
Die produzierende Industrie als potentieller Arbeitgeber für Juristen1? Daran haben viele Studierende der Rechtswissenschaften sicher nicht gedacht. Der Autor beschreibt, weshalb sich dieser Gedanke persönlich und fachlich lohnen kann.
Nähe zu Mandant und Produkt
Die Arbeit als Syndikus in der produzierenden Industrie kann unterschiedlich ausgestaltet sein. Die Arbeit ist breit gefächert. Eine stetige Konstante im Berufsalltag und in diesem Berufsfeld ist die Abwechslung von grenzüberschreitenden Unternehmenskäufen über globale Investitionsverträge bis hin zur Begleitung und Vorbereitung von Sitzungen des Beirats. Dabei betreut der Syndikus einen „Dauer-Mandanten“, ist also im Gegensatz zu anderen Arbeitnehmern in der rechtlichen Bewertung nicht an Weisungen gebunden. Gleichzeitig lernt ein Syndikus die Tiefen des Unternehmens kennen und baut so eine breite Wissensbasis über verschiedene Abläufe auf.
In dieser Tätigkeit ist Fingerspitzengefühl und eine gute Auffassungsgabe gefragt. Analog zum Mandantengespräch sind häufig, Tätigkeiten wie weitere Informationen zu einem Sachverhalt selbst einzuholen oder das juristische Problem überhaupt erst zu identifizieren. Dann sind pragmatische und praktisch umsetzbare Lösungen notwendig.
Hilfreich ist hierbei eine solide Produktkenntnis. Der Syndikus hat die Möglichkeit, Einblicke in die Produktion zu erhalten – diese Kenntnisse sind vielfach essentiell. Selbst als technischer Laie helfen ihm hierbei Werks besuche und Grundkenntnisse der Produkte.
Übersetzer in Rechtsfragen
Über alle Themen hinweg ist der Syndikus als Übersetzer zu verstehen, denn häufig sind Rechtsfragen weder schwarz noch weiß. Die kommerziellen Entscheidungen sind vielmehr rechtlich zu durchleuchten und bilden so eine Basis für die Entscheidungsträger.
Der Syndikus sollte rechtliche Einordnungen daher auch fachfremden Kollegen plastisch darstellen können. Die Kunst besteht darin, jeweiligen Fachabteilungen die Sachverhalte und deren rechtliche Einordnung komprimiert, aber rechtlich vollständig darzustellen. Nur so kann eine Entscheidungsgrundlage auch in der Praxis Anwendung finden.
Das gilt besonders für den als Generalisten tätigen Syndikus. Dieser wird in der Beratung seines Arbeitgebers häufig durch externe Experten zu Fachthemen unterstützt. Es bietet sich eine Kanalisierung der rechtlichen Einordnung zum Syndikus an. Dieser „übersetzt“ die Einordnungen der Berater hin zu den Entscheidungsträgern. Zwischen Syndikus und externen Experten kann so auf „juristischer Augenhöhe“ diskutiert und vorbereitet werden.
Eigenständiges und ausdauerndes Verhandlungsgeschick
Im Rahmen der generalistischen Tätigkeit eines Syndikus sind regelmäßig Vertragsverhandlungen mit Geschäftspartnern vorzubereiten und zu begleiten. Dies reicht von der (Vor-)kommentierung unterschiedlichster Vertragsentwürfe bis hin zur aktiven Gesprächsteilnahme mit der Geschäftsleitung oder einzelner Fachabteilungen in Besprechungen.
Hier gilt es, eigene Akzente zu setzen, die eigene juristische Meinung darzulegen und den Geschäftspartner zu überzeugen. Eine gute Vorbereitung dieser Verhandlungen ist daher wichtig, denn neben den juristischen Ansätzen sollten kommerzielle Entscheidungen wie Zahlungsziele, mögliche Nachlässe oder Leitlinien zur Haftung vorab abgestimmt werden.
In der Ausbildung
Um sich als Syndikus nach dem zweiten Staatsexamen gut zurechtzufinden, sollte schon in der Ausbildung ein Fokus auf wirtschaftliche Zusammenhänge gelegt werden. Hilfreich sind etwa universitär angebotene Kurse zur Buchführung und Bilanzierung. Wirtschaftlich geprägte Fachbereiche wie das Handels- und Gesellschaftsrecht und seine internationalen Ausprägungen sollten als Fundament sicher beherrscht werden.
Von überaus großer Bedeutung für den richtigen Start sind Tätigkeiten als Werkstudent und das Referendariat. Neben der praktischen Problemlösung im Unternehmen gibt dies die Gelegenheit, Zusammenhänge im Unternehmen kennenzulernen und die Kommunikation mit Geschäftsführern, Vorgesetzten und Kollegen zu verstehen. Da der Syndikus häufig an unterschiedlichen Schnittstellen im Unternehmen berät, ist eine gute Kommunikation besonders wichtig.
Fazit
Die Aufgabe eines Syndikusrechtsanwalts kann breit gefächert sein. Die Nähe zum Unternehmen schafft eine Bindung zu den Produkten und garantiert vielseitige Einblicke in unterschiedliche Fachbereiche. Zudem sind die Arbeitszeiten gegenüber Großkanzleien häufig familienfreundlicher. Wer zudem eine Bindung zum „Mandanten“ haben möchte, dem sage ich: Syndikus in der Industrie? Sehr zu empfehlen!
Über den Autor:
Jonas Emmerich
ist als Syndikusrechtsanwalt im Hauptsitz der BBS Automation GmbH in Garching bei München beschäftigt.
Er berät im Gesellschaftsrecht, (cross-border) M&A und internationalem Handelsrecht. Das Unternehmen ist einer der weltweit führenden Anbieter von Automatisierungslösungen für komplette Produktionsprozesse mit 14 globalen Standorten.
1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.