszuloten. Für Legal Tech sind dabei folgende Fragen relevant: Welche Verfahren sind für konkrete Anwendungsideen und Textsammlungen verfügbar? Wie leistungsfähig sind sie? Was kann man mit welcher Methode und mit welchem technischen und personellen Aufwand erreichen? Welche Typen datengetriebener Legal Tech-Anwendungen gibt es und wie sind sie aufgebaut?

Die zentrale Schlüsselqualifikation im Bereich Legal Tech ist die Entwicklung juristischer Software. Zwar kann ein berufsbegleitender Weiterbildungsstudiengang für Juristen kein Studium der Informatik ersetzen und aus Juristen keine Informatiker machen. Einfache und konkrete Programmierübungen können aber zumindest ein Verständnis dafür wecken, wie sich juristische Probleme digital umsetzen lassen. Es gilt, ein Gespür für die „Denkweise der Informatik“ zu entwickeln, um so juristische Fragestellungen aufzubereiten, dass sie softwaretechnisch bearbeitet werden können. Am Ende des Kurses müssen die Teilnehmer in der Lage sein, aktiv und produktiv an Legal Tech-Projekten mitzuwirken, um dort ihre juristische Fachexpertise einzubringen.

Legal Tech ist kein Modethema

Dazu gehört auch die Fähigkeit, geeignete Geschäftsmodelle für Legal Tech-Anwendungen zu entwerfen, die Funktionalität solcher Systeme zu konzipieren und sie sodann rechtlich einzuordnen. Auch die Gestaltung und Evaluation von Websites unter besonderer Berücksichtigung der Optimierung von Suchmaschinen und die Entwicklung von Chatbots sollte auf dem Programm stehen. Selbstredend müssen sich die Teilnehmer über den aktuellen Stand der juristischen Diskussion in den wichtigsten Anwendungsfeldern von Legal Tech und Digital Law unterrichten: IT- und IP-Recht, Verbraucherschutz, e-Commerce, FinTech, Arbeitsrecht, Datenschutz. Zum Schluss sollten auch Fragen der Wirtschaftspsychologie zur Sprache kommen: Wie lassen sich Ängste, die mit der Digitalisierung einhergehen, überwinden? Wie können Menschen für Legal Tech gewonnen werden? Welche Verbindungen bestehen zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz? All das gehört zum Programm des neuen Regensburger LLM Legal Tech Studiengangs, der gemeinsam von ausgewiesenen Experten aus Rechtwissenschaft und Informatik konzipiert wurde. 

Da die Zukunft der juristischen Arbeit eine digitale sein wird, handelt es sich bei Legal Tech nicht um eines der vielen, zumeist kurzlebigen Modethemen. Vielmehr werden digitale Technologien unsere Rechtsordnung nachhaltig prägen. Schon jetzt werden Anwälte mit Kenntnissen in Rechtsinformatik und mit Verständnis für die durch die Digitalisierung ausgelösten rechtlichen
Herausforderungen händeringend gesucht: nicht nur von großen Wirtschaftskanzleien, sondern auch von Unternehmen, Behörden und Verbänden. Der Beratungsbedarf ist enorm und wird mit der rasanten Verbreitung von Legal-Tech-Anwendungen in der Wirtschaft, der Verwaltung und bei den Gerichten weiter steigen.

Über den Autor:

Prof. Dr. Frank Maschmann
Ordinarius für Bürgerliches Recht und
Arbeitsrecht an der Universität Regensburg
und Gastprofessor an der Karlsuniversität zu Prag

--------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Quelle NJW 45/2020

Weitere Informationen, Tipps und Literatur zu Studium und Referendariat finden Sie auf beck-shop.de. 
Übrigens: Testen Sie die NJW und die Ausbildungszeitschriften JuS und JA jetzt kostenlos im Probeabo.