Zwischen Jurastudium und Beratungspraxis - die Refugee Law Clinic

Toleranz Studierende
von Jonathan Steudle

Im dritten Semester des Jurastudiums bereits den ersten eigenen Mandanten beraten und gleichzeitig noch einem Menschen in einer Notlage helfen? Genau das ermöglicht die „Refugee Law Clinic“, bei der Jonathan Steudle, parallel zu seinem Jurastudium an der LMU München, als Berater tätig ist. Welche einmaligen Erfahrungen er während seiner ehrenamtlichen Tätigkeit für den Verein gesammelt hat und warum das Engagement eine echte „Win-Win-Situation“ ist, beschreibt er im Erfahrungsbericht im BECK Stellenmarkt.

Als ich Amadou (Name geändert) kennenlernte, hatte ich gerade meine Ausbildung bei der „Refugee Law Clinic“ (RLC) abgeschlossen und mit ihm meinen ersten eigenen „Mandanten“. Ich hatte gerade das dritte Semester des Jurastudiums begonnen und mir fehlte in diesem theoretisch geprägten Stadium der Ausbildung der Praxisbezug. Alles war sehr abstrakt und wenig greifbar für mich. Als ich dann mit der Beratung von Amadou begann, änderte sich das. Das erste Mal stellte sich bei mir das Bewusstsein ein, dass die Lektüre der Gesetzestexte, Kommentare und Aufsätze eben nicht nur graue Theorie ist, sondern, dass hinter all den fiktiven Fällen in der universitären Ausbildung später Menschen und deren reale Lebensgeschichten stehen. Amadou war gerade nach Deutschland geflüchtet, da er wegen seiner Homosexualität in seinem Heimatland verfolgt wurde. Voll motiviert nahm ich mich seinem Fall an und vereinbarte mit ihm zunächst ein virtuelles Treffen via Zoom, bei dem ich ihn und seine Geschichte kennenlernte – das war der Beginn meiner herausfordernden, aber auch erfüllenden Beratertätigkeit für die RLC.

Die RLC wurde 2016 in Deutschland mit dem Zweck gegründet, geflüchteten Menschen kostenfreie juristische Beratung zu ermöglichen. Die Besonderheit des Konzepts liegt darin, dass diese Beratung nicht etwa von ausgebildeten Juristen1, sondern von Studierenden geleistet wird. Um der damit einhergehenden Verantwortung bestmöglich gerecht zu werden, müssen Interessenten für die Beratertätigkeit ein spezielles Ausbildungsprogramm durchlaufen. Neben dem erforderlichen Bewerbungsschreiben und der Einladung zum persönlichen Auswahlgespräch, werden darüber hinaus auch Vorlesungen im Asyl- und Ausländerrecht und Seminare angeboten. Erst nach erfolgreichem Ablegen einer daran anschließenden Abschlussprüfung, dürfen Studierende in die aktive Beratung einsteigen. Da die unentgeltliche juristische Beratungstätigkeit außerhalb familiärer, nachbarschaftlicher oder ähnlich enger persönlicher Beziehungen gem. § 6 II Rechtsdienstleistungsgesetz nur unter Anleitung einer zum Richteramt befähigten Person erlaubt ist, finden zudem regelmäßig Supervisionen statt, bei denen Rücksprache mit dem aus Volljuristen bestehenden Vereinsbeirat gehalten wird. In dieser Runde (sowie an gemeinsamen zwanglosen Abenden) können außerdem die mit der Beratung einhergehenden, teils belastenden Erfahrungsberichte im gemeinsamen Austausch besprochen und verarbeitet werden.

Was mich wieder zu Amadou führt. Ich hatte nun immer häufiger Kontakt mit ihm und wir tauschten uns regelmäßig über WhatsApp aus. Immer wenn er Post vom Amt („Verwaltungsakte“) bekam, fotografierte er die verschiedenen Dokumente und schickte sie mir. Ich sichtete die Unterlagen und nahm das von der RLC zur Verfügung gestellte Beraterhandbuch zur Hand. Dann versuchte ich ihm mit meinem etwas eingestaubten Schulenglisch seine Situation zu erklären und verwies ihn für dringliche Angelegenheiten an einen unserer Beiratsanwälte, denen kraft ihrer Stellung (selbstredend) viel weitreichendere Möglichkeiten offenstehen, als den ehrenamtlichen Beratern.

Tatsächlich waren es oftmals gar nicht die juristischen Themen und Fragestellungen, die für Amadou und auch für andere Hilfesuchenden das größte Problem darstellten, sondern eher persönliche Schicksale, Trauer, Verzweiflung und Hilflosigkeit – auch hierin liegt ein ganz wichtiger Teil der Beratung. Den Menschen zuzuhören, sie so gut es geht aufzufangen und ihnen Trost zu spenden. Hierfür braucht es dann kein juristisches Wissen, kein Asylgesetz und auch keine Asylzuständigkeitsbestimmungsverordnung, sondern nur etwas Empathie.

Durch die Arbeit der RCL entsteht eine echte „Win-Win-Situation“. Jurastudenten lernen bereits in einem sehr frühen Stadium ihrer Ausbildung die praktische Beratungstätigkeit kennen und was es heißt, mit realen Fällen, Schicksalen und der praktischen juristischen Arbeitsweise konfrontiert zu werden. Darüber hinaus wird ihnen das Privileg zuteil, die erzielten Resultate wahrzunehmen und bei alledem große Dankbarkeit und Wertschätzung zu erleben. Auf der anderen Seite erhalten Hilfesuchende kostenfreie, aber dennoch qualifizierte Auskünfte von engagierten Studierenden, die ihre (geringe) Freizeit der ehrenamtlichen Arbeit in diesem Verein widmen und mit großem Einsatz eine bestmögliche Beratung in Fragen rund um das Asyl- und Ausländerrecht bieten.

Irgendwann habe ich den Kontakt zu Amadou verloren. In den letzten Nachrichten, die er mir schickte, schien er jedoch sehr zuversichtlich. Er hatte einen guten Beiratsanwalt an seiner Seite und war optimistisch ein Bleiberecht in Deutschland zu erhalten.

Über den Autor:

Jonathan Steudle
ist seit 2020 bei der RLC. Er ist Student an der LMU in München und derzeit im 8. Fachsemester.

1Der Einfachheit halber und zur besseren Lesbarkeit wird in dem Beitrag das generische Maskulinum verwendet.

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