Als Berufsanfänger in einer Großkanzlei – Interview mit einem Top-Absolventen

Omed Asmatyar im Gespräch mit Ghazzal Novid

Herr Asmatyar, nachdem Sie parallel zum Referendariat Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Prof. Dr. Jan Lieder, LL.M. (Harvard) waren, haben Sie 2017 das Zweite Staatsexamen abgelegt. Seit einem Jahr sind Sie Associate bei CMS. Ab wann wussten Sie, dass sie Rechtsanwalt in einer Großkanzlei werden wollen?

Die Idee, in einer Großkanzlei arbeiten zu wollen, kam erstmals während des Studiums auf. Großkanzleien sind unter Studenten ein beliebtes Thema, wenn es um den späteren Berufseinstieg geht.

Die Idee verfestigte sich während des Referendariats zu einem Wunsch. Ich absolvierte die entsprechenden Stationen im Bereich Gesellschaftsrecht/Private Equity im Hamburger CMS-Büro sowie bei Heuking Kühn Lüer Wojtek.

Die Tätigkeit hat mir wirklich gut gefallen und ich wusste, dass für den Berufseinstieg etwas anderes nicht infrage kommt.

Sie sind 1987 geboren, gehören also zu einer Generation von Menschen, für die persönliche Freiheit und Selbstverwirklichung eine sehr wichtige Rolle spielt. Fühlen Sie sich zur Generation Y zugehörig? Wie unterscheiden sich die jungen Anwälte von den Generationen davor?

Offen gestanden: Meine Verwirklichung im Privatleben ist für mein Glück ebenso wichtig wie meine berufliche Tätigkeit. Ob dies bereits zu einer Zugehörigkeit zur Generation Y führt, kann ich nicht beurteilen.

Junganwälte in Großkanzleien entsprechen womöglich nicht ganz dem klassischen Bild der Generation Y. Es ist kein Geheimnis, dass es zumindest Phasen mit einer hohen – auch zeitlichen – Belastung gibt. Die Bereitschaft, diese Belastungen auf sich zu nehmen und nicht nur nach Stechuhr zu arbeiten, unterscheidet die junge Generation in Kanzleien aus meiner Sicht nicht von ihren Vorgängern.

Ich glaube aber, dass sich bei vielen die Bereitschaft geändert hat, ein dauerhaftes Ungleichgewicht zwischen Berufs- und Privatleben zu akzeptieren.

Zu einer gesunden Balance gehört beispielsweise, dass Arbeit am Wochenende oder im Urlaub die Ausnahme darstellt. Ich bin glücklich darüber, dass das bei CMS so ist.

Zudem beobachte ich, dass für viele Kollegen in meiner Generation nicht nur der bloße Inhalt der Arbeit von wesentlicher Bedeutung ist, sondern auch das Miteinander mit den Kollegen sowie die Stimmung im Team eine entscheidende Rolle spielen. Die Zeit, die man in der Kanzlei verbringt, kann dann sowohl in beruflicher als auch in persönlicher Hinsicht äußerst bereichernd sein.

Sie haben einen Migrationshintergrund, was eigentlich nicht weiter erwähnenswert wäre. Was macht Diversity Management für Arbeitgeber aber wichtig?

Ich denke, Diversität eröffnet Arbeitgebern dieselben Chancen wie der Gesellschaft im Allgemeinen. Komplexe Probleme erfordern oftmals kreative Lösungsansätze. Die Diversität unter den Mitarbeitern ermöglicht die Betrachtung dieser Probleme aus verschiedenen Perspektiven und fördert die erforderliche Kreativität bei der Beratung und Problemlösung.

Ein gelungenes Diversity Management bietet vor allem international tätigen Großkanzleien den großen Vorteil, die oftmals spielerisch erlernte interkulturelle Kompetenz der Anwälte mit Migrationshintergrund in ihrer Mandatsbetreuung einzusetzen.

Gerade vor dem Hintergrund, dass grenzüberschreitende Mandate und die Zusammenarbeit mit Beraterteams unterschiedlicher Jurisdiktionen mittlerweile zur Tagesordnung gehören, ist dies sicherlich eine Kernkompetenz. Bei dieser möchte sich keine international tätige Kanzlei eine Lücke erlauben.

Fühlen Sie sich durch die juristische Ausbildung gut für die Praxis gerüstet? Was könnten Universitäten in der Ausbildung verbessern?

Ein frisch gebackener Volljurist in Deutschland ist grundsätzlich gut gerüstet für die Herausforderungen der Praxis. So habe ich es auch persönlich empfunden. Der Anspruch sollte aber nicht sein, bereits alles zu können.

Bei der Vielzahl möglicher Tätigkeitsfelder kann die Ausbildung dies gar nicht leisten. Mit den in der juristischen Ausbildung vermittelten Grundfähigkeiten, wie beispielsweise der Fähigkeit, sich schnell in neue Materie einzuarbeiten oder dem geschärften Problembewusstsein, kann man dennoch selbstbewusst in das Berufsleben einsteigen.

Aus meiner Sicht sollte die Vermittlung von betriebswirtschaftlichem Basiswissen in der universitären Ausbildung zum Standard werden. Als Anwalt kommt man ohnehin nicht daran vorbei, sich dieses Wissen anzueignen.

Über die Interviewpartner:

Ghazzal Novid
arbeitet an der Universität Kiel am
Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und
Zivilprozessrecht.

Omed Asmatyar
studierte an der Universität Kiel und
begann vor kurzem seine Anwaltslaufbahn
bei der Großkanzlei CMS Deutschland
am Standort Hamburg.
Er profiliert sich durch seine wissenschaftlich
fundierte Expertise im Gesellschaftsrecht.

 

Quelle BECK Stellenmarkt 4/2019