Online-Fortbildung: effizient oder nur Alibi- Veranstaltung?

von Michael Puke

Zahlreiche Seminaranbieter hatten bereits vor Corona- Zeiten Onlineseminare zur beruflichen Fortbildung im Programm. Dennoch: Die letzten zwei Jahre haben die Fortbildungslandschaft maßgeblich verändert. Die Durchführung von Präsenzschulungen war vielfach nur unter strengen Auflagen oder zeitweise überhaupt nicht möglich. Die Suche nach neuen Formen der beruflichen Fortbildung führte an Onlineseminaren nicht vorbei. Doch wie effizient sind Online-Fortbildungen? Die wenig überraschende Antwort auf diese Frage lautet: Es kommt darauf an. Doch worauf kommt es konkret an?

Unabhängig von Online oder Präsenz: Auf die Inhalte kommt es an

Warum besuchen Sie ein Fortbildungsseminar? Die Antworten auf diese einfache Frage werden vielfältig sein. Zunächst einmal heißt es in § 57 Abs. 2a StBerG: Steuerberater und Steuerbevollmächtigte sind verpflichtet, sich fortzubilden. Gemäß § 86 Abs. 2 Nr. 7 StBerG obliegt es der Bundessteuerberaterkammer, „die berufliche Fortbildung in den steuerberatenden Berufen zu fördern“. Hierzu kann sie den Berufsangehörigen unverbindliche Fortbildungsempfehlungen erteilen. Doch: In der Praxis wird die Einhaltung der Pflicht zur Fortbildung quasi nicht überwacht. Ohne regelmäßige Fortbildung geht es im Steuerrecht allerdings nicht, dies wissen alle, die sich Tag für Tag– von Berufs wegen– mit steuerlichen Fragen beschäftigen. Gründe für den Besuch von Seminaren sind daher

  • sich stetig ändernde Rechtsvorschriften und die wachsende Komplexität des Steuerrechts,
  • der Wunsch der Mandanten nach einer ganzheitlichen Beratung und damit die erforderliche Erweiterung fachlicher Kompetenzen und nicht zuletzt
  • die Haftung der Steuerberater/innen. Denn: Erleiden Mandanten infolge eines Tuns oder Unterlassens seiner Steuerberaterin/seines Steuerberaters einen Schaden, so ist diese/r einstandspflichtig. Neben einer konsequenten Qualitätssicherung in der Steuerberaterpraxis ist sowohl die eigene Fortbildung als auch die der Mitarbeiter/innen unabdingbar, um Fehler und damit auch Haftungsprozesse zu vermeiden.

Unabhängig von der Art der Fortbildung (in Präsenz oder online), die Beweggründe für den Besuch beruflicher Fortbildungen und damit auch die Ziele sind in erster Linie die gleichen. Auf die Inhalte kommt es an. Dabei sind die fachliche Kompetenz und Praxiserfahrung der Vortragenden sowie die Fähigkeit der verständlichen Vermittlung entscheidend. Und mittlerweile sind sowohl Seminaranbieter als auch Vortragende in der Lage, Veranstaltungen auch im Onlineformat professionell durchzuführen.

Welche Vorteile haben Online- bzw. Präsenzseminare für die Teilnehmenden?

Da es in inhaltlicher Hinsicht keinen großen Unterschied machen sollte, ob eine Fortbildung im Onlineformat oder in Präsenz stattfindet, stellt sich die Frage, welche Vorteile die Online- und welche die Präsenz-Fortbildung mit sich bringt. Die Vorteile der Onlineseminare liegen zunächst einmal in den Rahmenbedingungen.

  • Zeitaufwand für An- und Abreise (und ggf. Parkplatzsuche) entfällt.
  • Reisekosten fallen nicht an.
  • Dies ermöglicht es auch, flexibel zu reagieren und sehr kurzfristig ein Seminar zu buchen.
  • Da nicht selten mehrere Personen in der Kanzlei ein Onlineseminar besuchen, ergeben sich Einspareffekte beiden Seminargebühren.

Für den Besuch von Präsenzveranstaltungen sprechen jedoch mehr Aspekte des gemeinsamen Austausches der Anwesenden.

  • Während Fragen im Onlineformat häufig nur eingeschränkt (per Chat oder gefiltert durch eine/n Moderator/ in) gestellt werden können, erlaubt die Präsenzveranstaltung die direkte, persönliche Adressierung während der Veranstaltung oder am Rande des Seminars im Einzelgespräch mit den Vortragenden.
  • Hier können mitunter auch Einzelfragen aus der beruflichen Praxis angesprochen werden. Ein konkreter Tipp im Einzelfall ist häufig deutlich mehr wert, als die Seminargebühr.
  • Nicht zu unterschätzen ist der Austausch der Teilnehmenden während der Präsenzveranstaltung. Ist dieser in Onlineterminen so gut wie gar nicht möglich, hilft er in Präsenz berufliche Netzwerke auszubauen und zu pflegen. Gespräche unter Berufskolleginnen und -kollegen geben häufig Impulse für die eigene Berufspraxis und sind mit Geld nicht zu bezahlen.
  • Und seien wir doch einmal ehrlich: Sind Sie bei Besuch eines Onlineseminars nicht auch deutlich leichter abzulenken als im Präsenztermin? Viele sitzen an ihrem Arbeitsplatz, das Telefon klingelt, Mails gehen ein, Kollegen/ Kolleginnen kommen ins Büro und das ein oder andere muss schnell noch– nebenher– erledigt werden. Präsenzveranstaltungen werden zumeist deutlich aufmerksamer verfolgt als die Onlinetermine, die– ähnlich einem Radio– manchmal einfach im Hintergrund mitlaufen.

Online oder Präsenz– zielgerichtete Angebote für die berufliche Praxis

Eines ist sicher: Onlineseminare wird es auch geben, wenn Corona in der öffentlichen Diskussion nicht mehr so präsent ist. Mehr noch: Die Onlineangebote werden dauerhaft deutlich zunehmen, während die Teilnehmerzahlen in Präsenzveranstaltungen – nicht zuletzt unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten und aufgrund steigender Reisekosten – spürbar zurückgehen werden. Die berufliche Fortbildung wird von dieser Entwicklung aus Sicht der Teilnehmenden profitieren. Wer ein Seminar in erster Linie besucht, um inhaltlich auf dem Laufen zu bleiben oder sein Fachwissen erweitern möchten, wird sich häufiger für Online-Veranstaltungen entscheiden. Das eigene Ziel der beruflichen Fortbildung wird auf diese Weise mit möglichst geringem zeitlichem und auch finanziellem Aufwand verfolgt und ist daher zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht effizient. Wer allerdings mehr möchte als die reine Vermittlung von Wissen, wird auf Dauer mit Onlineseminaren nicht glücklich werden. Eine konzentrierte Auseinandersetzung mit fachlichen Inhalten, Hinweise zu Praxisfragen und einen Austausch mit Fachkolleginnen und Fachkollegen bieten nur Präsenzveranstaltungen. Daher werden diese auch in Zukunft ihre Berechtigung haben, denn die Effizienz einer Online-Fortbildung in wirtschaftlicher Hinsicht lässt sich mit dem interaktiven Mehrwert einer Präsenzveranstaltung nicht aufwiegen.

Über den Autor:

Michael Puke 
ist Steuerberater und Geschäftsführer des Studienwerks der Steuerberater.

Dieser Artikel erschien erstmals im Aus- und Weiterbildungs-Special der DStR 36.