Exzellenter Jurist und eloquenter Berater – Erwartungen an einen Anwalt

von Astrid Anacker, HR Managerin, DLA Piper UK LLP

Es ist keine große Neuigkeit. Der juristische Arbeitsmarkt ist hart umkämpft. Die großen Wirtschaftskanzleien buhlen um Kandidaten mit hervorragenden Examina. Das juristische Handwerkszeug ist und bleibt das A und O der Großkanzleianforderungen und sei hier als Grundvoraussetzung angenommen. Doch lassen Sie uns über die weiteren Erwartungen sprechen, die eine Kanzlei an einen herausragenden Anwalt stellt:

Die reine akademische Ausbildung und gute Noten sind schon lange nicht mehr genug. Der „War for Talents“ beginnt schon in der Universität. Hier werden Bücher verteilt und Vorträge gehalten, dort wird zur Summer School mit Gerichtsbesuch geladen. Schon sehr früh werden Jura-Studenten mit Karrieremessen und Einzelgesprächsevents konfrontiert, schütteln Partnerhände und debattieren mit Kollegen aus der Praxis. Moot Court-Veranstaltungen sprießen aus dem Boden und werden fleißig von Studenten, Professoren und Kanzleien genutzt. Wer hier lernt, sich ins richtige Licht zu rücken, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, ein Netzwerk aufzubauen und dieses für sich gewinnbringend zu entwickeln, wird von den Kanzleien gerne eingestellt.

Doch warum ist das so? Wann hat sich die hart erkämpfte akademische Leistung, das Prädikatsexamen, von der Eintrittskarte in die lukrative Welt der Großkanzleien zu einem Faktor unter vielen auf der langen Liste der Einstellungskriterien entwickelt?

Das Produkt ist der Anwalt selbst

Ganz einfach: Der Markt diktiert es. Der Anwalt von heute wird an weiteren Handlungsschauplätzen gefordert. Dabei seien sogenannte und oft beschriebene Soft Skills wie Teamwork oder Rhetorik schon fast außer Acht gelassen. Der Anwalt von heute sieht sich mit Business Development-Strategien und Cross Selling konfrontiert und wird nebenbei noch als „Testimonial“ für Universitätsveranstaltungen und Recruitingevents eingebunden. Es geht um Marktanteile und mutige Wachstumsstrategien. Was andere Professional Services-Unternehmen schon lange betreiben, ist in der Welt der Kanzleien, wo die fachliche Expertise bisher über allem stand, oft noch schwierig.

Denn was zählt, ist ja schließlich der erfolgreiche Deal, das viel gelobte Gutachten oder der gewonnene Prozess. Warum sollte sich der Anwalt mit Marketing und Personalthemen beschäftigen? Dafür gibt es doch Experten. Richtig, aber auch diese Experten brauchen ein Produkt, das sie vermarkten, bewerben oder einstellen können. Das Produkt, das es zu vermarkten gilt, ist in diesem Fall der Anwalt selbst. Entrepreneurship par excellence könnte man es nennen. Und dies gilt nicht erst ab Partnerlevel. Die Marktposition bestimmt sich an der Qualität der Köpfe, die dahinter stehen. Daher ist es wichtig, diese Köpfe zu zeigen. Ein erfolgreicher Anwalt muss sich also präsentieren und den Markt für sich erschließen können.

Die neue Generation verlangt Entwicklung

Je feingliedriger die juristische Spezialisierung wird, desto umfassender, ja betriebswirtschaftlicher wird die Maschinerie darum herum. Als Anwalt in dieser Welt wird man sich mit solchen Themen beschäftigen müssen. Natürlich kann das nicht alles schon während des Studiums erlernt werden. Zahlreiche Weiterbildungsprogramme und Akademien sorgen mittlerweile für die nötige Vertiefung von Business Excellence-Themen. Die neue Generation von Juristen verlangt dies sogar von ihren Arbeitgebern. Die Weiterbildung hat sich zum zentralen Thema von Einstellungsgesprächen entwickelt. Die Branche braucht Allrounder in diesen Dingen, dann muss Sie auch dafür sorgen, dass potentielle Kollegen dazu ausgebildet werden. Daher werden verschiedenste Programme zu den Themen Financials, Leadership und weiteren Skills oftmals in Zusammenarbeit mit Universitäten oder internen Akademien angeboten und genutzt.

Bereicherung statt zusätzlicher Belastung

Der Spagat zwischen exzellenten akademischen Leistungen und den sogenannten Business Skills ist weit für den Bewerber. Die Anzahl derer, die alle Voraussetzungen von vorneherein erfüllen, ist gering. Nicht jeder Jurist kann und will sich diesen Gegebenheiten unterwerfen. So kommt es, dass der „War for Talents“ weitertobt und die Kanzleien sich immer intensiver auf die Suche nach den sogenannten „karierten Maikäfern “begeben müssen, die sich immer seltener einfach in den Netzen der Recruiter verfangen.

Hier schließt sich der Kreis zu den Aktivitäten, die schon im Studium an die Studenten herangetragen werden. Die meisten Moot Courts, Rhetorikseminare und Case Studies haben angesichts der Kanzleientwicklungen ihre Berechtigung. Denn nur, wenn schon in der Universität bekannt ist, welche Anforderungen den Anwalt erwarten, können nach dem Berufseinstieg beide Seiten glücklich werden. Die Kanzleilandschaft verändert sich bereits. Man versucht, den Anforderungen der „Generation Y“ gerecht zu werden. Denn frei nach dem Motto „panta rhei“ bewegt man sich aufeinander zu.

Mancher mag diese Entwicklung als zusätzliche Belastung der ohnehin überfüllten juristischen Curricula sehen. Eine andere Betrachtungsweise könnte aber die folgende sein: Theorie und Praxis erweitern den Horizont des jeweils anderen und bereichern so die juristische Landschaft.

Denn der Anwaltsberuf kann mit weit mehr Herausforderungen aufwarten als dem schlichten „Paragraphen Reiten“.

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Quelle NJW 49/2012