Die Corona-Krise trifft auch den Steuermarkt und hat unter anderem unmittelbare Auswirkungen auf die Personal- und Einstellungspolitik von Unternehmen, Kanzleien und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (WPG) gezeitigt. Dieser Beitrag soll einen groben Überblick darüber geben, wie der Markt reagiert hat (Stand Ende Juli 2020) und welche Schlussfolgerungen aus Kandidatensicht zu ziehen sind.
Vor dem Ausbruch der Pandemie gab es einen ganz deutlichen Bewerbermarkt. Es ist noch nicht lange her – genau genommen kein halbes Jahr – da hatten Kanzleien, Unternehmen und die überwiegende Anzahl der WPG das Problem, ihre zahlreichen Vakanzen im Steuerbereich überhaupt zu besetzen.
Die – groteske – Konsequenz war, dass eine große Anzahl der Kandidaten von den unterschiedlichsten Personalvermittlern zu einer Vielzahl von Vakanzen kontaktiert wurden, ob sie inhaltlich passten oder nicht. Zum Großteil wurden die Kandidaten von mehreren Beratern auch auf die gleiche Vakanz angesprochen. Die Folge war ein absolutes Chaos, was sowohl auf Beratungs- als auch auf Kandidatenseite zu großen Irritationen und beiderseits zur großen Unzufriedenheit führte.
Etwa ein halbes Jahr später zeigt sich ein gänzlich anderes Bild: Durch die Pandemie stehen die Bänder in den Unternehmen still, die großen M&A-Deals sind auf „on hold“ gesetzt, der aufgebaute Kostenapparat treibt die Unternehmenslenker in schlaflose Nächte und ein Großteil der Mitarbeiter ist ob ihrer beruflichen Zukunft zunehmend verunsichert. Umstrukturierungen und Kürzungen von Gehaltskomponenten unterstreichen dies.
Die dadurch entstandene allgemeine Unsicherheit hatte auch Auswirkungen auf die Dynamik im Steuermarkt: Der bisherige Bewerbermarkt ist – zumindest temporär – teils außer Kraft gesetzt. Geplante Neueinstellungen wurden mancherorts verschoben oder gar gestrichen. In der Folge gibt es aufgrund der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation wenig Wechselbewegung im Markt. Dies führt zwangsläufig zu Ernüchterungen.
Die Ernüchterungen werden aber noch weitergehen. Denn die Pandemie wird als Anlass von großen Umstrukturierungen vorgeschoben werden, um die Digitalisierung jetzt voranzutreiben. Die Digitalisierung ist Segen und Fluch zugleich und dennoch kommt auch der vermeintlich eher traditionelle Steuerbereich an ihr nicht vorbei.
Der Steuermarkt wird sich sowohl auf Arbeitgeber- als auf Kandidatenseite im Allgemeinen anpassen müssen. Dabei wiederum kommt es im Speziellen zu einer Verschiebung und Veränderung des Tätigkeitsbereichs für Steuerberater. Das „Hochreck“ wird es auch weiterhin geben, aber das ganze Deklarationsgeschäft wird früher oder später digitalisiert werden.
Die Folge daraus wird sein, dass sich sämtliche Steuerberater nun vermehrt mit der digitalen Abbildung ihrer Tätigkeit beschäftigen müssen und in Zukunft IT-affine Steuerberater immer intensiver gesucht werden.
Die Zeit, in der die Wirtschaft so langsam wieder hochfährt, sollte sowohl von Unternehmens- als auch von Kandidatenseite als echte Chance gesehen werden, um eine Standortbestimmung durchzuführen, die aktuelle Situation zu analysieren und ggf. Veränderungen in Ruhe und gezielt zu vollziehen.
Doch auch wenn die eine oder andere Gesellschaft mit ihrer Kostenquote aktuell zu kämpfen hat, so erleben wir, dass eine ganze Reihe Unternehmen, WPG und Kanzleien der Pandemie trotzen und weiterhin oder gerade jetzt ihre Vakanzen zielgerichtet besetzen. Spannende Ansätze für Steuerrechtler gibt es nach wie vor – jedoch werden diese etwas seltener. Der Marktüberblick, persönliche Kontakte und das Insiderwissen eines seriösen Personalberaters können nun wechselaffinen Kandidaten hilfreich sein.
Zum Schluss ist vielleicht so viel festzuhalten: Corona wird den ursprünglichen Bewerbermarkt nicht auf Dauer außer Kraft setzen. Gute Steuerrechtler sind rar gesät und werden auch in Zukunft händeringend gesucht werden. Spätestens wenn Nachholeffekte greifen, wird sich der Kampf um die richtigen Talente nach Corona aus Arbeitgebersicht noch weiter zuspitzen.
Daher erscheint eine mittel- bis langfristige Personalgewinnungsstrategie mehr denn je sinnvoll. Insbesondere Steuerberater, die ausschließlich im Deklarationsbereich / Tax Compliance-Bereich tätig sind, sollten ihr Profil schärfen und sich mit dem Thema Digitalisierung auseinandersetzen, um für die Zukunft und den zukünftigen Arbeitsmarkt gewappnet zu sein.
Über den Autor:
Georg F. Reinke
Partner und Berater,
vornehmlich im Steuerbereich,
bei clients&candidates
https://clientsandcandidates.com/headhunter-tax/
Quelle BECK Stellenmarkt 18/2020