„Berufsbegleitende Spezialisierung wird immer wichtiger“

Interview mit Prof. Dr. Jürgen Taeger

Herr Prof. Dr. Jürgen Taeger, Leiter des Studiengangs Informationsrecht (LL.M.) an der Universität Oldenburg gibt uns im Interview einen Einblick in die hochaktuellen Themen des Internetrechts und zeigt auf, warum sich eine Spezialisierung im Bereich lohnt.

BECK Stellenmarkt: Herr Taeger, das Informationsrecht ist einer Ihrer Schwerpunkte in Forschung und Lehre. Bei der Digitalisierung aller gesellschaftlichen Bereiche muss das doch ein sehr lebendiges Rechtsgebiet sein.

Prof. Dr. Jürgen Taeger: Den Eindruck kann ich bestätigen. Das Informationsrecht ist ja auch ein Querschnittsgebiet und berührt viele spezielle Rechtsgebiete sowohl des Öffentlichen Rechts wie auch des Zivilrechts, auf denen der europäische und der deutsche Gesetzgeber in diesem Jahr besonders aktiv waren. Hinzu kommen zahlreiche Urteile, auch vom EuGH.

BECK Stellenmarkt: Können Sie einige besonders bedeutsame Themen herausgreifen?

Prof. Dr. Jürgen Taeger: Das ist schwierig, weil natürlich alle neuen Gesetze Auswirkungen haben und die höchstrichterliche Rechtsprechung in der Regel auch für ein Mehr an Rechtssicherheit sorgt. Das gilt allerdings nicht für ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum internationalen Datentransfer, bekannt als Schrems II. Der EuGH hat das Abkommen der EU mit den USA zum Privacy Shield für ungültig erklärt. Die Übermittlung personenbezogener Daten in unsichere Drittstaaten wie die USA ist nun nur noch mit besonderen zusätzlichen Maßnahmen möglich, um beim Empfänger für ein vergleichbares Niveau des Schutzes der Persönlichkeitsrechte wie in der EU zu sorgen.

Auch wenn der Europäische Datenschutzausschuss mit Empfehlungen zu den ‚Supplementary Measures‘ Unternehmen und öffentlichen Stellen Unterstützung anbietet, bleibt eine Rechtsunsicherheit, ob die Übermittlung zulässig ist. Auch die zahlreichen instanzgerichtlichen Urteile zu Bußgeldern und zu Schadensersatzansprüchen bei Datenschutzverletzungen lassen noch keine einheitliche Gesetzesauslegung erkennen und verursachen bis zur Klärung durch den EuGH erhebliche Rechtsunsicherheit.

BECK Stellenmarkt: Hat der deutsche Gesetzgeber für mehr Klarheit beim Informationsrecht gesorgt?

Prof. Dr. Jürgen Taeger: In Deutschland wurde mit dem Telekommunikation- und Telemedien- Datenschutzgesetz, kurz TTDSG, verspätet die EU-ePrivacy-Richtlinie umgesetzt. Es regelt nicht nur die Zulässigkeitsanforderungen an Cookies, sondern auch die Verarbeitung von Daten Minderjähriger nach einer Altersverifikation und die Auskunftspflicht von Telemedienanbietern.

Es wird aber höchste Zeit, dass der EU-Gesetzgeber eine hoffentlich verbraucherfreundliche und rechtsharmonisierende ePrivacy-Verordnung beschließt. Im Zuge des Gesetzgebungsprozesses zum TTDSG wurde übrigens auch das Telekommunikationsgesetz neu gefasst.

Trotz aller Segnungen des Internets geben Hass, Hetze und Falschinformationen in den Sozialen Netzwerken Anlass zur Sorge. In der Tat sind enthemmte und menschenverachtende Äußerungen, die bis zu Mordaufrufen gehen, nicht hinzunehmen. Das geht über die rechtlich zulässige Meinungsäußerung hinaus.

Der Gesetzgeber hat deshalb im Juni 2021 das Netzwerkdurchsetzungsgesetz verschärft, um rechtsverletzende „Hate Speech“ in sozialen Netzwerken effizienter bekämpfen zu können.

BECK Stellenmarkt: Immer mehr Waren und Dienstleistungen werden online angeboten. In den Fokus rückt die Plattformökonomie mit vermeintlich kostenlosen Angeboten, die wir aber mit unseren Daten bezahlen. Besteht hier Regulierungsbedarf?

Prof. Dr. Jürgen Taeger: Unbedingt. Anfang 2022 treten umfangreiche Neuregelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch in Kraft, mit denen der Bundestag EU-Richtlinien umsetzt. Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen wird die Warenkaufrichtlinie in nationales Recht transformiert. Die Änderungen im BGB behandeln auch die Bereitstellung personenbezogener Daten durch Verbraucher.

Auch die Folgen einer Mangelhaftigkeit digitaler Produkte und besondere Informationspflichten für Betreiber von Online-Marktplätzen werden nun näher geregelt. Weitere BGB-Änderungen treten Mitte 2022 aufgrund des Gesetzes für faire Verbraucherverträge in Kraft, mit dem besondere Kündigungsrechte für Verbraucher bei einem Vertragsabschluss über die Internetpräsenz eines Anbieters eingeführt werden.

BECK Stellenmarkt: Muss man sich als Juristin oder Jurist spezialisieren, um wenigstens auf einem Gebiet die wesentlichen Rechtsentwicklungen noch nachvollziehen und beherrschen zu können?

Prof. Dr. Jürgen Taeger: Allrounder gibt es heutzutage wohl nicht mehr. Deshalb wird nach dem rechtswissenschaftlichen Studium, in dem neben den sehr breit angelegten Grundkenntnissen mit dem Schwerpunktstudium nur partiell eine Vertiefung vermittelt wird, die berufsbegleitende Spezialisierung beispielsweise in einem LL.M.- Studium immer wichtiger.

Zum Informationsrecht haben wir in Oldenburg schon vor über zehn Jahren den Studiengang „ Informationsrecht“ gegründet. Hier werden die spezifischen informationsrechtlichen Kenntnisse berufsbegleitend erworben. Die Nachfrage von Unternehmensjuristen und Anwälten, aber auch von Betriebswirten und Informatikern ist außerordentlich groß. Stets von Praktikern und Hochschullehrern aktuell gehaltene Module etwa zum Datenschutzrecht, Internet- und Fernabsatzrecht, zum Telekommunikationsrecht und Immaterialgüterrecht sorgen für die notwendige Spezialisierung auf dem Gebiet des Informationsrechts.

 

Über den Interviewpartner:

Prof. Dr. Prof. h.c. Jürgen Taeger
Leiter des berufsbegleitenden Studiengangs
Informationsrecht an der Universität Oldenburg
Rechtsanwalt bei DLA Piper

 

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