Burnout – Das Ende vom Kreis

von Diane Manz

Burnout“ ist seit Jahren in aller Munde, wenn es um chronische Erschöpfungszustände geht. Wie oft hört man „Ich stehe kurz vor dem Burnout“ als Ausdruck einer zunehmenden Erschöpfung durch private und berufliche Anforderungen. Die Dringlichkeit der Beschäftigung mit diesem Thema spiegelt sich in einer Vielzahl von Erhebungen durch Krankenkassen wider. So ergab eine Untersuchung zur Arbeitsunfähigkeit bei AOK-Mitgliedern 2019 durchschnittlich 5,9 Arbeitsunfähigkeitsfälle je 1.000 Mitglieder aufgrund einer Burnout-Diagnose, was nahezu eine Verdopplung der Diagnosehäufigkeit im letzten Jahrzehnt darstellt. Die Anzahl der Krankheitstage in dieser Diagnosegruppe hat sich zwischen 2005 (13,9 AU-Tage auf 1.000 Mitglieder) und 2019 (129,8 AU-Tage) nahezu verzehnfacht1 .

Erhöhte Stressbelastung auch in der juristischen Profession

Zwar fällt nach dieser Untersuchung die juristische Profession nicht unter die zehn am meisten gefährdeten Berufsgruppen, dennoch steht diese unter einer deutlich erhöhten Stressbelastung, die im schlimmsten Fall in einem Burnout enden kann. Lange Arbeitszeiten mit dauerhaften Höchstleistungen, hohe Ansprüche der Mandanten, Termindruck, perfektionistisches Streben oft gepaart mit einer Kultur, die keine Fehler verzeiht, und der Druck, möglichst viele abrechenbare Stunden zu generieren, führen dazu, dass Abschalten immer schwieriger wird, soziale Kontakte häufig zu kurz kommen und selbst Urlaub keinen Erholungseffekt mehr bietet.

Die Corona-Situation mit neuen Arbeitsbedingungen, Isolation im Homeoffice, weniger sozialen Kontakten, Unsicherheit in Bezug auf die Zukunft sowie Sorge um die eigene und die körperliche Unversehrtheit von Bezugspersonen verstärkt die Belastung zunehmend. Die Erschöpfung schleicht sich langsam ein und häufig geht das Gefühl dafür, was noch gesund ist, verloren. Körperliche und psychische Auswirkungen werden, solange es möglich ist, übergangen und die Verbindung mit beruflichen Belastungen verleugnet. Und die Gefahr, einen Burnout zu erleiden, steigt.

Hintergründe zu Symptomatik und Diagnostik

Der Begriff „Burnout“ wurde 1974 von Freudenberger2 geprägt und ist durch folgende Symptomatik gekennzeichnet: Emotionale Erschöpfung, Zynismus/ Distanzierung und Depersonalisation und verringerte Arbeitsleistung. Zwar ist der Burnout bisher immer noch nicht als eigenständige Erkrankung anerkannt, wird aber als Zusatzdiagnose im Bereich „Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen“ in der International Classification of Disease, auf deren Basis Ärzte ihre Diagnose stellen, geführt (WHO 2019).

Die zwölf Phasen des Krankheitsverlaufs – Risiken besser verstehen

Freudenberger & North haben 1992 zwölf Phasen im Verlauf des Burnout Syndroms identifiziert, die als Zyklus in einem Kreisdiagramm dargestellt werden, in dem „am Ende des Kreises“ der Burnout steht. Nicht alle Betroffenen durchlaufen jede Phase und manchmal überlappen Phasen, dennoch liefert die Einstufung auch wertvolle Hinweise, welche Art von Hilfe hinzugezogen werden sollte:

1. Der Zwang, sich selbst und anderen Personen etwas beweisen zu wollen
2. Verstärkter Einsatz und Ablehnung von Delegation
3. Reduzierte Aufmerksamkeit für und Vernachlässigung von eigenen Bedürfnissen und sozialen Kontakten
4. Verdrängung von Konflikten und Bedürfnissen

Hier kann es noch eine Weile dauern, bis eine chronische Erschöpfung eintritt, dementsprechend können bereits offene Gespräche mit vertrauten Personen sowie der gezielte Aufbau von Stresskompetenzen das Schlimmste verhindern.

5. Umdeutung von Werten
6. Verstärkte Verleugnung der aufgetretenen Probleme
7. Rückzug und Meidung sozialer Kontakte
8. Beobachtbare Verhaltensänderungen

Innerhalb dieser Phasen ist Beratung oder Coaching dringend zu empfehlen, da bereits eine maßgebliche Beeinträchtigung des sozialen Lebens stattfindet und meist körperliche und psychische Symptome vorhanden sind.

9. Depersonalisierung/ Verlust des Gefühls für die eigene Persönlichkeit
10. Innere Leere
11. Depression
12. Völlige Burnout-Erschöpfung

Bereits ab Phase 9 sollte aufgrund der erhöhten Gefährdung der körperlichen und psychischen Gesundheit unbedingt eine psychotherapeutische und gegebenenfalls auch eine ärztliche Behandlung in Anspruch genommen werden.

Frühe Anzeichen erkennen und ein Bewusstsein dafür schaffen

Gerade in juristischen Kreisen gelten stressbedingte Symptome und psychische Krankheiten noch immer als Zeichen mangelnder Belastbarkeit und Schwäche. Solche Probleme werden gern als nicht existent betrachtet, Betroffene verstecken sich so lange, bis sie unweigerlich am Ende des Kreises angekommen sind. Umso wichtiger ist es, für sich selbst zu sorgen und auftretenden Beeinträchtigungen frühzeitig und wenn notwendig mit professioneller Hilfe zu begegnen. Detailliertes Wissen um die Entstehung chronischer Erschöpfung kann auch hilfreich sein, frühe Anzeichen bei anderen rechtzeitig zu erkennen und als Familienmitglied, Bezugsperson, Teammitglied oder Führungskraft entsprechend zu unterstützen.

 

Über die Autorin:

Diane Manz
Dipl.-Psychologin und systemischer Business Coach