Der erfolgreiche Einstieg in die Strafrechtsstation

von Jan-Rasmus Schultz

Unter den angehenden Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendaren wird die Strafrechtsstation mitunter äußert kontrovers diskutiert: So wird einerseits angeführt, die Strafrechtsstation offeriere im Rahmen des staatsanwaltlichen Sitzungsdienstes die beste Möglichkeit, in der juristischen Praxis selbstständig und eigenverantwortlich Aufgaben zu übernehmen. Andererseits wird gerade diese Eigenverantwortlichkeit gefürchtet, denn nach einer, abhängig von der Ausbildung in dem jeweiligen Bundesland, mehr oder weniger ergiebigen Vorbereitung auf den Sitzungsdienst müssen die Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare die Rolle des Staatsanwalts vor Gericht übernehmen – und zwar ohne Begleitung.

Was für einige der Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare mitunter ein wenig beängstigend wirkt, kann durch eine gezielte Vorbereitung regelmäßig ohne größere Probleme überwunden werden; schließlich gibt es selbst für unvorhergesehene Wendungen in dem jeweiligen Strafprozess sowie für die bis dato völlig unbekannte Verfügungstechnik einige Handlungsanweisungen, bei deren Beachtung sich fast immer ein zufriedenstellendes Ergebnis erzielen lässt.

Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Anforderungen an die Stationsarbeit der Rechtsreferendare davon abhängen, ob diese einem Staatsanwalt oder einem Strafrichter zugeteilt werden.

Die Zuteilung zur Staatsanwaltschaft

Regelmäßig werden die Rechtsreferendare im Rahmen der Strafrechtsstation einem Staatsanwalt zugeteilt – schließlich werden von ihnen im zweiten Staatsexamen die Anfertigung einer Anklageschrift nebst Gutachten und Abschlussverfügung erwartet und gerade nicht die Anfertigung eines Strafurteils.

Aus diesem Grunde ist die Zuteilung zu einem Strafrichter nicht in jedem Bundesland vorgesehen und wird, beispielsweise gemäß § 32 Absatz 2 Nummer 1 der Juristenausbildungsverordnung Schleswig-Holstein, lediglich bei Erschöpfung der Ausbildungskapazitäten bei der Staatsanwaltschaft vorgenommen.

Die von den Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendaren zu übernehmende Rolle des Staatsanwalts untergliedert sich in der Regel in zwei auch für die Klausuren im zweiten Examen relevante Unterpunkte:

Einerseits ist im Rahmen der Anfertigung der Anklageschrift ein Gutachten anzufertigen, in das sowohl prozessuale als auch materiell-rechtliche Gesichtspunkte aufzunehmen sind.

Andererseits ist die die Anklageschrift begleitende Verfügung anzufertigen, die sogenannte Abschluss- oder Begleitverfügung, die vornehmlich Handlungsanweisungen an die jeweiligen Geschäftsstellen in Bezug auf den Fortgang der entsprechenden Akte beinhaltet.

Den Schwerpunkt der Stationsarbeit bei der Staatsanwaltschaft stellt jedoch die Anfertigung einer Anklageschrift dar. Ausgangspunkt für die Rechtsreferendare ist hierbei § 170 StPO, demzufolge die Staatsanwaltschaft als Herrin des Verfahrens die Erhebung der öffentlichen Klage zu veranlassen hat. Maßgeblich ist hierfür das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts, also die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte auch verurteilt werden wird.

Demzufolge besteht die Aufgabe der Rechtsreferendare darin, anhand des ermittelten tatsächlichen Geschehens sowie der vorhandenen Beweismittel zu prüfen, ob eine hinreichende Verurteilungswahrscheinlichkeit besteht. Bejahendenfalls ist die öffentliche Klage gemäß § 170 Absatz 1 StPO durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht zu erheben.

Kommen die Rechtsreferendare hingegen zu dem Ergebnis, dass die sich eine überwiegende Verurteilungswahrscheinlichkeit anhand der gegebenen Beweismittel nicht begründen lässt, so haben sie entweder weitere Ermittlungen durch die Polizeibeamten zu veranlassen oder, sofern diese keinen Erfolg versprechen, das Verfahren gemäß § 170 Absatz 2 StPO einzustellen.

Die Zuteilung zur Strafgerichtsbarkeit

Im Gegensatz zu den der Staatsanwaltschaft zugeteilten Rechtsreferendaren haben die der Strafgerichtsbarkeit zugeordneten Rechtsreferendare nicht die Aufgabe, eine Anklageschrift nebst Begleitverfügung anzufertigen, sondern werden regelmäßig mit der Ausarbeitung eines Strafurteils betraut.

Hierbei stehen neben dem tatsächlichen Geschehensablauf und den vorhandenen Beweismitteln auch die persönlichen Lebensumstände des Angeklagten im Vordergrund, da diese im Rahmen des von den Rechtsreferendaren in dem Urteilsentwurf zu bestimmenden Strafmaßes maßgeblich sind.

Ein weiterer Unterschied zwischen der Stationsarbeit bei der Staatsanwaltschaft und der bei der Strafgerichtsbarkeit besteht darin, dass die der Strafgerichtsbarkeit zugeteilten Rechtsreferendare keine praktische Tätigkeit in Form der Leitung des Strafverfahrens übernehmen dürfen.

Vorbereitung auf die Klausuren

Trotz der vorstehend genannten Unterschiede im Rahmen der jeweiligen von den Rechtsreferendaren zu erfüllenden Anforderungen bei der  Staatsanwaltschaft oder der Strafgerichtsbarkeit findet die Vorbereitung innerhalb der Arbeitsgemeinschaften einheitlich statt.

Sowohl die inhaltlichen Themen als auch die angebotenen Übungsklausuren sind auf die Aufgabenstellung im zweiten Staatsexamen zugeschnitten – und somit auf die Anfertigung einer Anklageschrift nebst Gutachten und Begleitverfügung ausgelegt.

Über den Autor:

Jan-Rasmus Schultz
absolvierte die Strafrechtsstation
im Landgerichtsbezirk Lübeck

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