Kanzleigründung in der Krise

Robert Safran, Bouchon & Partner, im Gespräch mit Achim Schäfer-Belot, Hays Legal

Herr Safran, Sie haben sich im Dezember 2008 mit vier weiteren Kollegen selbständig gemacht. Wie kommt man eigentlich dazu, sich zu Beginn der Wirtschafts- und Finanzkrise selbständig zu machen, und dazu auch noch in den Schwerpunktbereichen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht?

Safran: Die grundsätzliche Entscheidung zur Selbständigkeit habe ich persönlich bereits zum Anfang meiner Berufstätigkeit gefasst. Dass die Wirtschaftskrise dann mit unserer Gründungsentscheidung fast zusammengefallen ist, hat uns zu Beginn natürlich etwas Sorge bereitet, kam uns aber auch nicht ganz ungelegen.

Wieso das?

Safran: Unser Kanzleikonzept haben wir unabhängig von Krisenszenarien entwickelt. Es hat sich gezeigt, dass es auch und gerade in der Krise funktioniert.

Wie sieht Ihr Kanzleikonzept aus?

Safran: Trotz unserer Größe decken wir sowohl fachlich als auch branchenmäßig ein weites Spektrum ab. Unsere Partnerschaft setzt sich aus Berufsträgern zusammen, die zuvor in Großkanzleien, als Juristen in Unternehmen oder aber in so genannten Boutiquen tätig waren. Zwei unserer Partner waren zudem vom Anbeginn ihrer anwaltlichen Tätigkeit selbständig und haben nahezu ausschließlich im Gesellschafts- und Immobilienrecht beraten.
Wir verfügen zudem über sehr schlanke Strukturen. Diesen Vorteil können wir an unsere Mandanten weitergeben. Gerade in der Krise sind die meisten Unternehmen darauf bedacht, Kosten einzusparen und daher oftmals bereit, auch mit kleineren Sozietäten zusammenzuarbeiten. Insbesondere bei mittelständischen Unternehmen können wir einen solchen Trend feststellen.
Wir verstehen uns ferner als Partnerschaft im klassischen Sinne. Daher gibt es bei uns auch nur Partner oder angestellte Rechtsanwälte. Zwischenstufen, wie etwa Salary- oder Non-Equity-Partner schaf - ten, sind bei uns nicht vorgesehen. Dieses Konzept finden insbesondere junge Kollegen aus größeren Sozietäten interessant. Bester Beleg hierfür ist, dass wir im Oktober 2009 eine Partnerin für den Bereich Arbeitsrecht gewinnen konnten, die zuvor fast 10 Jahre in einer amerikanischen Großkanzlei tätig war.

Wie haben Ihre Mandanten den Schritt zur Neugründung aufgenommen?

Safran: Die Resonanz war durchweg überaus positiv. Viele unserer Mandanten haben diesen Schritt ausdrücklich begrüßt. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass viele von ihnen selbst Unternehmer sind und die Herausforderungen und Risiken, aber auch die Chancen einer Selbständigkeit kennen und schätzen.

Welche Vorteile bietet eine kleinere Einheit im Gegensatz zu einer Großkanzlei?

Safran: Einerseits unterscheidet sich die Mandatsarbeit nicht wesentlich von der in größeren Einheiten. Andererseits sind wir als kleine Einheit sehr flexibel. Die bereits erwähnte schlanke Struktur wirkt sich natürlich auch auf unsere Entscheidungsprozesse aus, die sehr schnell sind. Zudem kann man die Strategie der Kanzlei selbst prägen und gestalten.

Vor der Gründung waren Sie als angestellter Rechtsanwalt tätig. Was sind im Vergleich zu damals die größten Unterschiede?

Safran: Einer der wesentlichen Unterschiede ist die Akquise. Als angestellter Rechtsanwalt bekommt man die einzelnen Aufgaben von seinem Partner übertragen. Jetzt ist man für sein Dezernat selbst verantwortlich. Dies schließt Akquise, Organisation und Mandatsarbeit mit ein.

Zum Thema Organisation und Kanzleimanagement: Hat sich im Vergleich zu Ihrer Tätigkeit als angestellter Anwalt in einer größeren Struktur hier viel verändert?

Safran: Als angestellter Anwalt ist man von der Organisation und dem Kanzleimanagement im weitesten Sinne ausgenommen, zumal diese Themen in größeren Einheiten ohnehin auf Kanzleibereiche übertragen werden, die sich hiermit schwerpunktmäßig befassen. So verfügen etwa viele Großkanzleien über eigene HR-, IT-Abteilungen sowie über eine eigene Buchhaltung und gegebenenfalls sogar über eine Business-Development-Abteilung.
Auch in kleineren Einheiten, wie etwa in unserer Partnerschaft, spielen solche Themen eine wichtige Rolle. Naturgemäß haben wir keine eigenen Abteilungen, die sich ausschließlich dieser Bereiche annehmen. Diese Aufgaben sind vielmehr auf einzelne Partner verteilt, wie bei mir etwa die Bereiche IT- und TK-Struktur.

Hatten Sie zu diesen Themen bereits einen Zugang oder mussten Sie sich hier komplett neu einarbeiten?

Safran: Mit der Planung einer technischen Infrastruktur in dieser Größe hatte ich bisher keine Erfahrung und musste mich daher erst einmal einarbeiten. Ich fand es aber sehr spannend, eine Anwaltskanzlei mit über 15 Arbeitsplätzen technisch auszustatten. Dies schließt nicht nur die Anschaffung der IT als solcher ein, sondern umfasst auch die Auswahl der richtigen Kanzleisoftware, juristischen Online-Datenbanken und Dokumentenbearbeitungssysteme sowie die Datensicherheit. Mit der technischen Umsetzung wurde natürlich ein externes IT-Beratungsunternehmen beauftragt.
Die Verantwortung für die Bereiche Buchhaltung, Human Resources und PR sind auf einzelne andere Partner verteilt. In regelmäßigen Partnerbesprechungen bringt man sich hier auf den aktuellen Stand, um gegebenenfalls Entscheidungen zu treffen. Wie Sie sehen, müssen unsere Partner neben dem juristischen „Tagesgeschäft“ auch die Verantwortung für administrative und kaufmännische Bereiche übernehmen. Auch das macht den besonderen Reiz einer Selbstständigkeit aus.

Eine Frage zum Thema Bewerbermarkt: Ist eine Kanzlei Ihrer Größe und Ihrer Ausrichtung für Berufsanfänger eine Alternative zur Großkanzlei?

Safran: In jedem Fall. Aufgrund unserer Fokussierung auf das Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht bieten wir Berufsanfängern die Möglichkeit, sich bereits zu Beginn ihrer Berufstätigkeit auf diese Gebiete zu spezialisieren, wobei das Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht eine große Bandbreite beinhaltet. Zudem besteht stets die Möglichkeit, sich auch mit anderen Rechtsgebieten zu befassen. Ein weiterer wesentlicher Vorteil besteht darin, dass Berufsanfänger bereits in einem sehr frühen Stadium vollständig in das Mandat eingebunden werden, da die Partneranbindung sehr eng ist.

Herr Dr. Safran, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führte Achim Schäfer-Belot, Hays Legal.

Quelle NJW 29/2010