Das Jurastudium: Lust oder Frust?

Ein junger Mann sitzt an einem langen Tisch und liest ein Buch
von Sabine Beck

Viele Mythen und Vorurteile ranken sich um das Studium der Rechtswissenschaft: Langweilig, trocken und theoretisch sei es, endlose Paragraphenreihen müsse man neben der großen Stofffülle auswendig lernen, Dauerstress im Studium sei vorprogrammiert! Klischee oder bittere Realität? Das Jurastudium ist – anders als meist vermutet – ein sehr lebensnahes Studium. Viele Alltagsfragen haben einen rechtlichen Hintergrund: »Eltern haften für ihre Kinder« – ist das so? Darf man Fundsachen behalten? Dürfen Männer auf Frauenparkplätzen parken? Ist das Herunterladen von You-Tube-Videos erlaubt oder verboten? Ein Paket wird beschädigt, verloren, falsch zugestellt – wer haftet? Dürfen Lehrer und Lehrerinnen Handys einbehalten und wenn ja, wie lange? Ist Schwarzfahren ein »Kavaliersdelikt« oder gar strafbar?

Sprachaffinität als wichtige Voraussetzung

Mit der rechtlichen Klärung solcher und ähnlicher Fragen befassen sich Jurastudierende. Daneben erlernen sie, eine rechtliche Lösung für komplexe Fälle zu entwickeln, die einen Interessenskonflikt zwischen zwei streitenden Parteien beschreiben. Aufgabe der Studierenden ist hier, die juristischen Probleme des Falls zu erkennen und diese nach rechtlichen Regeln und Prinzipien zu beurteilen. Sie wenden hierfür Rechtsvorschriften an und legen sie für den konkreten Fall aus. Diese sog. rechtliche Würdigung geschieht mit Hilfe der Verfassung und der Gesetze, der aktuellen Rechtsprechung und der juristischen Argumentations- und Auslegungsmethoden. Die Herangehensweise an die rechtliche Würdigung lässt bereits erahnen, dass Sprache in all ihren Facetten im Vordergrund des Studiums steht. Sprache ist das Handwerkszeug aller Juristinnen und Juristen  – sowohl schriftlich als auch mündlich.

Anwendung auf konkrete Fälle statt Auswendiglernen

Im Studium wird die Jurisprudenz also anhand des sog. materiellen Rechts (juristischen »Stoffs«) verknüpft mit einem konkreten Fallbeispiel (Konfliktbeispiel geschildert in einem »Sachverhalt«) erlernt. Man betrachtet (im Verlauf des Studiums komplexer werdende) Einzelfälle und ordnet diese rechtlich ein. In der Regel ist die reine Wissensabfrage nicht Gegenstand juristischer Prüfungen, sondern der Blick richtet sich auf die Eignung zur Transferleistung; d.h. im Vordergrund steht die Fähigkeit, Gelerntes auf den konkreten Fall anzuwenden. Schon früh im Studium müssen Studierende als Abschlussklausur einen Fall in einem Gutachten rechtlich würdigen, also eine Falllösung herleiten.

Wer eine juristische Klausur erfolgreich bearbeiten will, muss den Sachverhalt genau beleuchten, Problembewusstsein entwickeln, Gesetzestexte analysieren und vor allem gut argumentieren. Die Fähigkeit, Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden zu können sowie systematisches und trennscharfes Denken und eine präzise Arbeitsweise sind essentiell für das Jurastudium. Es geht aber nicht darum, »richtige« Lösungen auswendig parat zu haben. Richtig ist sicherlich, dass die Materien und Themengebiete, mit denen sich Studierende der Rechtswissenschaft beschäftigen, komplex und vor allem umfangreich sind.

Natürlich muss im Jurastudium neuer Stoffinhalt erlernt und auch zum Teil auswendig gelernt werden. Der Studienerfolg ist jedoch maßgeblich von der Transferleistung des erlernten Wissens auf den zu lösenden Einzelfall und der präzisen Gesetzesanwendung geprägt. Jura ist also mehr »Handwerk« und weniger auswendig lernen als die meisten glauben. Im Studium lernt man, mit (Gesetzes-)Texten umzugehen, Informationen zu filtern und auf eine ganz bestimmte Art und Weise aufzubereiten. Man entwickelt dadurch die Fähigkeit, Konflikte zwischen (meist) Menschen zu verstehen und einer rechtlichen Lösung zuzuführen.

Ausdauer und anhaltendes Interesse erforderlich

Das Jurastudium erstreckt sich über fünf Jahre. Es lässt sich aus sportlicher Sicht mit einem Marathon vergleichen: Ein erfolgreiches Jurastudium benötigt daher neben all dem bereits Genannten auch Durchhaltevermögen und langfristige Leidenschaft für rechtswissenschaftliche Themen. Begeisterung und Detailverliebtheit bei der Auslegung von Begriffen, Texten und Wörtern ist elementar. Fazit: Wer also Sprache liebt und komplexe Texte nicht scheut, Dinge gerne hinterfragt und auf den Grund geht, sich für politische und gesellschaftliche Fragestellungen interessiert und eine kontinuierliche Lernbereitschaft mitbringt, wird sicherlich Freude am Jurastudium haben.

Aufbau und Struktur des Studiums

Im Mittelpunkt des Jurastudiums mit einer Regelstudienzeit von 10 Semestern steht die Ausbildung in den drei dogmatischen Kernfächern Zivilrecht, Öffentliches Recht und Strafrecht. Daneben werden Veranstaltungen zu den philosophischen, geschichtlichen und gesellschaftlichen Grundlagen des Rechts sowie in der juristischen Methodenlehre angeboten. Das Jurastudium wird mit der »Ersten Prüfung« abgeschlossen. Die Erste Prüfung besteht aus zwei Teilen: der studienbegleitenden universitären Schwerpunktbereichsprüfung an der Hochschule und der Staatlichen Pflichtfachprüfung vor den Justizprüfungsämtern.

Die Note der Ersten Prüfung setzt sich aus der Note der universitären Schwerpunktbereichsprüfung zu 30% und der Note der staatlichen Pflichtfachprüfung zu 70% zusammen. Der Ersten Prüfung schließt sich der zweijährige Vorbereitungsdienst, das sog. Rechtsreferendariat an, das mit der »Zweiten Prüfung« endet. Die Erste und Zweite Prüfung erstrecken sich mit ihren schriftlichen und mündlichen Prüfungsteilen auf jeweils sechs Monate. Die  Ausbildungszeit von Studienbeginn bis zur Volljuristin oder zum Volljuristen beträgt damit rund 8 Jahre.

 

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Über die Autorin:

Sabine Beck - Studiengangsmanagerin und Leiterin der Fachstudienberatung Rechtswissenschaft 
Sie studierte in Mainz Rechtswissenschaft und absolvierte ihr Referendariat u.a. am LG Koblenz und im Bundeswirtschaftsministerium. Sie arbeitete zunächst im Deutschen Studentenwerk e.V., danach an der Fachhochschule Remagen und nunmehr seit 13 Jahren an der Universität Bonn. Als Expertin des Studiengangs Rechtswissenschaft berät und informiert sie Studierende zur Strukturierung und inhaltlichen Ausrichtung ihres Studiums.