Interview mit Ruprecht Polenz, ehem. CDU-Generalsekretär und heutiger »Twittergott der CDU« (taz)

Interview mit Ruprecht Polenz

Welche Erfahrungen haben Sie im Referendariat gemacht?

An meine Referendarzeit denke ich sehr gern zurück. Endlich wurde es praktisch. Ich hatte engagierte Ausbilderinnen und Ausbilder, von denen ich viel gelernt habe. Und last but not least: Ich war finanziell unabhängig.

Was würden Sie in Ihrer juristischen Ausbildung / im Referendariat heute anders machen, als Sie es gemacht haben?

Ich würde eine Auslandsstation machen. Weil ich in den Rat der Stadt Münster gewählt worden war, konnte ich damals nicht ein halbes Jahr in ein anderes Land.

Wie sind Sie von der Juristerei in die Politik gerutscht?

Ich habe im Sommersemester 1968 mit dem Jura-Studium begonnen, bin Ende des Semesters in den RCDS (Ring Christlich Demokratischer Studenten) eingetreten, im Wintersemester 1968 zunächst in die Fachschaft Jura und als studentischer Vertreter in die damalige Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät gewählt worden. Außerdem wurde ich Ende des Semesters ins Studentenparlament gewählt und war dann ein Jahr im AStA der Uni Münster, außerdem studentischer Vertreter im Senat und Konvent. 1970/71 war ich Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Studentenschaften (ADS), in der sich ca. 15 ASten zusammengeschlossen hatten.

Dann wurde es Zeit, sich aufs Studium zu konzentrieren, und ich habe im Juli 1973 mein erstes Staatsexamen gemacht. 1974 fragte mich die CDU in Münster, in die ich 1972 eingetreten war, ob ich bereit sei, für den Stadtrat zu kandidieren. Ich habe zugesagt und wurde 1975 in den Rat der Stadt Münster gewählt, dem ich bis zu meiner Wahl in den Bundestag 1994 angehört habe.

Wie kann man politische und juristische Arbeit verbinden?

Bis 1994 war mein politisches Engagement zwar umfangreich, aber ehrenamtlich und neben Ausbildung und Beruf. Nach meinem 2. Examen 1976 war ich zunächst wissenschaftlicher Assistent von Prof. Paul Kirchhof, ehe ich 1980 zur IHK Münster wechselte, wo ich als Geschäftsführer für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit gearbeitet habe. In dieser Zeit habe ich ca. 20 Stunden wöchentlich für die Kommunalpolitik gebraucht.

Nachdem ich 1984 Fraktionsvorsitzender geworden war, wurden 30 Stunden daraus. Die IHK ist mir zeitlich sehr entgegengekommen, wenn ich während der Arbeitszeit kommunale Termine wahrnehmen musste. Ich habe das dann am Wochenende ausgeglichen und oft samstags und sonntags für die IHK gearbeitet.

Als ich 1994 in den Bundestag gewählt wurde, hat die IHK meinen Vertrag ruhend gestellt, d.h. ich hätte jederzeit zur IHK zurückkehren können, falls ich nicht wiedergewählt oder aufgestellt worden wäre. Diese Unabhängigkeit von der Politik war mir sehr wichtig, und ich bin der IHK bis heute dafür dankbar.

Welche Fertigkeiten haben Sie in der Juristerei erworben, die Ihnen auch in der Politik nützlich sind?

Parlamente verabschieden Gesetze. Politik hat mit Recht zu tun und muss sich daran halten. Gerechtigkeit sollte ein zentrales politisches Ziel sein. Da hilft die eigene juristische Ausbildung. Sie schult analytisches Denken und den Blick fürs Wesentliche. Besonders profitiert habe ich von der Relationstechnik, denn auch in politischen Verhandlungen ist es wichtig, zunächst das Unstreitige vom Streitigen zu unterscheiden.

Welches rechtliche Thema ist für Sie besonders wichtig?

Ich finde, in Deutschland ist die Opferentschädigung nicht gut geregelt. Schädigerinnen und Schädiger (und deren Versicherer) sollten deutlich mehr tun müssen, um Schäden und Schadensfolgen auszugleichen. Das gilt quer durch alle Rechtsgebiete.

Wer ist Ihr juristisches Vorbild?

Keine einzelne Person, sondern alle, die sich für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit einsetzen, oft unter allerschwersten Bedingungen und mit hohen persönlichen Risiken.

Welche Tipps können Sie Referendarinnen und Referendaren geben?

Das Referendariat ist ein Trainee-Programm, auch zur Abklärung der eigenen späteren Berufsplanung. Deshalb sollten die Spielräume genutzt werden, möglichst viele Einblicke in die Arbeitsfelder zu gewinnen, die Juristinnen und Juristen immer noch offen stehen, obwohl von früheren Monopolen außerhalb der Justizberufe nicht mehr viel übrig ist. Und: Machen Sie sich nicht verrückt, weil noch ein 2. Staatsexamen bevorsteht. Sie haben das 1. gepackt, dann wird es auch mit dem 2. klappen.

 

Über den Autor:

Ruprecht Polenz
ehemaliger Generalsekretär der CDU
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