Vom Beruf der Richterin oder des Richters haben viele im Studium noch eher vage Vorstellungen. So ging es auch mir. Erst in der Praxisausbildung im Rechtsreferendariat bei einem Amtsgericht gewann ich einen tieferen Einblick, was es bedeutet, Richter zu sein. Das hat mir gefallen. Nach einem kurzen Ausflug in die Anwaltschaft habe ich den Beruf daher ergriffen und diese Entscheidung niemals bereut. Wer kann schon von sich sagen, dass er immer gerne arbeitet? Ich kann das! Damit bin ich keineswegs allein: Auch die allermeisten meiner Kolleginnen und Kollegen teilen meine Leidenschaft für den Richterberuf.
Doch was macht den Richterberuf so attraktiv? Welche Fähigkeiten muss ich jenseits guter Rechtskenntnisse dafür mitbringen?
Sinnhafte Arbeit in Unabhängigkeit und Selbständigkeit
Für die meisten Richterinnen und Richter – auch für mich – war die Sinnhaftigkeit der richterlichen Tätigkeit sowie die Unabhängigkeit der Beweggrund für die Berufswahl. Anders als ein Rechtsanwalt muss man keine Mandanten umwerben. Viel wichtiger noch: Anders als der Rechtsanwalt als Interessenvertreter muss man keine Ansichten vertreten, die man nicht teilt. Sich nicht verstellen zu müssen und das sagen zu können, was man denkt, ist mir wichtig. Auch behördenintern unterliegen Richterinnen und Richter in ihrer inhaltlichen Arbeit keinen Weisungen und organisieren ihre richterliche Arbeit selbständig.
Angenehmer Nebeneffekt: Auch die Arbeitszeiten können weitgehend frei gestaltet werden. Eine Zeiterfassung findet nicht statt. Natürlich muss ein gewisses Arbeitspensum erledigt werden. Dieses ist durchaus hoch. Trotz Selbstverantwortlichkeit wird man dabei nicht allein gelassen: In Gerichten herrscht ein hohes Maß an Kollegialität. Insbesondere Berufsanfänger finden immer Ansprechpartner und Unterstützung, um den Berufsstart erfolgreich zu meistern.
Ein abwechslungsreicher Berufsweg ist möglich
Auch unabhängig von Beförderungen bietet die Justiz vielfältige Veränderungs- und Entwicklungsmöglichkeiten: Neben der Übernahme neuer richterlicher Zuständigkeiten besteht die Möglichkeit einer Mitarbeit in der Justizverwaltung, bei mir beispielsweise als Pressesprecher, später Personaldezernent und nunmehr als Vizepräsident.
Zudem können sich Richterinnen und Richter an andere Gerichte und Behörden abordnen lassen. Diese Abordnungsmöglichkeiten bestehen national, etwa zum Bundesgerichtshof, zum Bundesverfassungsgericht oder in die Justizministerien in Bund oder Land. Abordnungen sind aber auch europaweit möglich, etwa zum Europäischen Gerichtshof oder zur EU-Kommission. Wer will, kann seinen Berufsweg dadurch zusätzlich interessant gestalten.
Zudem bietet die Justiz umfangreiche Fortbildungsprogramme. Neben Fachfortbildungen gibt es auch gesellschaftspolitisch angelegte Angebote, die den eigenen Horizont erweitern. Hinzu kommt die Möglichkeit, sich in der Referendarausbildung und dem Prüfungswesen zu engagieren oder auch – als Expertin oder Experte in seinem Bereich – selbst als Referent in der Aus- oder Fortbildung tätig zu werden.
Lebensqualität und überdurchschnittliches Gehalt
Zudem: Der Richterberuf hat gute Rahmenbedingungen. Der Staat zahlt zwar anders als einige Großkanzleien seinen Richterinnen und Richtern kein Spitzen-, aber ein überdurchschnittliches Gehalt. Mit der Ernennung auf Lebenszeit kann man regulär nicht mehr entlassen werden. Man hat Anspruch auf lebenslange Versorgung nach den beamtenrechtlichen Grundsätzen. Es besteht eine hervorragende Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Arbeiten in Teilzeit und Elternzeit sind ohne größere Probleme möglich. Feste Arbeitszeiten gibt es nicht. Insbesondere jüngere Richterinnen und Richter mit Kindern nutzen die Möglichkeiten, ihre Arbeit flexibel an ihre jeweilige Lebenssituation anzupassen.
Entscheidungsfreude und Menschenkenntnis
Man sollte auch etwas mitbringen: Wer nicht mit Menschen »kann«, hat es schwer. Denn der Kontakt zu Menschen ist ein wesentlicher, für mich sehr reizvoller Aspekt des Richterberufs. Nur in wenigen Nischen arbeitet man allein an der Akte. Zudem darf man nicht unterschätzen, dass es nicht nur angenehm herausfordernd, sondern auch belastend sein kann, Entscheidungen zu treffen, die für andere Menschen weitreichende Folgen haben. Hier hat der Rechtsanwalt es einfacher: Er kann sich auf seine Rolle als Interessenvertreter zurückziehen. Der Richter ist hingegen in der Verantwortung.
Neben Verantwortungsbewusstsein setzt diese Rolle Entscheidungsfreude, Menschenkenntnis und eine gewisse Lebensklugheit voraus. Wer diese Voraussetzungen mitbringt, eine abwechslungsreiche, vielseitige und erfüllende juristische Tätigkeit sucht und Verantwortung und Eigenorganisation nicht scheut, dem kann ich aus tiefer Überzeugung sagen: Werden Sie Richterin oder Richter! Auch Sie werden es nicht bereuen!
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Über den Autor:
Dr. Thomas Stollenwerk - Vizepräsident des Landgerichts Köln
Er studierte in Köln, wo er im Arbeitsrecht promovierte. Das Referendariat absolvierte er beim Landgericht Köln. Heute ist er dort Vizepräsident und Vorsitzender einer Wirtschaftsstrafkammer.