Gender im Baurecht oder Streichputz:innen?

von Kathrin Heerdt

Es gibt Themen, die knifflig sind. Besonders, wenn es sich um Themen handelt, von denen man überzeugt ist, dass sie überhaupt keine sind und von denen andere wiederum glauben, dass sie welche wären. Wie das Thema: „Als Frau im Baurecht“. Ein Thema, das für mich persönlich in fast zwanzig Berufsjahren keines war und auch nicht ist.

Trugbilder und Vorurteile:

„Als Frau im Baurecht“ ist zunächst einmal eine völlig wertneutrale Angabe. Spannend wird es erst, und damit zum Thema, wenn man beachtet, welche Bedeutungen wir dieser Aussage unterstellen. Etwa, dass Bauen „Männersache“ sei und Frauen, die sich mit Rechtsfragen einer „Männersache“ befassen, ja doch irgendwie ungewöhnlich sein müssen. Recht schnell ist man von diesem Ausgangspunkt bei einem frei konstruierten Bild oder direkt bei einem Vorurteil angelangt.

Dieses dürfte wohl irgendwo zwischen „Mannweib“ und einem in solch einer Männerdomäne unterdrückt und diskriminierten weiblichen Geschöpf zu finden sein. Die eigene Einstellung hinterfragen: Ein Artikel der Wirtschaftswoche1 beginnt mit den Worten „Unbewusste Vorurteile haben großen Einfluss auf Erfolg oder Misserfolg […]“ und schließt mit dem Rat, eigene Einstellungen zu hinterfragen und die Wahrnehmungen anderer Menschen auf den Prüfstand zu stellen. Für die Vorurteile gegenüber Frauen, die baurechtlich spezialisiert sind, bzw. deren Rolle sich in einer vermeintlichen Männerwelt befindet, lässt sich dies uneingeschränkt übertragen.

Die Vielfältigkeit im Baurecht:

Das Baugewerbe als einer der bedeutsamsten Wirtschaftszweige wartet mit einer Fülle rechtlicher Fragestellungen auf. Ebenso unterschiedlich wie die Rechtsfragen sind auch die an ihrer Lösung beteiligten Personen. Sie sind jünger oder älter, mal mehr, mal weniger erfahren, die einen stärker im direkten Umgang, die anderen wiederum in Schriftsätzen. Sie sind unterschiedlichen Geschlechts und beileibe nicht von einheitlichem Charakter.

In diesem facettenreichen Wirtschafts- und Rechtsgebiet ist „Frau“ damit ein Attribut unter vielen, erfahrungsgemäß jedoch kein Kriterium, das über Erfolg oder Misserfolg im Baurecht entscheidet. So meine persönliche Meinung, die durch meinen eigenen Berufsweg geprägt ist. Auf ihm war und ist es mir möglich, mit der Unterstützung und dem Vertrauen anderer (auch) im Baurecht zu wachsen.

Kollegiale Unterstützung und geschlechtsneutrale Wertschätzung:

Meine ersten anwaltlichen Schritte konnte ich in der Gewissheit gehen, dass ein renommierter, erfahrener Kollege sie begleitet, wohlwollend prüft und meine Weiterentwicklung nach Kräften fördert. Gestärkt durch das Vertrauen anderer konnte ich mich in unterschiedlichen Situationen ausprobieren und mit verschiedenen Persönlichkeiten aus dem Baurecht und dazu unterschiedlichen Geschlechts zusammenarbeiten.

Durch die (Un-) Tiefen des Insolvenzrechtes lotste mich der Insolvenzverwalter eines Mandanten. Er legte damit den Grundstein dafür, dass mir bereits nach wenigen Berufsjahren als Partnerin einer Großkanzlei die verantwortliche Leitung des Forderungseinzuges aus Bauinsolvenzen in Norddeutschland übertragen wurde. Meine Aufnahme in den geschäftsführenden Ausschuss der ARGE Bau- und Immobilienrecht vor einigen Jahren erfolgte durch die dort verantwortlichen Kollegen. Einer von ihnen bot mir schließlich an, eine neue Niederlassung für meine jetzige Sozietät aufzubauen.

Ich habe dieses Angebot sicher nicht wegen des Enthusiasmus meiner Kollegen „endlich eine Partnerin“ zu haben, angenommen. Doch es ist gut, auch mal eine weibliche Sicht einbringen zu können und gleichzeitig zu wissen, dass man geschlechtsunabhängig ein geschätzter Teil eines Teams ist. Zudem darf ich keinen meiner langjährigen Mandanten rechtlich begleiten, weil bzw. obwohl ich eine Frau bin.

„Frau“ als Attribut, nicht als Qualitätsmerkmal:

Die wesentlichen Stationen meines Berufsweges waren nicht von geschlechtsspezifischen Vorurteilen anderer beeinflusst. Das Baurecht habe ich nie als „Männerclub“ empfunden. Vielmehr waren es vor allem auch männliche Wegbegleiter, die mich gefördert, gefordert und mir vertraut haben. Ich konnte zudem viele außergewöhnliche, charmante und starke Frauen kennenlernen. Keiner von ihnen fehlt es an Weiblichkeit. Zudem wurden alle – Kolleginnen und Kollegen – ganz sicher auch respektlos behandelt und mit Vorurteilen konfrontiert.

Sie wurden von anderen als zu jung, als Frau, technisch unerfahren oder auf sonstige Weise als vermeintlich „ungenügend“ dargestellt. Von diesen ausnahmslos falschen Vorurteilen hat sich niemand von ihnen entmutigen lassen. Im Gegenteil: die meisten von ihnen wissen, dass es durchaus von Vorteil sein kann, unterschätzt zu werden. Denn die klugen Baurechtler wissen, dass „Streichputz:innen“ nicht zur Anwendung im Außenbereich geeignet ist und nicht im Zusammenhang mit gendergerechter Sprache steht. Diejenigen, auf die es im Baurecht ankommt, haben Spaß daran mit Menschen zu interagieren. Sie stehen für ein solides Fundament und ein gelungenes Werk, bei dem „Frau“ ein Attribut unter vielen, aber kein Qualitätsmerkmal ist.

 

Über die Autorin: 

Kathrin Heerdt
Rechtsanwältin und
Fachanwältin für Bau- und
Architektenrecht
Partnerin der Kanzlei
BÖRGERS

 

Fußnoten:

1 Wirtschaftswoche vom 29. Mai 2017: „Wie Vorurteile den Unternehmenserfolg gefährden“,
https://www.wiwo.de/erfolg/management/arbeitswelt-wie-vorurteile-den-unternehmenserfolg-gefaehrden/19857486.html