
Der Abschluss einer Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung (VSH) ist für Rechtsanwälte ein elementarer Baustein zur Absicherung ihrer Risiken und gesetzlich vorgeschrieben. Der Dschungel an teilweise schwer verständlich formulierten Bedingungen macht es jedoch mitunter kompliziert, die Unterschiede zwischen den verschiedenen Anbietern zu erkennen und etwaige Stolpersteine aufzudecken.1
Die VSH hat bekanntlich eine Doppelfunktion: Verbraucherschutz einerseits, Existenzschutz des Anwalts bei beruflichen Fehlern andererseits.2 Nicht zuletzt im eigenen Interesse sollte der bestehende Versicherungsvertrag regelmäßig einer sorgfältigen Prüfung unterzogen werden. Hierbei können spezialisierte Versicherungsmakler eine entscheidende Hilfestellung leisten.
1. Unzureichende Bedarfsanalyse
Eine der größten Stolperfallen bei der VSH besteht darin, dass die tatsächlichen Risiken nicht richtig eingeschätzt und deshalb nicht oder nur unzureichend versichert werden. Denn auch im Pflichtversicherungsbereich können erhebliche Lücken bestehen, wenn nicht alle beruflich ausgeübten Tätigkeiten versichert und/oder diese nicht unter das Berufsbild zu subsummieren sind. Dies kann zum Beispiel die Tätigkeit als Insolvenzverwalter oder Testamentsvollstrecker, vor allem aber als Treuhänder betreffen.
Allerdings sind nicht alle Tätigkeiten in abschließenden Aufzählungen in Versicherungspolicen enthalten. Beispielhaft sei hier die Tätigkeit als Restrukturierungsbeauftragter nach StaRUG oder als externer Datenschutzbeauftragter genannt. Tätigkeiten mit Auslandsbezug sind ein weiteres deckungsrechtliches Problemfeld, das häufig zu Deckungslücken führt.3
2. Unzureichende Versicherungssumme
Probleme bereitet zudem eine oft zu niedrig angesetzte Versicherungssumme. Die geltende Mindestversicherungssumme für Einzelanwälte in Höhe von 250.000 EUR je Versicherungsfall (§ 51 Abs. 4 BRAO) mag in vielen Fällen ausreichend erscheinen, ist aber in Zeiten komplexer wirtschaftlicher Verflechtungen und hoher Schadensersatzforderungen häufig nicht mehr zeitgemäß.4 Gerade bei größeren Mandaten und wirtschaftlich bedeutenden Rechtsstreitigkeiten können Vermögensschäden in Millionenhöhe drohen.
Das tatsächliche Haftungsrisiko wird bestimmt durch Faktoren wie die Anzahl der Mandate, die Höhe der üblichen und maximalen Streitwerte und mögliche Schadensszenarien innerhalb der betreuten Rechtsgebiete. So liegt es auf der Hand, dass die möglichen Schadenssummen im Kartellrecht regelmäßig deutlich höher sind als bei Anlegerstreitigkeiten im Kapitalmarktrecht. Aber auch ein einfacher Verkehrsrechtsfall birgt mitunter hohe Haftungsrisiken, insbesondere, wenn er mit Personenschäden einhergeht.
Die Wahl der Versicherungssumme hat aber nicht nur Auswirkungen auf die Regulierung, sondern auch auf den Abwehrschutz: Übersteigt der geltend gemachte Haftpflichtanspruch die Versicherungssumme, trägt der Versicherer nach den marktüblichen AVB die Kosten nur nach der der Versicherungssumme entsprechenden Wertklasse, bei darüberhinausgehenden Ansprüchen also nicht vollständig.
3. Scheinsozietät/Schein-Sozien
Seit Einführung der Pflichtversicherung für Sozietäten durch die BRAO-Reform 2022 sind auch Scheinsozietäten5 versicherungspflichtig und Schein-Sozien als Multiplikator für die Jahreshöchstleistung zu berücksichtigen – mit Auswirkungen auf etwaige Haftungsbeschränkungen.6 Tatsächlich gibt es auch rund zwei Jahre nach der BRAO-Reform noch viele Berufsausübungsgesellschaften, die ihren Versicherungsschutz noch nicht angepasst haben.
4. Wissentliche Pflichtverletzung
Der Gesetzgeber verlangt die Mitversicherung der wissentlichen Pflichtverletzung7 bis zur Höhe der Mindestversicherungssumme bei haftungsbeschränkten Rechtsanwaltsgesellschaften. Dies schließt jedoch nicht aus, dass der Versicherer in diesen Fällen später Regress nimmt.8 Durch die Mitversicherung eines Regressverzichts vermeiden Sie unnötige Diskussionen.
Fazit
Die Auswahl an Anbietern von Vermögensschaden-Haftpflichtversicherungen ist begrenzt. Für die Wahl des Versicherers bzw. des Produktes sollte nicht die Höhe der Prämie ausschlaggebend sein, denn die Qualität einer Versicherung zeigt sich leider erst im Schadenfall – für Korrekturen ist es dann allerdings regelmäßig zu spät. Ziehen Sie daher rechtzeitig Unterstützung spezialisierter Versicherungsexperten hinzu.
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1 Diller, AnwBl Online 2019, 639 –645 (639).
2 Diller, Berufshaftpflichtversicherung der Rechtsanwälte, 2. Auflage 2017, Einl., Rn. 7.
3 Zur Reichweite des Versicherungsschutzes in räumlicher Hinsicht vgl. Bräuer, AnwBl 2011, 688 – 690.
4 Nach Kilian, AnwBl 2013,110 –112 (112) haben 86% der Rechtsanwälte allerdings eine höhere Versicherungssumme als gesetzlich vorgeschrieben.
5 Nach Kilian, AnwBl 2013,110 –112 (112) haben 86% der Rechtsanwälte allerdings eine höhere Versicherungssumme als gesetzlich vorgeschrieben.
6 Riechert, AnwBl 2022, 104; Zimmermann/Dörne, AnwBl Online 2022, 320.
7 Zum Ausschluss und dem Verhältnis zu § 103 VVG vgl. Riechert, AnwBl 2017, 996 – 998.
8 Vgl. auch Riechert, AnwBl 2022, 104 (105).
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Über die Autorin:
Franziska Geusen - Geschäftsführerin der Hans John Versicherungsmakler GmbH
Zuvor war sie bereits bei der Allianz als Underwriterin für diesen Bereich tätig. Als Vorständin des AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung e.V. vertritt sie über 2.000 Mitgliedsunternehmen gegenüber der Politik und Wirtschaft sowie in unternehmerischen Belangen.