Den Gesetzen der Mediengesellschaft gerecht werden: Kommunikation im Rechtsstreit – Litigation PR

von Susanne Kleiner, Litigation-PR-Beraterin

Strauss-Kahn, Kachelmann, Ackermann, zu Guttenberg: Juristische Auseinandersetzungen provozieren Schlagzeilen und heizen die öffentliche Debatte an. Wer sich vor Gericht behaupten muss, steht unweigerlich am Medienpranger. Selbst wenn ein Gerichtsprozess siegreich endet, kann die öffentliche Meinung ein verheerendes moralisches Urteil gesprochen haben. Diese Entwicklung birgt Risiken. Sie offenbart aber auch Chancen: Rechtsanwälte, die verstehen wie Medien „ticken“ und in der Lage sind strategisch zu kommunizieren, bieten ihren Mandanten einen echten Mehrwert – und schärfen ihr Profil im Wettbewerb mit anderen Kanzleien.

Im Gerichtssaal der öffentlichen Meinung

Gesetzesverstöße werfen Fragen zu Recht und Unrecht, Moral, Ethik und Verantwortung auf. Die Folge: Der gute Ruf ist in Gefahr. Personen und Organisationen, die über Jahre ihre gute Reputation aufgebaut haben, können binnen weniger Stunden mit existenzbedrohlichen Umständen konfrontiert sein. Rechtsanwälte haben längst erkannt: Die Richter sprechen Urteile nach dem Gesetz – doch auch die Öffentlichkeit richtet. Darunter leiden nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch ihr unmittelbares geschäftliches und persönliches Umfeld, ihre Familien und Freunde. Medien und Bürger diskutieren rege über Untreue, Korruption, Produktrückrufe, Diskriminierungen oder Fälle sexueller Gewalt. Sie polarisieren und verletzen die Unschuldsvermutung – bewusst oder unbewusst. In Kneipen, auf Facebook, im Fernsehen und Hörfunk sowie in etablierten Nachrichtenmagazinen und Gazetten jeglicher Couleur greift die Vorverurteilung Raum.

Tendenz steigend: Die Kommunikation der Anwälte

Rechtsstreitigkeiten strategisch kommunikativ zu begleiten wird deshalb als Erfolgsfaktor für Mandanten und ihre Anwälte immer bedeutender. So hat mit Litigation-PR eine junge US-amerikanische Disziplin der Öffentlichkeitsarbeit auch im deutschsprachigen Raum Fuß gefasst und verspricht Unterstützung. Die rechtsstreitbegleitende Kommunikation verteidigt nicht im Gerichtssaal, dem „Court of Law“. Litigation-PR setzt im Gerichtssaal der öffentlichen Meinung an, dem „Court of Public Opinion“. Der US-Amerikaner James F. Haggerty hat diese Metaphern in dem ersten Buch, das sich der Kommunikation im Rechtsstreit widmet, im Jahr 2003 veranschaulicht. Der englische Begriff „Litigation“ steht für Rechtsstreit oder Gerichtsverfahren. Litigation-PR kommt in den meisten Fällen bei Verteidigungsmandaten zum Tragen. Sie unterstützt aber auch Klägerparteien. Während eine Defensivstrategie eine Kommunikation der leisen Töne bevorzugt und eine Medienberichterstattung gänzlich vermeiden möchte, baut die Klägerposition öffentlichen Druck auf, um die Bereitschaft für außergerichtliche Einigungen zu steigern.

Zeit für einen Perspektivenwechsel

Ein harter Wettbewerb zwingt die Medienbetriebe Kosten zu senken, Auflagen und Quoten zu produzieren. Zeitdruck und Personalmangel sind die Folge. Journalisten ist es schlicht und ergreifend kaum mehr möglich, sorgfältig zu recherchieren. Erschwerend kommt hinzu, dass die wenigsten Pressevertreter der Juristerei mächtig sind. Und der Beruf des Gerichtsberichterstatters ist vom Aussterben bedroht. So erscheint es plausibel, dass sich viele Redakteure nach dem Motto „Sensation schlägt Inhalt“ über Wasser halten. Das bedeutet: Nur Pressevertreter, die solide unterstützt werden, können sachlich-fundiert berichten. Hier setzt Litigation-PR an.

Für eine chancengleiche Berichterstattung

Professionelle Kommunikation im Rechtsstreit leistet Übersetzungsarbeit. Litigation-PR formuliert Schlüsselbotschaften, die das Spekulationen heraufbeschwörende „Kein Kommentar-Statement“ überflüssig machen und Dementis ausschließen, die Schuldzuweisungen provozieren. Entscheidend ist das erste Statement, das die Position des Betroffenen deutlich macht. Die erste, schnelle Stellungnahme sichert die Deutungshoheit der öffentlichen Auseinandersetzung auf Seiten des Mandanten und beugt Gerüchten vor. Litigation-PR reduziert Komplexität und bereitet die juristische Materie klar und nachvollziehbar auf. Der inhaltliche Kern des Streitfalles fließt zum richtigen Zeitpunkt in Hintergrundgespräche, Statements, Pressemitteilungen oder in Websites ein. Nach dem Vorbild eindrucksvoller Fälle in den USA legen immer mehr Betroffene ihre eigene Sicht der Dinge im Internet dar. Sie beabsichtigen die Position der Gegenpartei zu entkräften, Unterstützer in der Netzgemeinde zu gewinnen und sind zum Dialog bereit.

Schulterschluss zwischen Anwalt und PR-Berater

Das alles geschieht in enger Abstimmung mit den Anwälten. Denn Litigation-PR steht immer im Einklang mit der anwaltlichen Argumentation. Litigation-PR bewegt sich in einem sensiblen Feld. Sie pendelt ihre strategischen Weichenstellungen in einem Spannungsfeld zwischen Gericht, Presse, dem Unternehmen und dem privaten Umfeld des Angeklagten aus. Litigation-PR gilt zwar in Europa als eine sehr junge Spezialdisziplin der Public Relations. Dennoch ist ihr Prinzip so alt wie die Tatsache, dass herausragende Fälle seit jeher Gegenstand der Berichterstattung waren und dass Streitparteien Einfluss auf die öffentliche Meinung nehmen wollten. Litigation-PR professionell anzuwenden lässt Raum zum Entwickeln und Gestalten und stärkt die Kompetenz der mandatierten Anwälte. Das gilt für das ganzheitliche Verständnis des Aktionsradius der Person oder Institution, die in einen Rechtsstreit verwickelt ist. Das gilt aber auch für den Einsatz der klassischen Medien und Onlineformate und die probate Platzierung von Bildern, Filmen und Texten. Anwälte, die ihre kommunikative Kompetenz stärken und die Arbeits- und Funktionslogik der Medien verstehen, sind klar im Vorteil. Zum Schutz der Reputation ist in unserer Mediengesellschaft Kommunikation alternativlos. Litigation-PR wird immer wichtiger werden.

Quelle NJW 35/2011