Mit der Stimme durch die Pandemie: Welchen Einfluss die Stimme auf die Karriere hat

von Ute Bolz-Fischer

Seit über einem Jahr schon stellen wir uns jeden Tag einer veränderten Umwelt – verändert durch Covid-19. Die Pandemie zwingt uns, unsere eingetretenen Pfade zu verlassen und uns mit neuen Wegen der Kommunikation zu behelfen. Dabei stoßen wir auf neue Grenzen und Probleme. Eines davon betrifft die Stimme. Sie rückt viel stärker in den Fokus als bei persönlichen Treffen. Plötzlich ist die Stimme Dreh- und Angelpunkt des Auftretens.

Die Stimme ist, wenn auch oft unbeachtet, eines unserer wichtigsten Werkzeuge im beruflichen Leben. Dennoch wird sie oft vernachlässigt. Während man zwar für ein gepflegtes Äußeres und einladende Räumlichkeiten sorgt, bleibt die Fürsorge für die Stimme außen vor. Dabei spielt sie mindestens eine genauso große Rolle dafür, wie man als Juristin oder Jurist wahrgenommen wird.

Vertrauen durch Stimme

Anwältinnen und Anwälte verkaufen eine Dienstleistung, die auf Vertrauen basiert. Egal in welchem Sektor, für welches Business oder welche Klientel man arbeitet, man wird nach dem gesamten Erscheinungsbild bewertet. Wirkt man vertrauenerweckend, so wird man wahrscheinlich mandatiert. Wer ein überzeugendes Auftreten hat, dem unterstellt man oft Charisma. Dieses hängt eng mit der Stimme zusammen. Man spricht davon, wenn Erscheinungsbild, Auftreten und Stimmklang miteinander harmonieren. Doch Charisma ist nichts, das jemand einfach so hat oder nicht. Man kann es trainieren.

Schwierigkeiten mit der Stimme

Gehen wir erst einmal vom umgekehrten Fall aus: Jemand klingt nicht charismatisch und nicht überzeugend. Schaut (oder hört) man genauer hin, kann man häufig recht schnell erkennen, was in der akustischen Performance stört. Ist es eine irritierende Weise zu atmen, die einen selbst beim Zuhören unruhig werden lässt? Hat jemand eine Fistelstimme? Spricht jemand zu leise oder zu laut? Wird eventuell gelispelt oder gestottert? Menschen mit diesen Problemen hören wir nicht gerne zu. Sie können unsere Aufmerksamkeit nicht über einen längeren Zeitraum halten. Aber auch wenn die stimmlichen Probleme nicht so sehr gravierend sind wie die gerade beschriebenen, ist es mehr als sinnvoll, sich auf akustischer Ebene gut aufzustellen.

Das Problem der technischen Übertragung

Das Homeoffice wirkt für jede Art von stimmlichem Problem oder Unsicherheit wie ein Brennglas – denn die technische Übertragung fungiert als Verstärker für jeden Makel. Nicht bei der Person selbst, aber am anderen Ende der Leitung. Mikrofone und Übertragungswege komprimieren bei der Übertragung die vorhandenen Frequenzen. Das tun sie wahllos, denn bei Skype, Zoom, Teams usw. gibt es keinen Tontechniker, der die „richtigen“ Frequenzen hervorhebt und die ungünstigen verschwinden lässt. Bei Videokonferenzen wird der Ton dahingehend verändert, dass er sich optimal übertragen lässt – und das hebt leider genau die Dinge in den Vordergrund, die für den Sprecher unvorteilhaft sind.

Beispiel Frauenstimme

Nehmen wir als Beispiel die Frauenstimme: Sie wirkt auf uns besonders charismatisch, wenn sich das gesamte Frequenzspektrum abbildet, also auch die hohen Frequenzen dezent mitschwingen. In Videokonferenzen wird der Ton allerdings so komprimiert, dass genau diese verschwinden. Frauen sind Männern gegenüber also bei Videokonferenzen schon aufgrund dieses akustischen Phänomens und ihren von Natur aus höheren Stimmen im Nachteil.

Hilfe durch Stimmtraining

Für unsere Stimme und damit für unser Charisma ist es am günstigsten, wenn wir in der sogenannten Indifferenzlage sprechen. Das ist für jeden Menschen die Tonlage, die am natürlichsten klingt und sich auch so anfühlt. In ihr können wir stundenlang sprechen, ohne dass wir ermüden. Doch diese Tonlage muss man zunächst einmal finden. Am besten funktioniert das im Stimmtraining mit einem ausgebildeten Coach. Anhand von Gesangsübungen kann man in diesem Rahmen Sicherheit im Umgang mit der eigenen Stimme und den ihr eigenen Frequenzen erlangen. Keine Angst, beim Stimmtraining geht es nicht darum, alle gleich zu Opernsängerinnen und Opernsängern auszubilden. Aber Gesang verschafft einen anderen Zugang zur eigenen Stimme, den man beim Sprechen hervorragend für sich nutzen kann. Dieser betrifft die Atmung und die Erschließung von Resonanzräumen im eigenen Körper genauso wie ein angemessenes Sprechtempo, das für den Zuhörer ebenso angenehm ist wie für den Sprechenden.

Gesund und stressresistent durch Gesang

Wer dem Gesang gegenüber Vorbehalte hat, dem sei gesagt: Beim Singen schütten wir u. a. Oxytocin aus, das Hormon entsteht neben dem Singen nur durch zwischenmenschliche Berührung. Es sorgt für bessere Abwehrkräfte, fördert die Gesundheit und baut das Stresshormon Cortisol ab. Wer singt, ist also stressresistenter und stärkt seine Immunabwehr – Eigenschaften, die man im Dauerstress einer Pandemie als Juristin oder Jurist sicher gut gebrauchen kann. Wer sich dem Training der Stimme widmet, verschafft sich damit nicht nur einen Karriere-, sondern darüber hinaus einen Gesundheitsvorteil – mit und ohne Videokonferenzen. Die Zeit, die man seiner stimmlichen Ausbildung widmet, sollte man also als Investition in die eigene Karriere betrachten.

 

Über die Autorin:

Ute Bolz-Fischer M.A.
Stimmbildnerin und Stimmcoach
für Juristen