Der Persönlichkeitstest im Unternehmen

von Dr. Eva-Maria Emsinghoff, Schollmeyer & Steidl

Wer sich heute als Jurist um eine Stelle bemüht – insbesondere in der Rechtsabteilung eines Unternehmens – muss neben akademischen und fachlichen Qualifikationen auch immer mehr unter Beweis stellen, dass er die für die jeweilige Position erforderliche Persönlichkeit mitbringt. Kannte man früher aus Bewerbungsverfahren lediglich Intelligenz- und Leistungstests, gehen Unternehmen in der letzten Zeit auch dazu über, mit den Bewerbern sog. Persönlichkeitstests durchzuführen.

Im Rahmen von Intelligenztests geht es neben dem Erkennen logischer Zusammenhänge und Schlussfolgerungen insbesondere darum, sprachliche Analogien zu erkennen, logische Zahlenreihen fortzusetzen oder das räumliche Vorstellungsvermögen unter Beweis zu stellen. Durch Leistungstests werden geistige Fähigkeiten untersucht, die von der reinen logischen und sprachlichen Intelligenz losgelöst zu betrachten sind, wie zum Beispiel Konzentration oder Ausdauer.

Der reine Persönlichkeitstest ist ein psychologisches Testverfahren, mit dem Charakter und bestimmte Eigenschaften eines Bewerbers untersucht werden sollen. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es unzählige Testverfahren, die von Psychologen entwickelt wurden und auf unterschiedlichen wissenschaftlichen Theorien basieren.

In Deutschland sind Persönlichkeitstests bislang noch nicht sehr verbreitet. Von Kanzleien, seien es Großkanzleien, mittelständische Sozietäten oder auch Boutiquen, werden diese eigentlich so gut wie gar nicht angewandt.
Bei Unternehmen sieht die Situation schon anders aus. In den USA und den führenden EU-Staaten, vor allem in Großbritannien, nutzen inzwischen mehr als die Hälfte der Unternehmen im Rahmen ihrer Bewerbungsverfahren Persönlichkeitstests als Beurteilungskriterium.

In Deutschland dagegen ist die Zahl der Unternehmen, die einen Persönlichkeitstest im Auswahlverfahren anwenden, noch geringer. Sie liegt bei weniger als einem Viertel, doch nimmt sie auch in Deutschland stetig zu. Vor allem bei der Besetzung von Führungspositionen werden Persönlichkeitstests immer häufiger ein Teil des komplexen Bewerbungsverfahrens. Ein Trend, wonach in bestimmten Branchen mehr oder weniger mit Persönlichkeitstests gearbeitet wird, lässt sich dabei allerdings nicht erkennen.

Den Sinn solcher Persönlichkeitstests sehen Unternehmen vor allem darin, sich mit Hilfe standardisierter Testverfahren ein umfassendes Bild von Bewerbern zu machen und deren Qualitäten messen zu können.
Eigenschaften wie Ordnungssinn und Disziplin reichen häufig nicht aus, um die Anforderungen zu erfüllen.

Immer wichtiger wird es zum Beispiel, mit Gemütsverfassungen umgehen zu können, die einen im Job auf negative Art und Weise befallen können. So ist ein wichtiger Aspekt, wie ein Bewerber mit Angst, Anspannung, Stress- oder Drucksituationen umgeht. Daneben spielen auch Leistungsbereitschaft, Kontaktfreude und Kommunikationsfähigkeit, emotionale Stabilität und Gewissenhaftigkeit eine wichtige Rolle. Bereits für Personalberater wird es zunehmend zur Aufgabe, Bewerber zu charakterisieren, ihre Persönlichkeitsmerkmale in Gesprächen festzustellen und diese mit dem Stellenprofil abzugleichen.

Inhaltlich können Persönlichkeitstests verschiedenartig aufgebaut sein. So werden bei manchen Tests dem Bewerber Aussagen vorgelegt, auf die er mit abgestuften vorgegebenen Antworten von „trifft voll zu“ bis „trifft überhaupt nicht zu“ antworten kann (z. B. „Wenn ich stark unter Druck stehe, reagiere ich gereizt.“, „Ich fühle mich sehr unwohl, wenn andere mich ablehnen“ oder „Um das Klima nicht zu vergiften oder um andere nicht vor den Kopf zu stoßen, greife ich manchmal zu Notlügen.“)

Auch angewandt werden Testverfahren, bei denen Bewerber in eigenen Worten selbst formulierte Antworten geben müssen, beispielsweise auf Fragen wie „Was nehmen Sie mit auf eine einsame Insel?“ oder „Was ist Ihnen im Beruf besonders wichtig?“

An den Vor- und Nachteilen solcher Persönlichkeitstests scheiden sich die Geister. Manche Unternehmen stehen Persönlichkeitstests im Rahmen von Bewerbungsverfahren grundsätzlich ablehnend gegenüber.

So hört man etwa das Argument, dass diese Tests ursprünglich nicht dazu geschaffen worden seien, Bewerber auszuwählen, sondern um psychische Krankheiten zu diagnostizieren. Zudem haben mache Unternehmen die Sorge, dass die Anwendung eines Persönlichkeitstests ein schlechtes Licht auf sie werfen könnte. Daher werden zum Teil solche Tests nur im Rahmen interner Schulungen und Weiterbildungen verwendet, nicht jedoch für Kandidaten, die von außerhalb kommen.

Kritiker führen zudem immer wieder an, dass sich durch einen Persönlichkeitstest keine absolute und abschließende Charakteristik des Bewerteten erstellen ließe. Vielmehr gebe ein solcher Test nur eine gewisse Tendenz vor. Der genaue Charakter könne nur anhand weiterer Gespräche oder individualisierter Tests bestimmt werden und zeige sich letztlich erst im Berufsalltag.

Ein weiteres Argument der Gegner ist, dass Persönlichkeitstests durch den getesteten Bewerber leicht manipuliert werden könnten. Oft lassen die Fragen erkennen, welche Charaktereigenschaft getestet werden soll - und wie das Ergebnis ausfallen muss, damit es positiv bewertet wird. Auch geschickte Kontrollfragen, durch die die Schlüssigkeit der Antworten in sich gewährleistet werden soll, können das Problem nicht ausräumen. Denn alleine die Tatsache, dass der Bewerber glaubt, durch bestimmte Antworten einen bestimmten Eindruck bzw. eine gewisse Charaktereigenschaft vorzugeben, reicht aus, um das Ergebnis zu verfälschen.

Aus Sicht der Befürworter liefern wissenschaftlich fundierte Tests ein umfassendes Bild des Bewerbers. Natürlich ergebe sich daraus keine Garantie für eine zukünftige erfolgreiche Zusammenarbeit, jedoch bestünde die Möglichkeit, durch gezielte Fragestellungen etwa die Team- und Konfliktfähigkeit eines Bewerbers auszuloten – einer Eigenschaft, auf die stets großen Wert gelegt wird.

Insbesondere wenn die Fragen nicht zu allgemein gehalten sind, sondern eine gewisse Berufsrelevanz oder sogar Positionsrelevanz aufweisen, können sie in jedem Fall sachdienlich sein.

Wichtig ist auch, bei Bewerbern die Akzeptanz eines Persönlichkeitstests zu erhöhen. Ein Bewerber, dem das Testergebnis hinterher transparent gemacht und dargelegt wird, steht im Zweifel dem Verfahren positiver gegenüber als ein Bewerber, der den Test absolviert und später keine Rückmeldung bekommt.

Als Fazit kann festgehalten werden, dass über Sinn und Unsinn derartiger Tests freilich gestritten werden kann. Fakt ist jedoch, dass ihnen auch für juristische Stellen ein immer größerer Stellenwert zukommt und auch ein hervorragend juristisch qualifizierter Bewerber seine persönlichen Eigenschaften schulen muss. Der hohe Stellenwert persönlicher Eignung für einen Position eröffnet zum Teil andererseits auch solchen Bewerben eine Chance, die gegenüber Mitbewerbern juristisch nicht so herausragend qualifiziert sind.

Bleibt die Frage, ob man sich als Bewerber auf einen Persönlichkeitstest vorbereiten kann. Eine hundertprozentige Vorbereitung gibt es mit Sicherheit nicht. Zum einen variieren die Anforderungen je nach Stelle, so dass es keine generelles „Richtig“ oder „Falsch“ gibt.

Zum anderen gibt es unzählige Fragemöglichkeiten, so dass immer wieder Fragen auftauchen können, mit denen man als Bewerber nicht rechnet und bei denen man sich auch den Sinn nicht erklären kann. Allerdings kann wohl nicht abgestritten werden, dass ein vorheriges Vertraut machen mit dem Thema dem Bewerber eine gewisse Sicherheit gibt. Die Fachliteratur hält zahlreiche Bücher bereit, so dass es bestimmt nicht schadet, einen Blick in das ein oder andere zu werfen.

 

Über die Autorin: 

Dr. Eva-Maria Emsinghoff
Senior-Personalberaterin

 

 

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Quelle NJW 45/2010