Die Steuerberatungsbranche rund um Berufsträger:innen und Mitarbeiter:innen ist abhängig von einer fortwährenden Fort- und Weiterbildung. Doch kaum ein anderer Bereich hat in den letzten Jahren so einen Wandel vollzogen wie das Seminarwesen. Darüber haben wir mit Anne-Wiebke Bergmeister gesprochen.
Frau Bergmeister, beginnen wir mit einer allgemeinen Frage: Was ist heute offensichtlich anders in der Fortbildungsbranche im Steuerrecht als noch vor wenigen Jahren?
Frau Bergmeister: Offensichtlich hat im Fortbildungsbereich eine Zäsur innerhalb der letzten drei Jahre stattgefunden. Während vor der Corona-Pandemie fast ausschließlich Präsenz-Seminare veranstaltet wurden, befinden wir uns derzeit in einer Situation, in der der Großteil der Seminare als Online-Seminare durchgeführt wird. Weitere Aspekte sind die Schnelllebigkeit und Aktualität im Seminarwesen. Die Teilnehmer:innen sind viel besser informiert, wodurch auch die Erwartungshaltung an Anbieter und Referent:innen in Punkto Aktualität gestiegen ist. Daher werden innerhalb kürzester Zeit nach einer Entwicklung (Gesetz, Urteil, Verwaltungsanweisung) Seminare angeboten (z.B. bei Coronahilfen, PV-Anlagen, JStG etc.).
Wie können Sie sich die Entwicklung erklären?
Frau Bergmeister: Diese Veränderungen basieren vor allem auf vier Faktoren: die Corona-Pandemie mit ihren Einschränkungen, die Änderungsflut im Steuerrecht, die auch dadurch durchgehend hohe Arbeitsbelastung und selbstverständlich die fortschreitende technische Entwicklung. Gerade vor der Corona-Pandemie wurden Seminare zumeist als Präsenz-Veranstaltungen durch geführt und der Besuch eines Seminars zum Teil Monate im Voraus geplant. Weiterbildungsanbieter, Referent:innen und auch die Teilnehmer:innen der steuerberatenden Berufe hielten den Vortrag und den Austausch untereinander vor Ort oftmals für alternativlos und wichtig für eine gelungene Veranstaltung. Noch zu Beginn des Jahres 2020 haben wir eine Umfrage unter unseren Teilnehmer:innen durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt gaben 74 % der Befragten an, dass sie sich nicht vorstellen können, regelmäßig an Online-Seminaren teilzunehmen. Heute sieht die Situation bekanntlich ganz anders aus. Zu beachten ist vor allem auch der Aspekt, dass sich Online-Seminare besonders für kürzere Seminareinheiten eignen. Für ein einstündiges Seminar würden viele nicht zu einer Präsenz-Veranstaltung kommen.
Sie waren im April 2023 bei einer Fachmesse für Steuerberater:innen. Wie war der Austausch, welches Resümee können Sie im Nachgang daraus ziehen?
Frau Bergmeister: Der Besuch der Messe war ein sehr spannender und auch lehrreicher Tag, da wir uns als Team mit mehr als 100 Messebesucher:innen und anderen Aussteller:innen austau schen konnten. Auch hier gab es die Kontroverse zwischen Präsenz- und Online-Fortbildung. Zum einen wurden ganz klar die Vorteile der Online-Seminare hervorgehoben, zum anderen kam in den Gesprächen aber immer wieder heraus, dass die Konzentration und das tiefe Verständnis für die Seminarthematik in den meisten Fällen durch die Präsenz-Teilnahme eher gegeben sind. Im Büro oder zu Hause kann man ein Seminar nebenbei ansehen und man lässt sich so eventuell schneller ablenken – etwas, was bei einem Präsenz-Seminar per se weniger vorkommt. Es gibt also für beide Seminararten Befürworter:innen und Gegensprecher:innen.
Wie wird die Fortbildung aus Ihrer Erfahrung innerhalb der Kanzlei organisiert? Sehen Sie hier weitere große Veränderungen und wie reagieren Seminarveranstalter darauf?
Frau Bergmeister: Wir konnten feststellen, dass die Seminarbuchungen grundsätzlich viel später als vor der Pandemie erfolgen, vor allem bei Online-Seminaren. Hier erreichen uns Anmeldungen zum Teil sehr kurzfristig vor dem Online-Seminar-Termin. In der Tendenz werden Präsenz-Seminare zeitlich eher gebucht. Die Erklärung liegt im oft stressigen Kanzleialltag. Der Besuch ganztägiger Präsenz-Seminare bedarf ein bisschen mehr Planung und Organisation. Die Teilnahme an Online-Seminaren muss nicht lange vorbereitet werden und kann in den meisten Fällen kurzfristig erfolgen.
Wir haben aus dem bisherigen Gespräch herausgehört, dass neben dem großen Zuspruch für Online-Seminare trotzdem noch ein grundsätzliches Interesse an Präsenz-Seminaren besteht. Welche Möglichkeiten gibt es, die Teilnahme an den Präsenz-Seminaren zu steigern?
Frau Bergmeister: Der große Unterschied zwischen den beiden verschiedenen Seminararten ist die Interaktion. Die direkte Nähe zum Vortragenden und der Austausch mit den anderen Teilnehmenden ist hier ein großer Vorteil der Präsenz-Seminare. Als Organisator hat man zusätzlich die Möglichkeit, die äußeren Umstände rund um das Seminar zu beeinflussen, u.a. durch den Service und die Seminarraum-Ausstattung.
Vielen Dank für die interessanten Einblicke, die Sie uns gewährt haben.
Man kann also zusammenfassend feststellen, dass sich der Fort- und Weiterbildungsmarkt einhergehend mit der Veränderung von Präsenz- zu Online-Seminaren drastisch gewandelt hat und aufgrund der immer häufigeren Änderungen im Steuerrecht sehr schnelllebig geworden ist.
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Über die Interviewpartnerin:
Anne-Wiebke Bergmeister, M.A.,
ist Geschäftsführerin und Gesellschafterin der info-Steuerseminar GmbH.
Dieser Beitrag ist erstmals in der DStR 36/23 erschienen.