Die Bewertung von inhabergeprägten Unternehmen unter besonderer Berücksichtigung des b.v.s Standpunkts zur Bewertung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)

von Dipl.-Kfm. Frank Boos und Dipl.-Bw. Joachim Schlimpert

Die Bestimmung des Wertes eines inhabergeprägten Unternehmens mittels des Modifizierten Ertragswertverfahrens, welches im b.v.s e.V. im Rahmen seines Standpunkts zur Bewertung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)1 ausführlich beschrieben wird, hat mittlerweile eine breite Zustimmung und Akzeptanz in der Rechtsprechung sowie der betriebswirtschaftlichen Theorie erfahren. Worauf sollte man bei der Bewertung von Apotheken beispielsweise achten?

Verfahren zur Ermittlung des Wertes inhabergeprägter Unternehmen

Dem Modifizierten Ertragswertverfahren liegt zu Grunde, dass sich der Unternehmenswert aus den zukünftigen Erträgen ermittelt. Bei der Bewertung von inhabergeprägten Unternehmen, z. B. von Apotheken ist es erforderlich neben der Analyse der Vergangenheitswerte eine Prognose der zukünftigen Leistungsfähigkeit der Apotheke zu erstellen, um die Erträge, die die Apotheke in Zukunft erwirtschaften kann zu ermitteln.

Von zentraler Bedeutung für den Erfolg einer Apotheke ist der Standort. Vom Standort und auch vom Apothekentyp sind wesentliche Kennziffern und auch insbesondere die Kostenstruktur der Apotheke direkt abhängig2.

Somit ist eine aussagekräftige und fundierte Standortanalyse sowie die Kenntnisse hinsichtlich der Eigenheiten unterschiedlicher Standorttypen (Filialapotheke / Centerapotheke …/Lauflage …) zwingende Voraussetzung für eine seriöse und neutrale Apothekenbewertung. Es sind gerade auch bei der Bewertung von Apotheken unternehmensspezifische und volkswirtschaftliche Daten und Fakten zu berücksichtigen3.

Diese Vorgehensweise ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Bundesgerichtshof in verschiedenen Entscheidungen das Modifizierte Ertragswertverfahren als geeignetes, ja vorzugswürdiges Bewertungsverfahren für freiberufliche Praxen angesehen hat und diese Rechtsprechung auch zwischenzeitlich auf inhabergeprägte KMU (kleine und mittlere Unternehmen) übertragen hat. Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof auch die enormen Einflüsse der jeweiligen Standorte der Unternehmen auf deren Wertigkeit erkannt und sieht die Einbeziehung volkswirtschaftlicher Daten für die Ermittlung des Ergebniszeitraums als für die Wertermittlung erforderlich an4.

Diese Abhängigkeit der Bewertungsobjekte vom Standort lässt sich nicht nur bei zahllosen Unternehmen, sondern schon immer bei Grundstücken deutlich erkennen. Gerade auch deshalb hat sich das Modifizierte Ertragswertverfahren gegenüber dem Discounted-Cash-Flow-Verfahren oder dem Ertragswertverfahren in der Apothekenbranche als Bewertungsstandard nachhaltig etabliert5.

Ablauf des Modifizierten Ertragswertverfahrens bei der Bewertung von inhabergeprägten Unternehmen

Der früher vorherrschende Ansatz der „ewigen Lebensdauer“ eines Unternehmens und damit die Kapitalisierung mit einer „ewigen Rente“ im Rahmen von Bewertungen mittels des klassischen Ertragswertverfahrens nach IDW S1 führt aufgrund des seit längerem niedrigen Marktzinsniveaus regelmäßig zu vollständig überhöhten Werten, da die Bemessung der Risikozuschläge auf den neutralen Zinssatz nicht beliebig ausgedehnt werden kann (und die Risikozuschläge dann selbstverständlich auch transparent zu erläutern wären).

Bei Bewertungen mittels des Modifizierten Ertragswertverfahrens wird dieser unendliche Zeitraum jedoch verkürzt, es wird ein sogenannter Ergebnis- oder Reproduktionszeitraum ermittelt. In die Ermittlung dieses Ergebnis- / Reproduktionszeitraums werden beispielhaft apothekenindividuelle Faktoren (mikroökonomische Faktoren) sowie apothekenexterne Faktoren (volkswirtschaftliche / makroökonomische Faktoren), die sich in erster Linie aus dem Markt- und Wettbewerberumfeld im Einzugsgebiet sowie der dortigen volkswirtschaftlichen Gesamtentwicklung ergeben, einbezogen6.

Bei allen Faktoren sind die spezifischen Eigenheiten des Apothekentyps bzw. des Apothekenstandorts entsprechend zu berücksichtigen, da ein Faktor nicht für jeden Standort die gleiche Bedeutung hat (bspw. ist die Anzahl der Einwohner pro Apotheke bei einer Apotheke in „Lauflage“ nicht von gleicher Wichtigkeit wie für eine „Stadtteil- oder Land-Apotheke“)7.

Mit der dargestellten Vorgehensweise wird beispielhaft sowohl der interne Bereich der Apotheke (also deren Struktur), als auch die Standortsituation berücksichtigt. Somit wird eine Apotheke (bei gleichen wirtschaftlichen Daten), die aktuell einen guten und perspektivisch erfolgversprechenden Standort aufweist, auch deutlich besser zu bewerten sein, als eine Apotheke, deren Standort eher negativ zu beurteilen ist. Weiterhin beruht die Einschätzung auf objektiven Fakten und nicht auf der subjektiven Einschätzung des Gutachters.

Nach der Ermittlung des Ergebnis- / Reproduktionszeitraums erfolgt die Erstellung einer Zukunftsprognose der nachhaltigen Erträge für diesen Zeitraum, die dann auf den Bewertungsstichtag abgezinst werden. Die Höhe des Kapitalisierungszinssatzes ergibt sich aus der Summe des Basiszinses und eines angemessenen Risikozuschlags.

Darüber hinaus gilt es, einen individuell angemessenen kalkulatorischen Unternehmerlohn zu berücksichtigen8.

Die Summe der über den Ergebnis-/Reproduktionszeitraum sodann abgezinsten Zukunftserträge nach Steuern (in der Regel wird mit einem typisierten Ertragssteuersatz von 35 % gerechnet) und Unternehmerlohn ergeben den immateriellen Wert (Goodwill). Zu diesem Wert wird dann der Substanzwert9 (als Zeitwert der Substanz mit allen betriebsnotwendigen Wirtschaftsgütern (Inventar) sowie dem Vorratsvermögen) addiert, um in transparenter und nachvollziehbarer Weise zum objektivierten marktkonformen Wert für inhabergeprägte Unternehmen zu gelangen.

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1 b.v.s Standpunkt, Fachausschuss für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft: Bewertung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) 11/2017
2 Benz, Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 03/2019 S. 8 – 10
3 Benz, Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 05/2019, S. 8 – 9; Boos / Siewert, Der Sachverständige 10/2018, Seite 265
4 BGH-Urteil vom 02.02. 2011, Az: XII ZR 185/08, BGH-Urteil vom 09.02. 2011, Az.: XII ZR 40/09 und BGH-Urteil vom 06.11.2017 – XII ZR 40/09
5 Benz, Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 03/2019 S. 8 – 10; 05/2019, S. 8 – 9
6 Aufenanger/Butz, Der Sachverständige 304 – 306; Benz, Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 05/2019, S. 8 – 9
7 Benz, Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 05/2019, S. 8 – 9
8 Zur Bestimmung des kalkulatorischen Unternehmerlohns ausführlich Schlimpert, Der Sachverständige 1 – 2/2019, S. 30 – 36; BGH-Urteil vom 02.02. 2011, Az: XII ZR 185/08, BGH-Urteil vom 09.02. 2011, Az.: XII ZR 40/09
9 Boos / Siewert, Der Sachverständige 10/2018, Seiten 266 – 268

Über die Autoren:

Dipl.-Kfm. Frank Boos
Sachverständiger für Bewertung von
Unternehmen und Praxen, von der
Industrie- und Handelskammer
Karlsruhe öffentlich bestellt und vereidigt

Dipl.-Bw. Joachim Schlimpert
Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
sowie Sachverständiger für die Bewertung
von kleinen und mittleren Unternehmen

Quelle NJW 14/2019