Integrale Bestandteile eines Gutachtens bei der Bewertung von freiberuflichen Unternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) im Rahmen des Zugewinnausgleichs – Transparenz und Nachprüfbarkeit

von Dipl.-Kfm. Frank Boos, von der Industrie- und Handelskammer Karlsruhe öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Bewertung von Unternehmen und Praxen im Gesundheitswesen, Betriebsanalysen und Betriebsunterbrechungsschäden

Immer wieder trifft man auf Gutachten, welche selbst für einen Fachmann weder nachvollziehbar noch nachprüfbar sind. Nachfolgende Kurzbeschreibung soll aufzeigen, welche Voraussetzungen ein Wertermittlungsgutachten zur Bewertung von freiberuflichen Unternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) mindestens haben sollte, um für den Gutachtensadressaten auch beurteilbar zu sein.

Klare Beschreibung des Bewertungsauftrages

Zunächst ist der Bewertungsanlass und -stichtag klar im Gutachten darzustellen. Im Rahmen gerichtlicher Auseinandersetzungen ist in der Regel lediglich die Funktion des Sachverständigen als neutraler Gutachter sowie die Ermittlung eines objektivierten Unternehmens-/ Praxiswertes von Relevanz. Dies muss allerdings auch so im Gutachten stehen.

Klare Beschreibung des Bewertungsverfahrens

Das vom Sachverständigen verwendete Bewertungsverfahren sollte zunächst eine anerkannte Methode sein und den rechtlich aktuell gültigen Vorgaben entsprechen. Es muss nachvollziehbar dargestellt und die im Gutachten aufgeführten Parameter müssen transparent begründet werden. Das Bewertungsverfahren hat den zum Bewertungszeitpunkt vorherrschenden Marktgegebenheiten Rechnung zu tragen, da gerade heute eine Wertermittlung für inhabergeführte Unternehmen den veränderten Rahmenbedingungen der Gegenwart und prognostizierend für die Zukunft gerecht werden muss. Es sind vom Sachverständigen grundlegende, allgemein akzeptierte Standards und Verfahrensweisen zu berücksichtigen. Insbesondere können beispielsweise Unternehmensbewertungen, welche im Gewand des Methodenpluralismus über verschiedene Bewertungsverfahren unterschiedliche Werte für das Bewertungsobjekt ermitteln und über diese dann einen (wie auch immer gewichteten) Durchschnitt berechnen, niemals/bzw. nur durch reinen Zufall zum Verkehrswert führen – gleiches gilt für Bewertungsverfahren, welche sich fest vorgegebener pauschaler Multiplikatoren bedienen.

Im Rahmen der Bewertung freiberuflicher Praxen sowie inhabergeführter kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) ist insbesondere die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes der Jahre 2008 bis 2013 zu beachten. Somit stellt das modifizierte Ertragswertverfahren das für freiberufliche Unternehmen generell vorzugswürdige Bewertungsverfahren dar.1

Nachfolgendes Schaubild zeigt die wesentlichen Stellschrauben und hieraus notwendigen Begründungsanforderungen innerhalb des Modifizierten Ertragswertverfahrens (BGH 09.02.2011) – diese sind vom Sachverständigen nachvollziehbar und transparent darzustellen:

Ermittlung Goodwill    ---    Ansatz / Begründung

Umsatzprognose    ---    objektivierte Ermittlung
./. Kostenprognose    ---    objektivierte Ermittlung
./. Brutto-Inhaberentgelt    ---    individuell zu bemessen
= Ertragsprognose
./. (typisierte) Ertragsteuer
= Nachhaltiger Reinertrag
x diskontierter Ergebniszeitraum (Jahre)   ---    objektivierte Ermittlung
= Goodwill
+ Substanzwert (Zeitwert der Substanz)
= Unternehmens-/Praxiswert

Vom Unternehmens-/Praxiswert ist bei Wertermittlungen im Rahmen des Zugewinnausgleichs zusätzlich noch die latente Steuerlast in Abzug zu bringen.2 Es wird teilweise noch immer die Auffassung vertreten, dass bei den oben dargestellten Sachverhalten eine „Doppelberücksichtigung“ von Steuern erfolgen würde. Dem ist jedoch nicht so, da in Zugewinnausgleichsfällen Besteuerungsvorgänge auf zwei Ebenen vorliegen. Der BGH hat in seinem Urteil vom 09.02.2011 ebenso wie die Vorinstanz3 zunächst die bei der Ertragswertermittlung im Rahmen der Unternehmens-/ Praxisbewertung methodisch richtige Berücksichtigung von Ertragssteuern auf die laufenden Überschüsse gewürdigt. Die weiteren Ausführungen des BGH beziehen sich auf die latente Steuerbelastung, die auf dem fiktiven Veräußerungsvorgang des Bewertungsobjektes lastet und nicht das Geringste mit den Ertragssteuern auf die laufenden Überschüsse zu tun hat.

Schlussbemerkung

Zusammenfassend ist anzumerken, dass eine Bewertungsmethode aus sich heraus nachprüfbar sein muss und von fachkundigen Dritten (gebildeten Laien) nachvollzogen und überprüft werden kann. Der Gutachtensadressat muss verstehen können, wie Ergebnisse zustande kommen und warum der Sachverständige gewisse Annahmen im Gutachten trifft und wie er diese begründet. Ferner müssen grundlegende, allgemein akzeptierte Standards und Verfahrensweisen berücksichtigt werden. Die gewählte Bewertungssystematik muss gewährleisten, dass der “wahre”, d. h. marktbezogene Unternehmenswert nachvollziehbar im Rahmen einer Verkehrswertermittlung bestimmt werden kann!

Bewertungsgutachten, die mit mehreren (unterschiedlich hohen) Ergebnissen enden, sind in der Regel nicht zielführend. Vielmehr lässt hier der “sachverständige” Gutachter die Parteien, deren Vertreter sowie die Richter mit der Problematik alleine. Eine Ausnahme bilden hierbei unterschiedliche Grundlagen, die sich aufgrund von noch klärungsbedürftigen Rechtsfragen ergeben können.

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1   BGH 02.02.2011, XII ZR 185/08
2   BGH 06.02.2008, XII ZR 45/06; BGH 02.02.2011, XII ZR 185/08; BGH 09.02.2011, XII ZR 40/09
3   BGH 09.02.2011, XII ZR 40/09; OLG Hamm vom 15.01.2009, 1 UF 119/07

Quelle NJW 14/2016