Homeoffice: Die einen lieben’s, die anderen hassen’s – Teil 2

von Ghazzal Novid

Im ersten Teil dieses Beitrages konnten Sie eine kurze Geschichte der unselbstständigen Erwerbstätigkeit vom privaten Zuhause aus (Heimarbeit) lesen. Außerdem konnten wir den Bogen zum Homeoffice in seiner heutigen Form schlagen. In diesem abschließenden zweiten Teil dürfen sich die Leserinnen und Leser über einige praktischen Vorschläge Gedanken machen.

Bewusst Feierabend machen

Wer zuhause arbeitet, macht oft mehr Überstunden. Diese statistisch belegbare Aussage kann auf den ersten Blick nur verwundern, denn zuhause steht oft nicht mal ein Zeiterfassungssystem zur Verfügung. Es liegt natürlich nahe, das Schlechte im Menschen zu sehen und zumindest vor der Coronakrise sahen sich im Homeoffice tätige Arbeitnehmer einem latenten Vorwurf der Faulheit ausgesetzt.

Vielleicht liegt es auch an diesem Vorwurf, dass man zur Selbstausbeutung neigt. Machen Sie also bewusst Feierabend und nehmen Sie sich vor, die gleiche Arbeit in etwas weniger Zeit zu verrichten! Ein straffer Arbeitsplan kann Freiheit schaffen. Achten Sie aber darauf, sich realistische Ziele zu setzen.

Halten Sie Kontakt mit Kollegen

Damit Sie sich in Ihrer Souveränität und Ihrem Selbstwertgefühl nicht beschneiden, halten Sie Kontakt zu Ihren Kolleginnen und Kollegen. In Norddeutschland hält man gerne mal einen Klönschnack auf dem Flur. Verlegen Sie diesen einfach in die Telefonleitung und unterstützen Sie sich gegenseitig mental. Gemeinsam leidet man weniger. 

Holen Sie sich Rückmeldung über Ihre Arbeitsergebnisse

Bitten Sie zudem aus denselben Gründen aktiv um Rückmeldung über Ihre Arbeitsergebnisse. Wer sich ständig unsicher ist, ob das, was er tut, auch richtig ist und vor allem richtig angekommen ist, wird mehr Fehler machen und an Selbstunsicherheit leiden. Übertreiben Sie es aber nicht. Seien Sie kein nerviger Kollege, sondern ein interessierter!

Konzentrieren Sie sich

Versuchen Sie tunlichst zu vermeiden, gleichzeitig arbeitsfremde Dinge zu erledigen. Der Abwasch, die Stromzählerablesung und auch der Rückruf bei der Freundin müssen bis Feierabend warten. Je öfter Sie aus Ihrem Arbeitsfluss geraten, desto länger werden Sie an Ihrer Arbeit sitzen.

Planen Sie Ihre Pausenzeiten

Einen echten Mehrwert kann die bewusste Gestaltung der Pausenzeiten bieten. Wenn Sie wie der Autor nah am Meer leben, verlängern Sie ab und zu die Mittagspause um eine Stunde, um am Wasser zu verweilen. Bewegen Sie sich, gehen Sie an die frische Luft, unternehmen Sie eine Kleinigkeit! Bleiben Sie möglichst nicht zuhause, werden Sie kein Homeoffice-Zombie!

Beengte Wohnverhältnisse

In Zeiten der Wohnungsnot leben viele Menschen auf viel zu beengtem Raum. Ein separates Arbeitszimmer, was wohl die beste Variante des Homeoffice darstellt, ist dann leider nicht drin. Wenn Sie bloß eine Arbeitsecke haben, sorgen Sie dafür, dass unerledigte Arbeit unsichtbar bleibt. Halten Sie Ihren Schreibtisch nach Feierabend frei. Verbannen Sie Ihre Arbeitsmaterialien in Boxen. Denn Unordnung im Raum verursacht Unruhe im Kopf.

Machen Sie halblang

Arbeitszeit ist Lebenszeit. Niemand kann Ihnen Ihre Lebenszeit gerecht bezahlen. Deswegen ist es wichtig, dass Sie auch „auf der Arbeit“ bewusst leben. Wenn Ihnen gerade alles zu viel ist, dann machen Sie halblang. Schrauben Sie Ihre Ansprüche herunter. Mehr als arbeiten können Sie schließlich nicht und wenn etwas nicht fertig wird, wird etwas nicht fertig.

Sie müssen bei allem Leistungsdruck auch den Mut beweisen, Grenzen aufzuzeigen. Ihrem Arbeitgeber nützt es nichts, wenn Sie vor lauter Überforderung krank werden. Nicht zuletzt werden Sie sich durch den Zuwachs an Souveränität, weil sie Grenzen aufgezeigt haben, besser fühlen.

Nutzen Sie technische Kniffe

Aufgrund der pandemiebedingten plötzlichen Verlagerung des Arbeitsortes in die eigenen vier Wände kann es sein, dass einschlägige technische Geräte wie etwa Computer, Monitore, Mikrofone, Kameras oder Headsets nicht mehr lieferbar sind. Vielleicht kümmert sich ihr Arbeitgeber auch gar nicht darum. Dann müssen Sie, Wohl oder Übel, auf private Geräte zurückgreifen.

Wenn Sie dann doch noch etwas Glück haben, können Sie über eine Netzwerkverbindung (VPN) auf den Bürorechner zugreifen. Wenn nicht, dann stören Sie sich beim abendlichen Serien-Streaming an den mit arbeitsbezogenen Dateien vollgepackten Desktop.

Die Lösung: Ergänzen Sie Ihr Betriebssystem um ein weiteres Nutzerkonto namens „Arbeit“ o. Ä. Ein zugegebenermaßen kleiner Kniff, der aber ausgesprochen charmant sein kann. Eine kurze Internetsuche sollte Anleitungen hierfür auffindbar machen.

Wenn nichts hilft, machen Sie Urlaub

Niemand kann wohl seriös vorhersagen, wann die Pandemie vorbei ist. Wenn Sie partout nicht mehr weiterkommen und die Frustration kein Ende nimmt, reichen Sie einen Urlaubsantrag ein. Entdecken Sie Ihre Heimat neu und besuchen Sie Orte in der Nähe, an denen Sie noch nie waren, aber immer schon mal hinwollten. Vielleicht reicht auch nur ein verlängertes Wochenende.

Mit neuem Schwung, neuen Eindrücken und Erlebnissen fällt es jedenfalls leichter, weitere Zeit im ungeliebten Homeoffice zu verbringen. Und dann ist der nächste Urlaub auch schon absehbar. Vorfreude ist immerhin die beste Freude.

Über den Autor:

Ghazzal Novid
derzeit Wissenschaftlicher Mitarbeiter
an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät
der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

 

Quelle BECK Stellenmarkt 16/2020 (online-Vorabveröffentlichung)