Mitarbeiterbindung in Kanzleien – Geheimwaffe Retention

Bezirzen Sie eigentlich Ihre erfahrenen Mitarbeiter genauso intensiv wie aussichtsreiche Bewerber? Vermutlich nicht, denn Mitarbeiterbindung wird in vielen Kanzleien noch immer stark vernachlässigt. Zu Unrecht, denn Fluktuation bringt Unruhe, kostet Geld und bindet Ressourcen. Also: Lassen Sie die Guten lieber gar nicht erst gehen! – Doch welche Maßnahmen sind wirklich effektiv, um qualifizierte Mitarbeiter langfristig zu halten? Was ist "emotionale Mitarbeiterbindung" und welche Ansprache braucht speziell die Generation Z? Einige Antworten werden Sie überraschen... 

Was ist Mitarbeiterbindung?

Mitarbeiterbindung (engl.: retention) sind Maßnahmen von Kanzleien, um qualifizierte und erfahrene Fachkräfte langfristig zu halten und ihre Loyalität zu fördern. Neben kompetenten oder aussichtsreichen Anwältinnen und Anwälten rückt der Fokus solcher Maßnahmen zunehmend auch auf den Assistenzbereich, denn der ReFa-Mangel verschärft sich dramatisch.
 

Welche Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung gibt es?

Mitarbeiterbindung? Denken Sie jetzt nicht gleich an Kickertisch und Obstkorb! Es darf schon etwas mehr sein. Im Grunde ist es ganz einfach: Seien Sie nicht nur ein guter, sondern ein sehr guter Arbeitgeber. Dabei sollten Sie folgende Schwerpunkte setzen:

• Attraktive Arbeitsbedingungen: Ermöglichen Sie flexible Arbeitszeiten und -modelle, Homeoffice und remote work. Die Work-Life-Balance sollte nicht zu sehr aus dem Lot geraten.
  Tipp: Selbstbestimmung ist besonders für junge Eltern Gold wert. Hier können Sie sich von rigideren Arbeitgebern wohltuend abheben.
   
• Wertschätzung ist eine weitere Säule für Zufriedenheit, ob durch Gehaltserhöhungen oder nicht-monetäre Anreize wie Lob und Anerkennung.
  Tipp: Im Assistenzbereich ist Wertschätzung besonders wichtig. Schenken Sie Ihrer ReFa Vertrauen. Binden Sie sie zunehmend in verantwortungsvollere Tätigkeiten ein. Gewähren Sie ihr Raum für selbstbestimmtes Arbeiten.
   
• Gute Kommunikation: Ein offener, konstruktiver Feedback-Prozess stärkt das Vertrauen der Mitarbeitenden in die Kanzlei. Sie fühlen sich buchstäblich gesehen und gehört – auch das ist ein Zeichen von Wertschätzung. Regelmäßige Gespräche helfen, Probleme frühzeitig zu erkennen und anzugehen.
  Tipp: Fragen Sie Ihre Mitarbeitenden, was sie brauchen, um sich bei der Arbeit wohlzufühlen. Gehen Sie zusammen Mittagessen. Das nimmt solchen Gesprächen das übermäßig Formelle.
   
• Kanzleikultur: Offene Kommunikation, open-door-policy und flache Hierarchien ebnen den Weg zu mehr Augenhöhe in der Zusammenarbeit. Starre Strukturen sind ein Relikt vergangener Zeiten.
  Tipp: Wann haben Sie sich bei Ihrer ReFa zuletzt für die gute Arbeit bedankt?
   
• Gesundheit und Wohlbefinden: Mit rein jobbezogenen Maßnahmen ist schon viel gewonnen. Wer jedoch die berühmte "Extrameile" gehen will, bietet mehr. Ob Sportclub, Kinderbetreuung, Dogsitting, Kanzlei-Räder oder gesunde Lunch-Verpflegung – die Möglichkeiten sind vielfältig.
  Tipp: Junge Eltern freuen sich besonders über Unterstützung und vor allem Verständnis.
   

Warum ist Mitarbeiterbindung so wichtig?

Der Fachkräftemangel ist Realität. Und das wird sich so schnell nicht ändern – im Gegenteil. Doch Fluktuation muss nicht sein. Mitarbeiterbindung schützt – und bringt noch so viel mehr:

• Kostenreduktion: Personalwechsel verursachen hohe Rekrutierungs- und Einarbeitungskosten. Effektive Mitarbeiterbindung senkt diese Kosten erheblich. Die HR-Abteilung kann sich auf ihr eigentliches Tun konzentrieren, statt ständig vakant werdende Stellen notdürftig nachzubesetzen.
   
• Bewahrung von Fachwissen: Langjährige Mitarbeiter besitzen Erfahrung, Branchenkenntnisse und wertvolles Fachwissen. Lassen Sie sie nicht einfach gehen!
   
• Verbesserung der Arbeitsmoral: Retention-Maßnahmen sorgen für zufriedene, engagierte Mitarbeitende und ein positives Arbeitsklima. Bestenfalls schaffen Sie "emotionale Mitarbeiterbindung", also Anwältinnen, Anwälte und Assistenzkräfte, die selbst am Montagmorgen gern zur Arbeit gehen und keinerlei Fluktuationsneigung zeigen.
   
• Starke Arbeitgebermarke: Kanzleien mit einer hohen Mitarbeiterbindung genießen durch die entsprechend positive Unternehmenskultur meist einen ausgezeichneten Ruf und ziehen spielend leicht neue Talente an. Die zufriedenen Mitarbeiter fungieren als quasi als positive Botschafter der Kanzlei. Win-win!
   

Wie misst man Mitarbeiterbindung?

Die Analyse der Fluktuationsrate kann Einiges offenbaren. Kombinierte Parameter wie Alter, Position und Dauer der Kanzleizugehörigkeit lassen gewisse Rückschlüsse zu. Wenn etwa die Assistenzen eines bestimmten Anwalts ständig nach kurzer Zeit kündigen, wird es notwendig sein, nachzuforschen.

Tipp: Vertrauensvolle Abschlussgespräche mit Mitarbeitenden, die von sich aus die Kanzlei verlassen, sind meist sehr aufschlussreich.
 

Mitarbeiterbindung der Generation Z – aber wie?

Mitarbeiterbindung "next level" ist es, wenn Sie verstanden haben, wie die Generation Z tickt. Darf ich Ihnen etwas verraten? Es ist keine Raketenwissenschaft, doch Sie müssen sich schon auf die Besonderheiten dieser jungen Menschen einlassen. Ergänzen Sie die o.g. Instrumente zur Mitarbeiterbindung zumindest um

• Digitalisierung: Jüngere Talente erwarten eine moderne technische Ausstattung am Arbeitsplatz. Und wir haben das Jahr 2024. Die meisten neuen Mitarbeiter werden künftig Zoomer sein. Wer bislang noch nicht in Technologie, Legal Tech und digitale Tools investiert hat, sollte sich spätestens jetzt damit beschäftigen. Und: Sind Sie eigentlich schon auf Instagram?
   
• Karriereförderung: Transparente Karrierepfade und regelmäßige Weiterbildungsmöglichkeiten motivieren besonders Jüngere, in der Kanzlei zu bleiben. Tipp: Im Assistenzbereich kann das auch bedeuten, dass Bildungsurlaub unterstützt oder der Aufgabenkreis der ReFa um die Social-Media-Betreuung erweitert wird.
   
• Sinnstiftung: Die "Gen Z" möchte mit ihrer Arbeit etwas Sinnvolles bewirken. Sie sollten daher aktiv Pro-Bono-Aktivitäten und jene Werte Ihrer Kanzlei kommunizieren, die über den wirtschaftlichen Erfolg hinausgehen.

Seien Sie offen. Suchen Sie regelmäßig das Gespräch mit "Zoomern". Verstehen Sie die Generationsunterschiede und finden Sie Gemeinsamkeiten. 
 

Mitarbeiterbindung: Wunderpille gegen Fachkräftemangel

Der Kampf um die besten Talente wird härter. Wer das verstanden hat, macht Mitarbeiterbindung – neben der Mandatsakquise – zur Priorität. Ihr Recruiting wird entlastet und die positive Arbeitgebermarke strahlt weithin wie der Nordstern. Neue Talente werden von Ihnen angezogen wie Motten vom Licht. (Naja, fast.) Effektive Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung sind jedenfalls unerlässlich, um langfristig Erfolg und Wettbewerbsfähigkeit der Kanzlei zu sichern. 

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Über die Autorin:

Julia Torner hat Rechtswissenschaft in Hamburg studiert und ihr Referendariat im Rheinland absolviert. Seit 2019 arbeitet sie als freie Texterin in Berlin.