
Digitalisierung und künstliche Intelligenz sowie die Automatisierung von Prozessen in der Steuerberatung und Finanzverwaltung spielen derzeit eine vordergründige Rolle und sollten selbstverständlicher Bestandteil jedes steuerrechtlichen Studiengangs sein. Daneben bestehen aber auch andere aktuelle Herausforderungen für die akademische steuerrechtliche Ausbildung, die traditionell vorrangig auf die Lösung von in der Vergangenheit liegender steuerrechtlich relevanter Sachverhalte ausgerichtet ist.
Die bestehenden steuerrechtlichen Studiengänge sind insoweit traditionell stärker an der falllösenden und damit eher an der rechtlich-retrograden statt an der steuergestaltenden Betrachtung von Sachverhalten ausgerichtet. Dies war schon immer ein Nachteil der steuerrechtlichen akademischen Ausbildung, die nur selten auf zukunftsorientierte steuerliche Gestaltungen, sondern stattdessen zumeist auf in der Vergangenheit spielender Sachverhalte ausgerichtet ist.
Risikomanagement mit dem Internen Kontrollsystem (IKS) optimieren
In der steuerberatenden Praxis wird angesichts zunehmender Automatisierung und dem damit verbundenen Wegfall vieler retrograder Tätigkeiten die vorausschauende Betrachtung im Hinblick auf steuerliche Risiken in den Vordergrund treten. So nimmt etwa die Bedeutung eines Internen Kontrollsystems (IKS) von Steuerpflichtigen in der steuerberatenden Praxis stetig zu.
Während das IKS bisher nur eine Rolle im Rahmen des steuerlichen Risikomanagements im Zusammenhang mit § 153 AO und einer möglichen Straffreiheit hinsichtlich einer potenziellen Steuerhinterziehung aufgrund unterlassener Berichtigung nach § 153 AO eine Rolle spielte (dazu BMF-Schreiben vom 23.05.2016), wird dem IKS ab kommendem Jahr eine neue und bisher nicht vorhandene Rolle in der Steuerberatung zukommen.
Die Frage ist, ob im Rahmen einer Außenprüfung eines Steuerpflichtigen nach den §§ 193 bis 202 AO die Wirksamkeit eines von ihm eingesetzten Steuerkontrollsystems (d. h. IKS) hinsichtlich der erfassten Steuerarten oder Sachverhalte überprüft wurde und kein oder nur ein unbeachtliches steuerliches Risiko für die in § 149 Abs. 3 AO genannten Steuern und gesonderten Feststellungen besteht. Die Finanzbehörde kann nämlich im Benehmen mit dem Bundeszentralamt für Steuern dem Steuerpflichtigen auf Antrag – unter dem Vorbehalt des Widerrufs – für die nächste Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO Beschränkungen von Art und Umfang der Ermittlungen unter der Voraussetzung verbindlich zusagen, dass keine Änderungen der Verhältnisse eintreten.
Die Implementierung von IKS ist für die steuerberatende Praxis richtungsweisend
Das Vorhandensein eines IKS für einen Mandanten wird damit zur Weichenstellung in der steuerberatenden Praxis.
Nach Art. 38 Abs. 1 EGAO gilt ab dem 01.01.2025 zudem, dass im Rahmen einer Außenprüfung eines Steuerpflichtigen nach den §§ 193 bis 202 AO die Wirksamkeit eines von diesem eingesetzten Steuerkontrollsystems (IKS) hinsichtlich der erfassten Steuerarten oder Sachverhalte als überprüft. Wenn kein oder nur ein unbeachtliches steuerliches Risiko für die in § 149 Abs. 3 AO genannten Steuern und gesonderten Feststellungen besteht, kann die Finanzbehörde im Benehmen mit dem Bundeszentralamt für Steuern dem Steuerpflichtigen auf Antrag unter dem Vorbehalt des Widerrufs für die nächste Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO Beschränkungen von Art und Umfang der Ermittlungen unter der Voraussetzung verbindlich zusagen, dass keine Änderungen der Verhältnisse eintreten.
Insofern zeichnet sich eine dringende inhaltliche Neuausrichtung steuerrechtlicher Studiengänge ab. Studierende müssen neben der klassischen steuerlichen (d. h. retrograden) Falllösung auch befähigt werden, vorausschauende Analysen steuerrechtlicher Risiken zu erstellen und angemessene Verhaltensweisen zu entwickeln, etwa im Rahmen eines IKS. Gleichwohl sind die Erstellung und Handhabung eines IKS bisher i. d. R. kein modularer Studienbestandteil von steuerrechtlichen Studiengängen.
Welche inhaltliche Ausrichtung in der Ausbildung bereitet auf das optimal IKS vor?
In diesem Zusammenhang bietet sich die Integration dieses prospektiven Themas in ein bestehendes Modul Steuerverfahrensrecht an, weil es inhaltlich dort verortet ist. Vorzugsweise wäre aber ein eigenständiges (Wahlpflicht-)Modul des Studiengangs vorhanden, das im Hinblick auf seine inhaltliche Ausrichtung steuergestaltend und nicht (nur) falllösend-retrograd ausgerichtet sein sollte. Denn letztlich handelt es sich inhaltlich um eine aktuell geforderte Kombination aus Steuerrecht und betriebswirtschaftlichem (steuerlichem) Risikomanagement, wodurch eine für die Praxis wichtige Schnittstelle zwischen Steuerrecht und betriebswirtschaftlicher Steuerlehre geschlossen würde.
Neben der steuerlichen Ausbildung wird sich auch die steuerberatende Praxis insofern inhaltlich wandeln, als von der in der Praxis bisher oft nur retrograde Bewertungen von Sachverhalten eine gestaltende Steuerberatung erwartet wird. Die Steuerberatung und damit auch die akademische Ausbildung in diesem Bereich müssen deshalb die prospektive Steuergestaltung einschließen und können sich nicht auf die Lösung von in der Vergangenheit angesiedelter Sachverhalte beschränken.
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Über den Autor:
Prof. Dr. iur. Peter Zaumseil, LL.M., StB
Er ist Dekan des Fachbereichs Wirtschafts- und Rechtswissenschaften an der HTW Berlin und Professor für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre und Steuerrecht.