Aktuelle Auswirkungen von Corona auf das Legal Recruiting: Schockstarre – und dann?

von David Schwab

Die Corona-Krise trifft auch den Rechtsmarkt und hat unter anderem erhebliche unmittelbare Auswirkungen auf die Einstellungspolitik von Kanzleien und Unternehmen gezeigt. Dieser Beitrag gibt einen ersten groben Überblick darüber, wie der Markt reagiert hat (Stand Ende Juni 2020) und welche Schlussfolgerungen aus Kandidatensicht zu ziehen sind.

Kanzleien und Unternehmen reagierten mehrheitlich sehr schnell und impulsiv auf die veränderten Bedingungen: Manche Rechtsabteilung war/ist von Kurzarbeit betroffen – obwohl die rechtlichen Themen krisenbedingt nicht weniger, sondern sogar teilweise mehr werden.

Einige Kanzleien fahren seitdem einen strikten Sparkurs: Beispielsweise forderten manche Kanzleien ihre Associates dazu auf, auf einen Teil ihres Gehalts zu verzichten. Andere entließen sogar juniorige Berufsträger oder ihre wissenschaftlichen Mitarbeiter, um Kosten zu senken.

Sehr zu begrüßen war hingegen, wie schnell und umsichtig Arbeitgeber auf die neuen Sicherheitsanforderungen reagierten und die technischen Rahmenbedingungen für das Homeoffice bereitstellten. 

Gegenüber dieser schnellen Reaktionsfähigkeit und Bereitschaft zur Flexibilität zeigte sich im Bereich der Personalgewinnung eine regelrechte „Schockstarre“: So wurden branchenübergreifend viel weniger Vakanzen veröffentlicht und auch auf Kandidatenseite gab es eine geringere Wechselbereitschaft bzw. Anzahl von Initiativbewerbungen. Besonders spürbar wurde diese Schockstarre beim Thema Neueinstellung – sogar bei bereits vor Corona initiierten Bewerbungsprozessen.

Die gute Nachricht zuerst: Nicht alle Suchprojekte wurden pausiert oder gestoppt. Gerade bei Unternehmen laufen die meisten von uns betreuten Bewerbungsprozesse weiter, da es sich hierbei oftmals um strategisch wichtige Positionen handelt. Teilweise – und das gilt primär für die Kanzleiwelt und gänzlich unabhängig davon, ob ein Berufseinsteiger, mid-level Associate oder Partner gesucht wurde – sind Rekrutierungsprozesse jedoch bis auf Weiteres auf Eis gelegt worden. Hintergrund für sogenannte „hiring-freezes“ sind oftmals Vorgaben aus den ausländischen Headquartern.

Blickt man in die Zukunft, dann dürfte sicher sein, dass der Recruitingmarkt im Allgemeinen und speziell im Kanzleibereich mit den absehbaren Nachholeffekten der Wirtschaft wieder an Fahrt aufnehmen wird. Gute Juristen werden auch zukünftig händeringend gesucht.

An der statistischen Ausgangslage ändert sich schließlich nichts: Wir haben bereits aktuell zu wenige geeignete Juristen und werden zukünftig einen noch stärkeren Fachkräftemangel erleben. Insofern werden Arbeitgeber im „War for Talents“ weiterhin um die besten Juristen konkurrieren.

Was wäre einem (perspektivisch) wechselaffinen Juristen derzeit also zu empfehlen? Zunächst: Weiterhin bestehen spannende Jobmöglichkeiten in Kanzleien und Unternehmen, da es tatsächlich sogar Unternehmen gibt, die überhaupt keine Auswirkungen verspüren oder die sogar als „Krisengewinner“ hervorgehen könnten.

Spannende Vakanzen bei Kanzleien sind derzeit aber noch rarer als vor Beginn der Corona-Krise. Marktüberblick und Insiderinformationen eines guten Personalberaters können deshalb von Nutzen sein.

Ein wichtiger Punkt zum Schluss: Oftmals wird die erste Vorstellungsrunde nunmehr per Videokonferenz durchgeführt. Videochats sind natürlich ein klasse Instrument, um sich schnell und unkompliziert kennenzulernen. Aber es sollte nicht dazu verleiten, die generelle Wichtigkeit des ersten Kennenlernens und des berühmten ersten Eindrucks außer Acht zu lassen.

Es gibt Stimmen, die sagen, dass es das digitale Vorstellungsgespräch wie eine kleine zusätzliche Kompetenzprüfung sei. Eine gekonnte „digitale“ Selbstpräsentation sollte daher nicht unterschätzt werden und unterscheidet sich von einem klassischen persönlichen Gespräch, bei dem Sie Kommunikationssignale auf verschiedenen Kommunikationsebenen senden und spiegelbildlich empfangen. Nutzen Sie das Training zur Selbstpräsentation – es lohnt sich: Wer sich jetzt gut digital darstellen kann – der wird erst recht persönlich in den Folgegesprächen überzeugen können!

Über den Autor:

David Schwab
Gründer und Berater bei clients & candidates,
einer führenden hochspezialisierten,
deutschlandweit tätigen Personalberatung für
Juristen (Legal / Tax / Compliance)

www.clientsandcandidates.com

Quelle BECK Stellenmarkt 14/2020 (online-Vorabveröffentlichung)