Karriere als Dispute-Anwalt

von Matthias Pohlers

Bei einem Blick auf den aktuellen Arbeitsmarkt der Juristen1 kann man Studenten und Referendaren nur Hoffnung machen, denn die Nachfrage nach qualifizierten Absolventen ist weiter ungebrochen. Daher bietet auch der Bereich Dispute Resolution (Prozessführung und Schiedsverfahren) gute Chancen für junge Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger. Viele der bekannten nationalen und internationalen Wirtschaftskanzleien verfügen über eine große Prozessrechtsabteilung. Darüber hinaus haben sich inzwischen zahlreiche Boutiquen für Prozessführung am Markt etabliert. Die Stellen für Associates sind bei Berufseinsteigern aktuell durchaus beliebt. Viele junge Absolventen schätzen die Vielfältigkeit des Prozessrechts. Im Hinblick auf die akademischen Voraussetzungen gelten für eine erfolgreiche Bewerbung als Dispute-Anwalt keine besonderen Voraussetzungen, im Vergleich zu anderen beliebten Fachbereichen, wie zum Beispiel dem Banken- & Kapitalmarktrecht oder dem Gesellschaftsrecht.

Grundsätzlich kann man sagen, dass in diesem Bereich meist die klassischen Einstellungsvoraussetzungen der unterschiedlichen Kanzleien zu Grunde gelegt werden. Selbstverständlich bringt eine einschlägige Vorerfahrung im Rahmen einer Stage des Referendariates oder durch eine Promotion /LL.M. zu Themen des Prozessrechts stets einen Vorteil im Rennen um die begehrten Stellen.

Prozessrecht lebt von seiner Vielfältigkeit

Wer sich für eine Karriere als Dispute Anwalt entscheidet, dem bieten sich vielfältige Möglichkeiten, juristisch zu agieren. So muss man zunächst zwischen den Bereichen Litigation und Arbitration unterscheiden. Insbesondere Arbitration findet häufig in grenzüberschreitenden Prozessen Anwendung und nimmt einen immer größeren Stellenwert im Rahmen der Prozessführung ein. Neben dieser Unterscheidung stellt sich für die jungen Anwälte zudem die Frage, in welchem materiell-rechtlichen Bereich man seine Schwerpunkte setzen möchte, da Fragen des Prozessrechts sich schließlich über sämtliche Rechtsgebiete erstrecken. Dabei gilt es zu beachten, dass es auch hier unterschiedliche Strukturen innerhalb der Kanzleien gibt.

Einige Kanzleien verfügen über reine Dispute Teams; diese betreuen gesondert alle prozessrechtlichen Themen der unterschiedlichen Fachbereiche. Andere Kanzleien organisieren ihre Struktur so, dass die einzelnen Fachbereiche auch selbst die Prozessführung übernehmen. Hier findet daher naturgemäß eine stärkere Fokussierung auf einzelne materiell-rechtliche Themen statt.

Dies macht den Berufseinstieg für junge Juristen häufig auf den ersten Blick etwas undurchsichtig. Hier können erfahrene Personalberater helfen, etwas Licht ins Dunkel zu bringen, da wir die Spezialisierungen durch unsere langjährige Erfahrung gut kennen.

Masseverfahren bringen Chancen und Risiken

Gerade die verschiedenen Masseverfahren (Dieselgate, Fluggastrechte, Datenschutz etc.) haben in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. So haben einige namhafte Kanzleien bereits eigene Einheiten für diese Verfahren gegründet. Dies hat dazu geführt, dass in diesen Teams häufig auch Kandidaten, deren akademischer Hintergrund für die klassischen Teams dieser Kanzleien nicht ausreichend wäre, die Möglichkeit erhalten, als Projektjuristen an den Verfahren mitzuwirken und hierdurch den Zugang zu einer der renommiertesten Kanzleien zu bekommen.

Nachteil hierbei ist jedoch oftmals, dass die meist jungen Absolventinnen und Absolventen im Rahmen dieser Verfahren nur einen eng gefassten juristischen Aufgabenbereich kennenlernen und somit ihre erste Berufserfahrung etwas einseitig ausfällt. Zudem ist davon auszugehen, dass der schnell wachsende LegalTech-Sektor einen deutlichen Einfluss auf solche Masseverfahren ausüben wird.

Für Inhouse häufig nicht das optimale Sprungbrett

Ein weiterer Effekt, den wir als Recruiter immer wieder feststellen, ist, dass der Wechsel aus dem Kanzleiumfeld in den Inhouse-Bereich den Dispute Anwälten häufig etwas schwerer gelingt als ihren Kollegen aus anderen Rechtsgebieten. Dispute Anwälte verfügen in der Regel über eine breite Kenntnis in unterschiedlichen Rechtsbereichen. Ihnen haftet jedoch zuweilen das Vorurteil an, dass sie nicht als Experten für bestimmte materiellrechtliche Fachbereiche gelten. Diese Vermutung besteht in manchen Fällen nicht zu Unrecht, ist die Kernkompetenz des Dispute-Anwaltes schließlich das Prozessrecht und nicht das Gesellschaftsrecht oder das Arbeitsrecht in seiner kompletten Tiefe.

Alles auch eine Typfrage

Wer sich dafür entscheidet, seinen Weg als Dispute Anwalt zu gehen, sollte sich stets auch darüber bewusst sein, dass der forensische Anteil der Tätigkeit nicht zu unterschätzen ist. Das bedeutet, dass man hierbei meist in der ersten Reihe auftritt und daher auch in der Lage sein sollte, vor den entsprechenden Stellen inhaltlich und argumentativ überzeugend agieren zu können. Nicht jeder Jurist ist für eine solche Herausforderung geboren. Hier hilft es, ehrlich zu sich selbst zu sein.

Über den Autor:

Matthias Pohlers
Berater bei Schollmeyer & Steidl.

1 Das generische Maskulinum wird in diesem Beitrag ausschließlich zur besseren Lesbarkeit verwandt und bezieht sich auf alle Juristen (w/m/d).