Jüngste Studien alarmieren: Über 80 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland leiden unter psychischen Belastungen im Job. Termindruck, schlechtes Klima und emotionaler Stress begünstigen Burnout. Wachsame Chefs sprechen Gefährdete rechtzeitig an und verhindern oft Schlimmeres. Das erfordert Mut und Klarheit.
Signale ernst nehmen
Burn-Out-Gefährdete verhalten sich oft überraschend anders. Sie gehen erkennbar früher als üblich. Oder sie machen abends sehr spät das Licht aus – und erzählen nichts mehr von der Familie oder aus der Freizeit. Ganz gleich, ob überbordender Ehrgeiz durchschlägt oder Gleichgültigkeit wachrüttelt: Gute Führungskräfte halten inne. Sie sind alarmiert, wenn Kollegen in Meetings nicht aufmerksam sind. Und sie schauen hin, wenn Anwälte Fristen verstreichen lassen. Sie wissen: Gestresste sind leicht reizbar und gehen Teamevents, wie dem Geburtstagsumtrunk, aus dem Weg. Wer überfordert ist, ist übrigens genauso anfällig wie derjenige, der weit unter seinen Möglichkeiten arbeitet.
Kooperation statt Konfrontation
Wer führt, handelt verantwortungsvoll, wenn er Gefährdete anspricht und für mögliche Folgen sensibilisiert. Starke Vorgesetzte wenden sich Betroffenen so unvoreingenommen wie konstruktiv zu und geben aufrichtig Feedback. Wirksam ist es, konkret zu beschreiben, was auffällt: „In den letzten Wochen sind Sie der Letzte, der abends die Kanzlei verlässt. Und wir vermissen Sie beim Mittagstisch. Was steckt dahinter?“ Gut ist es, verständnisvoll und ganz Ohr zu sein. Sensible Zuhörer wiederholen das Gehörte in denselben Worten. Und sie filtern das heraus, was zwischen den Zeilen mitschwingt. Sie erkennen die Gefühle und Bedürfnisse, die psychisch Angeschlagene direkt oder indirekt offenbaren, und benennen einfühlsam mögliche Ängste. Ein Echo, das Angeschlagene nicht an die Wand stellt, sondern respektiert, lautet: „Ich verstehe, Sie geben alles, weil Ihnen Karriere und Leistung wichtig sind.“ Wohlwollende Gemüter fragen, was der andere braucht, und bieten Unterstützung an. Etwa so: „Ich nehme wahr, dass Sie kraftlos sind, weil Freizeit und Erholung zu kurz kommen. Sie sagen: Wegen des Pflegefalls in der Familie haben Sie keine Zeit für sich. Was können wir für Sie tun?“ Oft reagieren die Adressaten dankbar und kooperationsbereit.
Konsequenz statt Samthandschuh
Wenn dem nicht so ist, gilt es, die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und den Gesundheitsschutz der Angestellten deutlich auszusprechen und Folgen aufzuzeigen. Bewegen sich beide Seiten aufeinander zu, verbinden eine versöhnliche Stimmung und der Blick nach vorne. Blockieren Mitarbeiter weiter, folgt Klartext: Der Chef erklärt unmissverständlich, dass und wie er seine Interessen konsequent durchsetzen wird. Schonen ist fehl am Platz.
Denn wer tief fällt, bagatellisiert gerne, flüchtet in Extreme und reitet sich noch mehr ins Desaster. Nur klare Worte können hilflose Sturheit in Einsicht verwandeln. Falsche Rücksichtnahme ist hier fehl am Platz. Genauso ist es unangebracht, persönlich enttäuscht zu sein. Gute Führungskräfte lassen nicht locker. Sie sind klar und berechenbar.
Erkenntnisse und Konsequenzen
Brennen Mitarbeiter aus oder droht Burnout, fragen Führungskräfte: Wie kommuniziere ich? Wie detailliert informiere ich das Team? Wie federn wir Fehlzeiten ab? Wie können wir den Kollegen unterstützen? Wie verhindern wir weitere Opfer? Wie erhalten wir uns gesund? Wie erleben andere die Situation? Wer beobachtet etwas? Wie und bei wem adressieren wir Verdachtsfälle? Was ändern wir infolgedessen organisatorisch? Bieten wir Coaching an, um persönliche Sichtweisen und Verhalten auszubalancieren?
Insgesamt gilt: Selbstbewusste Köpfe holen sich Rat bei Experten, um voreiligen Schlüssen vorzubeugen, sich kommunikativ fit zu machen und um sich selbst zu reflektieren. Das bewahrt sie davor, selbst aus dem Tritt zu geraten, wenn andere oder sie selbst auszubrennen drohen. Elementar ist: Führungskräfte sind Vorbilder und sie leben vor, wie sie mental für sich sorgen und ihre körperlichen Kräfte erhalten.
Stufen der Kommunikation
Also: Chefs beweisen Fingerspitzengefühl, wenn sie klein anfangen und informell einsteigen. In der Kaffeepause oder in der Tiefgarage gehen sie entspannt auf den offensichtlichen Stress des Mitarbeiters ein. Verharrt der Kollege unbeeindruckt oder redet sich raus, formuliert der Vorgesetzte bei nächster Gelegenheit deutlicher, was er erwartet. Ändert sich immer noch nichts, ist es angemessen, formeller vorzugehen. Es folgt ein Treffen mit offizieller Einladung und Notiz in der Personalakte. Sinnvoll ist es, festzulegen, was der Mitarbeiter in Zukunft unternimmt oder welche Maßnahmen der Arbeitgeber unterstützt. Später folgt ein neuer Termin, um die guten Absichten zu festigen, die Fortschritte zu würdigen oder die Lage neu zu bewerten. Stellt sich keine Besserung ein, zieht die Führungskraft weitere Verantwortliche hinzu. Insgesamt gilt: Eine mitarbeiterorientierte Kanzleikultur entfaltet Stärken, wenn die Kanzleilenker Burnout-Fälle nicht totschweigen und im Team Schritte entwickeln: für ein Bewusstsein, dass Kräfte endlich sind und es unverzichtbar ist, Gesundheit zu erhalten und Risiken nachhaltig vorzubeugen.