Als Jurist in einer internationalen Organisation

von Ghazzal Novid, arbeitet an der Universität Kiel am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Zivilprozessrecht

Der Traum vieler (angehenden) Juristinnen und Juristen ist die Tätigkeit in einem internationalen Umfeld. Zu den beliebtesten Stellen gehört der Höhere Auswärtige Dienst beim Auswärtigen Amt, Entwicklungshilfe-Tätigkeiten bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Jobs bei der Europäischen Union oder den Vereinten Nationen. Nur die beiden letzteren zählen völkerrechtlich gesehen zu den „Internationalen Organisationen“. Nachfolgend gibt es einen kurzen Überblick zu Möglichkeiten und Karrierepfaden für Juristen bei international agierenden Organisationen.

Was ist eine Internationale Organisation?

Man könnte meinen, dass alle international agierenden Organisationen auch Internationale Organisationen sein müssen. Zentrales Wesensmerkmal ist jedoch der auf Dauer angelegte Zusammenschluss zweier oder mehr Völkerrechtssubjekten oder Staaten.

So ist zum Beispiel die GIZ zwar international tätig, arbeitet aber im Wesentlichen für die deutsche Bundesregierung im Bereich der Entwicklungshilfe und ist keinem anderen Staat verpflichtet. Anders die zwei wohl bekanntesten Internationalen Organisationen, die EU (als „Staatenverbund“) und die UNO (als Internationales Völkerrechtssubjekt) mit ihren zahlreichen Unterorganen. Alteingesessene Internationale Organisationen sind zudem die NATO als westliches Verteidigungsbündnis, die OECD als europäisches Wirtschaftsbündnis, aber auch das CERN als Großforschungseinrichtung.

Dazu kommen unscheinbare Fach-Organisation wie etwa die Internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO, welche 1944 durch das Chicagoer Abkommen gegründet wurde.

Rechtsgebiete und Qualifikationen

Den klassischen juristischen Werdegang stellt man sich nicht im CERN oder in der ICAO vor. Die interessantesten Arbeitgeber für Juristen im internationalen Kontext sind die EU, die UNO und das Auswärtige Amt.

Dabei sind zwingend Kenntnisse im Völkerrecht, europäischem Recht und auch ein gutes Verständnis für die Verschiedenheit der Rechtssysteme auf der Welt erforderlich. Selbstverständlich wird eine gewisse Sprachbegabung gefordert. Neben Englisch als absoluter Pflichtsprache sollte Französisch einen festen Platz im Werkzeugkoffer des Bewerbers haben.

Großes Interesse und sichere Kompetenzen im Bereich internationale Beziehungen, wirtschaftliche Zusammenhänge und historisches Allgemeinwissen sind unverzichtbar.

Hard Skills spielen angesichts der vielen Bewerber auf viel weniger Jobs eine immens wichtige Rolle als Türöffner. Soft Skills entscheiden letztlich oft, wer sich in den anspruchsvollen Auswahlverfahren durchsetzt.

Arbeitsbereiche

Die fachlichen Arbeitsbereiche variieren je nachdem, in welcher internationalen Organisation/Unterorganisation/Abteilung man arbeitet.

Die UNO bietet hier wohl die größte Vielfalt. In ihren Unterorganen geht es um entwicklungspolitische Programme im Bereich Wirtschaft, Umweltschutz und Welternährung. Außerdem kümmert sie sich um schlicht humanitäre Angelegenheiten, beispielsweise mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk oder sicherheitspolitische Aufgaben wie etwa internationale Gerichte.

Aber auch die für die Weltwirtschaft wichtige Welthandelsorganisation WTO oder der Internationale Währungsfonds IWF sind Sonderorganisationen der UNO.

Juristen haben nicht nur die Chance, sich fachlich-juristisch einzubringen. Sie müssen sich auch in nicht streng juristischen Bereichen sicher fühlen und etwa Referententätigkeiten ausüben, für die sie an der Universität und im Referendariat nicht ausgebildet wurden. Gleichzeitig profitieren Absolventen der Juristenausbildung gegenüber anderen Fachabsolventen, weil sie das besondere analytische Geschick und die schnelle Auffassungsgabe mitbringen, die für das Jurastudium unerlässlich sind.

Eintrittsmöglichkeiten und Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Der Einstieg in internationale Organisationen will sehr gut vorbereitet sein. Neben dem rechtzeitigen Erwerb von Fremdsprachenkenntnissen (besonders im Hinblick auf Rechtssprache), sollte man schon im Studium die Weichen gelegt und etwa Praktika im Ausland absolviert haben.

Eine gute Übung für Studierende ist Model United Nations, ein Planspiel der UN. Teile des Referendariats im Ausland verbracht zu haben, kann noch wichtiger sein. Der Berufsbeginn ist dann nämlich schon nah und man kann die geknüpften Kontakte direkt nutzen.

Das Auswärtige Amt bietet Bewerbern Vorbereitungskurse für die Auswahlverfahren in Europäischen Institutionen an. Außerdem betreibt es online den Internationalen Stellenpool für alle ihm bekannten Stellen in Internationalen Organisationen. Die EU hat ein eigenes Amt für Personalauswahl, dessen Webseite hilfreiche Tipps bietet.

Ob Berufsanfänger oder Quereinsteiger, ein Ausschlussgrund für die Arbeit in einer Internationalen Organisation kann die Familienplanung darstellen. Denn viele Umzüge und ständige Dienstreisen sind der Preis für ein ansonsten aufregendes Arbeitsumfeld.

 

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Quelle BECK Stellenmarkt 18/2018