In der Praxis der Rechts- und Unternehmensberatung kommt dem Steuerrecht eine besondere Bedeutung zu. Entscheidend für Beratung von Wirtschaftsunternehmen und Einzelpersonen auf höchstem Niveau ist nicht nur das steuerliche Fachwissen, sondern auch die Frage, wie man es für seine Mandanten ökonomisch und zielgerichtet sowie unter Berücksichtigung sich schnell ändernder Rahmenbedingungen möglichst rechtssicher einsetzen kann.
Ein Fachanwaltslehrgang Steuerrecht sollte sich daher durch interdisziplinäre und systematische Gesamtsicht auszeichnen und nicht nur auf die einseitige Vermittlung von Detailwissen oder bestimmte Beratungsschwerpunkte ausgerichtet sein.
Er vermittelt den Teilnehmern sowohl die steuerrechtlichen als auch die betriebswirtschaftlichen Grundlagen und Entscheidungsalternativen vor dem Hintergrund steuersystematischer, verfassungsrechtlicher und ökonomischer Zusammenhänge.
Curriculum der Rechtsgebiete
Dementsprechend wird das Curriculum der im Fachanwaltslehrgang Steuerrecht zu vermittelnden Inhalte definiert durch die in § 9 (i. V. m. §§ 2 Abs. 3, 4, 4a und 6) der Fachanwaltsordnung (FAO) genannten Rechtsgebiete.
Diese sind:
• Buchführung und Bilanzwesen einschließlich des Rechts der Buchführung und des Jahresabschlusses (§ 9 Nr. 1 FAO),
• Allgemeines Abgabenrecht einschließlich des Bewertungs- und Verfahrensrechts (§ 9 Nr. 2 FAO),
• das besondere Steuer- und Abgabenrecht in den Gebieten
a. Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer,
b. Umsatzsteuer- und Grunderwerbssteuerrecht
c. Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht (§ 9 Nr. 3 FAO),
• Steuerstrafrecht und Grundzüge des Verbrauchssteuer-, internationalen Steuerrechts- einschl. Zoll (§ 9 Nr. 4 FAO).
Weiter ist zum Erwerb des Fachanwaltstitels der Nachweis besonderer praktischer Erfahrungen erforderlich. Hier postuliert § 5 S. 1 lit. b FAO für das Steuerrecht den Nachweis von 50 durch den Bewerber bearbeiteter Fälle.
Unter diesen Fällen müssen mindestens zehn rechtsförmliche Verfahren, also Einspruchs- oder Klageverfahren, sein. Weiter müssen alle in § 9 genannten Bereiche und die drei in § 9 Nr. 3 FAO enthaltenen Buchstaben (lit. a-c) mit je fünf Fällen abgedeckt sein.
Fachanwälte unterliegen einer besonderen Fortbildungspflicht: Ab dem Jahr des Beginns des Fachanwaltskurses muss sich der Rechtsanwalt jährlich auf dem Gebiet der Fachanwaltsbezeichnung fortbilden, indem er mindestens 15 Zeitstunden hörend oder dozierend nachweist oder den Nachweis durch Veröffentlichungen in entsprechenden Fachzeitschriften erbringt.
Fünf der 15 Zeitstunden können im Selbststudium absolviert werden, sofern eine Lernerfolgskontrolle erfolgt. Die auf den Besuch des Fachanwaltskurses entfallenden Stunden werden auf die Fortbildungsverpflichtung in diesem Jahr angerechnet.
Wettbewerbsvorteil durch Spezialisierung
Spezialisierung stellt für die Rechtanwälte einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil dar, mit dem sich der Fachanwalt vom übrigen Markt absetzen kann: Fachanwälte verdienen ca. 30 % mehr als nicht spezialisierte Kollegen! Mit dem Fachanwaltstitel, insbesondere für Steuerrecht, eröffnen sich damit nicht nur interessante Tätigkeitsfelder in der Beratung von Wirtschaftsunternehmen, sondern auch lukrative Verdienstmöglichkeiten.
Die Fachanwaltschaft für Steuerrecht wurde im Jahr 1937 eingeführt und ist damit die älteste überhaupt. Sie ist zahlenmäßig die drittgrößte Fachanwaltschaft (nach Arbeitsrecht und Familienrecht). Seit ca. fünf Jahren stagnieren die Zulassungszahlen, zum 1. Januar 2019 waren 4910 Fachanwälte für Steuerrecht in Deutschland zugelassen.
Meist sind es Rechtsanwälte aus Großkanzleien, Boutiquen oder Beratungsgesellschaften, welche die Zulassung zum Fachanwalt für Steuerrecht anstreben. In der steuerlichen Beratungspraxis arbeiten diese Fachanwälte oft mit Steuerberatern zusammen, unterscheiden sich von diesen aber aufgrund ihrer juristischen Ausbildung gerade bei den steuerstraf- und verfahrensrechtlichen Fragen (vgl. die diesbezügliche Gewichtung der praktischen Fälle).
Die Fachanwaltsausbildung im Steuerrecht gilt gemeinhin als „schwierig“. Das mag aber vor allem daran liegen, dass in der juristischen Ausbildung nicht nur das Steuerrecht an sich, sondern auch Buchführung und Bilanzwesen entweder gar nicht oder nur am Rande vorkommen. Deswegen liegt auf den betriebswirtschaftlichen Themen mit 40 Zeitstunden ein besonderer Schwerpunkt der Fachanwaltsausbildung. Die Gewichtung der weiteren Themengebiete ist von Anbieter zu Anbieter unterschiedlich.
Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge ist sicherlich für diejenigen von Vorteil, die sich für die Fachanwaltsausbildung im Steuerrecht entscheiden. Ebenso hilfreich sind frühere Berührungen mit diesem Rechtsgebiet während des Studiums, im Referendariat oder in der anwaltlichen Tätigkeit.
Mit dem richtigen didaktischen Konzept, erfahrenen Referenten und guter Klausurvorbereitung auf Anbieterseite sowie ausreichender Planung und der richtigen Lernstrategie seitens des Teilnehmers kann der Fachanwaltskurs jedoch auch ohne einschlägige Vorkenntnisse von jedem Rechtsanwalt mit guten Ergebnissen absolviert werden.
Der Fachanwaltstitel ist für viele Teilnehmer nicht der Abschluss ihrer Fortbildungsbemühungen. Sie streben weiterführende Spezialisierungen an, so z. B. im internationalen Steuerrecht, im Umsatzsteuer- oder im Steuerstrafrecht.
Schließlich gibt es z. B. Verbands- oder Unternehmensjuristen, welche die Fachanwaltszulassung nicht anstreben (etwa, weil sie in ihrer Praxis nicht auf die ausreichende Zahl von Fällen kommen).
Hier bietet ein Fachanwaltslehrgang die Möglichkeit der systematischen steuerrechtlichen Ausbildung; einzelne Ausbilder stellen sogar qualifizierte (Gesamt- oder Teil-)Zertifikate aus.
Das Angebot an Fachanwaltslehrgängen ist vielfältig und erstreckt sich vom mehrmonatigen Kurs mit Präsenzpflicht in mehreren Modulen bis hin zum reinen Fernlehrgang. Aufgrund der komplexen rechtlichen Fragen ist aber für viele Teilnehmer der persönliche Kontakt zum Dozenten unabdingbar.
In den letzten Jahren wurden in der Konzeption auch dieses Fachanwaltslehrgangs zwei wesentliche Entwicklungen berücksichtigt: Zum einen erfordern hoher Leistungsdruck in den Kanzleien einerseits oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf andererseits Flexibilität und freie Zeiteinteilung in den Lernphasen. Zum anderen ändern sich aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung die Lerngewohnheiten gerade der jüngeren Generation. Die Verknüpfung von Präsenzunterricht und digitalen Lösungen (Blended Learning) geht auf diese Bedürfnisse ein.
*Aus Gründen der besseren Lesbarkeit beschränkt sich der nachfolgende Text jeweils auf den männlichen Genus; selbstverständlich sind Rechts- und Fachanwältinnen aber ebenso angesprochen.
Über die Autoren:
Carsten Seßinghaus
Vorsitzender Richter am Finanzgericht Köln und
fachlicher Leiter des Fachanwaltslehrgangs Steuerrecht
Dr. Sigrid Mulas
Geschäftsführerin der Fachseminare von
Fürstenberg GmbH & Co. KG in Köln
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