Ein Exot unter den LL.M.: Doppelmasterstudium an der Universität Konstanz/Humboldt-Universität zu Berlin und an der Tongji Universität Shanghai

von Julia Kulmegies

»Wie kamen Sie dazu, einen LL.M. in China zu machen?« – das war stets eine der ersten Fragen, die mir bei Bewerbungsgesprächen für meine Anwaltsstation im Referendariat gestellt wurde. Mein Gegenüber war durchweg interessiert und begeistert von einem derartig exotischen LL.M. Zwischen den traditionellen Orten sticht Shanghai einfach heraus.

Erweiterung des persönlichen Horizonts

Während die lange Liste der beruflichen Vorteile eines LL.M. bereits recht bekannt ist, wie beispielweise den Lebenslauf aufzubessern, die Berufschancen zu erhöhen, Englischkenntnisse zu verbessern etc., ist den meisten nicht bewusst, dass der LL.M. darüber hinaus auch eine persönliche Bereicherung ist. Deshalb möchte ich Euch das Doppelmasterprogramm »Comparative Studies in German, European and Chinese Law« der Universität Konstanz/Humboldt-Universität zu Berlin und der Tongji Universität Shanghai vor allem unter diesem Gesichtspunkt näherbringen.

Das Doppelmasterprogramm dauert maximal zwei Jahre und umfasst ein Auslandsjahr in Shanghai. Beteiligt sind auf chinesischer Seite die renommierte Law School der Tongji Universität Shanghai mit dem dortigen Chinesisch- Deutschen Hochschulkolleg und auf deutscher Seite der Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Konstanz sowie die Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Studiengebühren fallen keine an und das Programm wird vom DAAD mit Stipendien gefördert.

Außergewöhnliche Erfahrungen

Allein einmal in einer Millionenmetropole wie Shanghai gelebt zu haben, ist für sich genommen bereits ein Grund, sich für den Doppelmasterstudiengang zu bewerben. In Shanghai angekommen bemerkt man schnell, dass diese Stadt etwas Besonderes ist. Sie ist facettenreich und versetzt einen tagtäglich in Staunen.

Man bekommt die Möglichkeit, eine neue Kultur kennenzulernen und sich auf einem völlig ungewohnten Terrain zu bewegen. Da sind Abenteuer vorprogrammiert. Es vergehen kaum Tage, an denen man nicht etwas Außergewöhnliches beobachtet oder selbst erlebt. Bereits ein gewöhnlicher Tagesablauf in Shanghai ist ein einziges Erlebnis. Beim Betreten der Metro kommt man schon kaum aus dem Staunen heraus. Die Menschenmassen, die sich zur Rush Hour an den Stationen ansammeln, sind unbeschreiblich. Hat man dann doch irgendwie einen Sitzplatz in der Metro ergattert, entpuppt sich der Sitznachbar als ein ausgefallener TikToker, der mitten unter den Menschen gerade ein Video dreht. Und kaum ist dieser ausgestiegen, steigt ein anderer ein und fertigt während der Fahrt ein Portrait von den Fahrgästen an.

Dadurch, dass man täglich so vielen neuen Eindrücken ausgesetzt ist, bekommt man schnell das Gefühl, in nur einem Jahr viele Leben gelebt zu haben. Somit lernt man sehr schnell, mit – für uns in Deutschland als ungewöhnlich zu bezeichnenden – (Alltags-) Situationen umzugehen und sich anderen Gebräuchen zu öffnen.

Reisen, Praktika, Sprachkenntnisse

In Shanghai selbst sind die Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung grenzenlos, denn auch außeruniversitäre Aktivitäten kommen im LL.M. nicht zu kurz. Die chinesischen Feiertage ermöglichen es, auch während des Semesters zu reisen und sowohl China als auch andere asiatische Länder zu entdecken.

Allein eine Fahrt mit dem Nachtzug ist bereits ein Highlight. So kann man schnell ländliche Gegenden erkunden oder chinesische Millionenmetropolen entdecken, deren Namen die Meisten in Deutschland noch nie gehört haben.

Wem das alles nicht genug ist, kann auch bei den, in Shanghai zahlreich angesiedelten, künftigen potenziellen Arbeitgebern ein Praktikum machen. Obwohl Sprachkenntnisse in Mandarin natürlich vorteilhaft sind, sind sie keine Voraussetzung für eine erfolgreiche Bewerbung, denn die Lehr- und Prüfungssprachen des Doppelmasterstudienganges sind Englisch und Deutsch.

Dabei beinhaltet die in Deutschland durchgeführte Summer School einen Chinesisch-Intensivkurs. In Shanghai ist ein semesterbegleitender Sprachkurs vorgesehen. Gerade dann, wenn man keinerlei Sprachkenntnisse besitzt, heißt es lernen! Die Freude vor Ort ist dann umso größer, wenn man als einziger »Lâowài« 老外 (umgangssprachlich für: »Ausländer«) auf dem Lebensmittelmarkt mithilfe des Gelernten einkaufen kann.

Double degree

Um noch die typische Frage »Was bringt mir chinesisches Recht?« zu beantworten: Ich persönlich kann sagen, dass ich das Programm mit seiner spezifischen Ausrichtung auf das chinesische Recht gerade im Hinblick auf das Rechtsreferendariat jedem empfehlen kann. Da sich der Studiengang dem Rechtsvergleich widmet, verfestigt man durch das LL.M.-Studium das immer wieder von Professorinnen und Professoren betonte »juristische Handwerkszeug« und lernt dieses abseits von jeglichem Pauken eigenständig anzuwenden.

Der Doppelmasterstudiengang bietet Euch die einmalige Gelegenheit, juristische Weiterbildung und wissenschaftliches Arbeiten mit einer ganzen Menge Spaß und vor allem auch Abenteuern zu verbinden. Er ermöglicht es, Erfahrungen fürs Leben zu sammeln, die es vielleicht nicht in den Lebenslauf schaffen, aber dafür den persönlichen Horizont erweitern.

Und am Schluss habt Ihr ein »double degree« in der Tasche und könnt euch mit dem Titel LL.M. sowohl von der Uni Konstanz/Humboldt-Universität zu Berlin als auch von der Universität in Shanghai schmücken. Wer das Abenteuer sucht und dies mit einem Mastertitel verbinden möchte, ist hier also genau richtig. Bewerbt euch. Ihr werdet es sicher nicht bereuen!

Alles Nähere zum Studienverlauf, Anrechnungsmöglichkeiten, Bewerbungsvoraussetzungen findet Ihr hier: https://www.jura.uni-konstanz.de/ stadler/kooperationen-mit-china/ doppelmaster-tongji-universitaet/ ueberblick/

 

Über die Autorin:

Julia Kulmegies
LL.M. Shanghai/Konstanz
Rechtsreferendarin
am LG Konstanz.

 

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