Christian Solmecke, Rechtsanwalt und Partner der Kölner Medienrechtskanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE berichtet im Interview über seine Erfahrungen der letzten Monate und gibt Tipps, wie man Umstellungen und Erweiterungen im digitalen Bereich erfolgreich in den Arbeitsalltag implementiert.
BECK Stellenmarkt: Welche Arbeitsprozesse werden bei Ihnen primär digitalisiert bzw. angepasst? Welche Vorteile bringt das mit sich?
Christian Solmecke: Die Digitalisierung hat bei uns bereits vor 13 Jahren begonnen. Zunächst haben wir unsere Akquise digitalisiert, indem wir auf die sozialen Medien bei der Mandantengewinnung gesetzt haben. Aufgrund der Vielzahl der Mandate, die wir so erzielen konnten, war klar, dass auch das Bearbeiten der Akten digital erfolgen musste.
Aktuell arbeiten wir voll digital. Papier ist bei uns Mangelware. Mit unserer eigenen Kanzleisoftware, die wir auch anderen Kanzleien anbieten, arbeiten wir komplett autark und von überall auf der Welt. Eingescannte Dokumente werden den Akten zugeordnet, Akten mit neuen Dokumenten erscheinen sofort auf der Agenda des Sachbearbeiters, E-Mails, Faxe und Briefe senden wir unmittelbar aus unserer Software heraus.
Ein riesiger Vorteil: Unsere eigene Software ist komplett cloudbasiert. Das bedeutet, dass wir keinerlei Installation auf dem Endgerät benötigen. Erforderlich ist lediglich ein Browser, egal ob auf dem Handy, dem Tablet oder dem Desktop-Rechner.
BECK Stellenmarkt: Warum kam es ggf. zu Umstellungen im digitalen Bereich? Wurde etwas im Software-Bereich verändert und wenn ja, warum?
Christian Solmecke: Mit dem wachsenden Erfolg unseres YouTube Kanals (inzwischen haben wir 800.000 Abonnenten) wuchsen auch die Mandanten. Während wir in der Anfangszeit noch versucht haben, das komplette Geschäft mit immer mehr Mitarbeitern zu bearbeiten, wussten wir relativ schnell, dass dieser Weg eine weitere Skalierung verhindern würde und wir haben voll auf die Digitalisierung gesetzt.
Dreh- und Angelpunkt ist dabei unsere eigene Anwaltssoftware, die große Bereiche unseres Arbeitens automatisiert. Schreiben der Gegenseite müssen bearbeitet, an den Mandanten weitergeleitet und der Rechtschutzversicherung zur Kenntnis geschickt werden. Das läuft bei uns in Standardfällen mit einem Klick.
BECK Stellenmarkt: Wie hat die Pandemie Ihren Arbeitsalltag in der Kanzlei verändert?
Christian Solmecke: Als die Pandemie kam, arbeiteten wir weitestgehend digital und in der Cloud. Ungewohnt war es für uns allerdings, auf Distanz miteinander zu kommunizieren. Der Besprechungsraum wurde schlagartig durch die Software Zoom ersetzt, unsere Telefone auf den Schreibtischen durch Headsets und einen VoiceOver IP Anbieter. Für größere Besprechungen für den schnellen Austausch innerhalb des Tages nutzen wir einen webbasierten Instant- Messaging-Dienst.
BECK Stellenmarkt: Welche Veränderungen, denken Sie, werden in Ihrer Kanzlei auch nach der Pandemie beibehalten werden?
Christian Solmecke: Nachdem wir jetzt fast anderthalb Jahre nahezu ausschließlich aus dem Home-Office gearbeitet haben, ist jetzt schon klar, dass wir auch zukünftig das Leben in unserer Kanzlei flexibler gestalten werden. Aktuell denken wir darüber nach, dass die Kanzleiräume eher ein Ort des gemeinsamen Treffens und Austausches sein werden und dass viel Arbeit im Home-Office erledigt wird. Wir gehen davon aus, dass die Mitarbeiter künftig zwei Tage pro Woche in der Kanzlei und drei Tage pro Woche im Home-Office verbringen werden.
BECK Stellenmarkt: Was sind die einschlägigsten Vorteile, die der Umstieg und die ausgeweitete Digitalisierung mit sich bringen?
Christian Solmecke: Ein riesiger Vorteil der Digitalisierung ist natürlich die Flexibilität. Während der Corona-Pandemie sind wir als Kanzlei schneller gewachsen als wir in Köln hätten Räume anmieten können. Mitarbeiter haben wir deutschlandweit akquiriert und über unsere Cloud-Software aus dem Home-Office an unsere Kölner Kanzlei angebunden.
Langfristig stellen wir uns vor, dass wir immer ein Kernteam aus etwa zwei Dritteln der Mitarbeiter haben werden, welches aus der Stadt Köln (beziehungsweise dort dann aus dem Home-Office) arbeitet und ein weiteres Drittel, welches nie in der Kanzlei auftaucht und überall in Deutschland sitzt. Ob das tatsächlich klappen kann, wird sich zeigen. Die ersten Gehversuche des letzten Jahres diesbezüglich sehen allerdings gut aus.
BECK Stellenmarkt: Galt es konkrete Hindernisse zu überwinden? Was sollte man vor einer Umstellung beachten?
Christian Solmecke: Bevor man in der Kanzlei mit der Digitalisierung beginnt, sollte man seine Abläufe sehr kritisch hinterfragen. Die Chefin von Hewlett Packard hat es einmal sehr gut auf den Punkt gebracht: wenn sie einen „scheiß“ Prozess digitalisieren, haben Sie nachher einen „scheiß“ digitalen Prozess. Das ist natürlich überspitzt formuliert, zeigt aber, dass Planung die halbe Miete hier ist. Wann kommt meine Post rein, wer scannt die Post, wie schnell ist die Post in den Akten, wie gelangt die Post auf die Agenden der Anwälte. Solche Fragen müssen strategisch vorab geklärt werden, bevor man sich für eine Software und die weitere Digitalisierung entscheidet.
BECK Stellenmarkt: Welche Tipps würden Sie anderen Kollegen (m/w/d) in Ihrem Bereich geben? Auf was sollte man unbedingtachten und worüber sollte man sich im Vorfeld Gedanken machen?
Christian Solmecke: Je digitaler man arbeitet, desto mehr geht auch der persönliche Austausch unter den Kollegen verloren. Auch hier kann Software behilflich sein. Ich habe allerdings festgestellt, dass gerade das Onboarding junger neuer Anwälte häufig schwierig ist. Hier müssen Prozesse her, die eine Einarbeitung der neuen Kollegen vor Ort ermöglichen. Auch das muss genau geplant werden.
BECK Stellenmarkt: Kam es zu bemerkenswerten Einsparungen durch Prozessoptimierung im zeitlichen oder finanziellen Bereich?
Christian Solmecke: Wir konnten eine sehr große Einsparung durch den Einsatz unserer eigenen Kanzleisoftware erzielen. Das sei an einem einfachen Beispiel erklärt: Mit einem Knopfdruck sehe ich, was meine unlukrativen Akten sind. Diesbezüglich spreche ich dann mit meinen Kollegen und wir überlegen gemeinsam, warum diese Akten nicht wirtschaftlicher bearbeitet werden konnten.
Auch das Mahnwesen läuft jetzt viel effektiver. Vor der Digitalisierung haben wir zweimal im Jahr Mahn-Wochen eingeführt und säumigen Mandanten Mahnungen geschickt. Das ist jetzt anders: Unsere Kanzleisoftware erkennt selbstständig, wenn Mandanten uns nicht bezahlt haben und verschickt die Mahnungen vollautomatisch. Wir konnten damit den Zahlungsausfall von 3 % auf 1,8 % senken. Das war gigantisch.
Darüber hinaus kommt es natürlich auch bei den Mitarbeitern, die nicht in Köln wohnen, zu erheblichen zeitlichen Ersparnissen dadurch, dass sie aktuell keine Anreise zur Kanzlei mehr haben. Auch lassen sich die Rechtsanwaltsfachangestellten auf dem Land besser finden als hier in der Großstadt. Auch das hat uns die Digitalisierung gezeigt und wir können in der Mitarbeitergewinnung jetzt viel breiter agieren.
BECK Stellenmarkt: Wie lassen sich die Neuerungen möglichst gewinnbringend und reibungslos umsetzen?
Christian Solmecke: Neuerungen lassen sich insoweit relativ reibungslos umsetzen, als dass die Mitarbeiter zwingend bei den Veränderungen mitgenommen werden. Wir haben das so gelöst, dass wir uns in dieser Frage professionell begleiten haben lassen. In mehreren Sitzungen haben wir ein Zukunftsbild unserer Kanzlei gemeinsam gestaltet und dieses dann auch in einer Broschüre niedergeschrieben. So haben wir sichergestellt, dass alle Mitarbeiter auch im Kopf in Sachen Digitalisierung in die gleiche Richtung gehen.
BECK Stellenmarkt: Was müssen Kanzleien bei der Einführung einer Software-Lösung beachten?
Christian Solmecke: Vor der Einführung einer Software sollten sich Kanzleien zunächst einmal die Frage stellen, ob es eine Cloud-Software oder eine stationäre Software sein sollte. Die Vorteile einer cloudbasierten Software liegen auf der Hand: Das Arbeiten ist von überall mit jedem Endgerät möglich. In der Regel ist eine Cloud-Software auch die sichere Variante. Während den Serverraum in der Kanzlei quasi jeder, der dort irgendwie Zugang hat, betreten kann, liegt cloudbasierte Software in hochgesicherten Rechenzentren. Die Entwendung von Daten ist hier sogar schwieriger als bei Kanzlei- Software, die in den eigenen Räumen installiert wird.
Ein weiterer Vorteil ist natürlich die Softwarepflege. Regelmäßige Updates werden bei cloudbasierter Software im Hintergrund eingespielt, hohe Supportkosten und möglicherweise Downtimes entfallen auf diese Weise. Vor der Einführung der Software sollte man sich einen Katalog erstellen, der die Mindestanforderungen beschreibt. So hat man einen schnellen Überblick darüber, welche Anbieter überhaupt in Betracht kommen. Der Deutsche Anwaltverein bietet ein hervorragendes Tool an, mit dem man ermitteln kann, welcher der verschiedenen Softwareanbieter für die eigene Kanzlei geeignet ist.
BECK Stellenmarkt: Wie vermeidet man mögliche Sicherheitslücken bei der Umstellung? Worauf sollte man achten?
Christian Solmecke: Die Umstellung selbst bietet in meinen Augen kein größeres Potenzial für Sicherheitslücken. Wichtig ist nur, dass die Umstellung sauber geplant wird und auch alle Daten ordentlich transferiert werden. Hier muss man sich auf den Anbieter verlassen. Nach der Umstellung sollte man also schnellstmöglich überprüfen, ob auch alle Akten mit sämtlichen Informationen in der neuen Software vorhanden sind.
BECK Stellenmarkt: Welche Tipps können Sie als IT-Experte geben?
Christian Solmecke: Als Tipp kann ich jeder Kanzlei mit auf den Weg geben, dass man sich die Software, die man später nutzen möchte, zuerst ausführlich zeigen lassen sollte. Es kann sich auch lohnen, einige Tage mit einer Demo-Version gearbeitet zu haben. Die Zeit für die Arbeit mit der Demo-Version muss man sich allerdings im Kalender reservieren. Ich habe häufig festgestellt, dass sich Kanzleien erst mit ihrer ausgewählten Software ausführlich beschäftigen, wenn sie bereits umgestellt haben.
Über den Interviewpartner:
Christian Solmecke
Rechtsanwalt und Partner
der Kölner Medienrechtskanzlei
WILDE BEUGER SOLMECKE