Kanzleien und Corona: Impulse zum Durchhalten und Weiterdenken

von Susanne Kleiner

Mit Corona wird das Home-Office auch für die Anwaltschaft zur Normalität. Selbst hartnäckige Skeptiker denken jetzt um und lernen Vorteile zu schätzen. Digitale Arbeitsformen sichern nicht nur Existenzen, sie weisen auch den Weg zu flexibleren Jobmodellen der Zukunft. Grund genug, neue Routinen zu entwickeln und Chancen zu nutzen, meint Susanne Kleiner, Business-Coach und Kommunikationsexpertin. Impulse zum Durchhalten und Weiterdenken.

Den Tag strukturieren

Anwälte sind von Berufs wegen gut strukturiert. Die private Umgebung bringt die klare Tagesordnung jedoch leichter ins Wanken. Im trauten Heim lauern Ablenkungen. Kinder sind zuhause. Der Nachbar mäht den Rasen. In Wohnung und Garten gibt es das eine oder andere zu erledigen. Mittagessen will organisiert sein. Der Schreibtisch ist noch nicht tipptopp eingerichtet. Manchmal muss auch der Küchentisch herhalten.

Alles kein Vergleich zu den bewährten Kanzleiräumen. Wichtig: Sorgen Sie für einen geeigneten Arbeitsplatz und schließen Sie die Tür, wenn möglich. Planen Sie Ihren Tag - inklusive Pausen, die Sie bestenfalls, laut Psychologen, nach neunzig Minuten intensiver Arbeit machen. Stimmen Sie Ihre „Bürozeiten“ mit der Familie oder mit Mitbewohnern ab. Kommunizieren Sie deutlich, wann Sie beschäftigt sind - auch Herrn Müller von gegenüber, der gerne einen Plausch von Balkon zu Balkon hält. Und: Scheuen Sie sich nicht, hin und wieder offline zu bleiben und teilen Sie das Ihren Kollegen mit. Auch gibt es Heimarbeiter, die zugunsten der Konzentration auf Kopfhörer gegen Lärm schwören.

Sich selbst überlisten und gut für sich sorgen

Das Home-Office-Dasein mag viele an Marotten aus Studienzeiten erinnern: „Bevor ich starte, räume ich die Küche auf, besorge Getränke oder, oder, oder…“ Die eigenen vier Wände sind für viele Menschen gleichbedeutend mit Privatsphäre.

Die Taste, die man einfach auf „Job on“ oder „Job off“ stellen kann, gibt es nicht. Sie selbst sind gefordert, mental ins „Büro“ zu wechseln. Deshalb: Überlisten Sie sich und bringen Sie sich in den Kanzleimodus. Es müssen nicht Kostüm und Bluse, Anzug und Krawatte sein. Doch gepflegte Kleidung hilft, sich auf berufliches Parkett zu begeben.

Auch ein morgendlicher Gang zum Bäcker und der bewusste Weg zurück „zur Arbeit“ erleichtert das Umdenken. Oder Sie gehen direkt bei Ihrem Obst- und Gemüsehändler vorbei und besorgen sich frische Zutaten.

So klappt das auch mit der gesunden Ernährung. Bedenken Sie außerdem: Es ist empfehlenswert, abends Schreibtisch und Wohnung aufzuräumen. So gelingt der Start am nächsten Morgen viel besser. Machen Sie sich bewusst: Sie pendeln nicht mehr und gewinnen Zeit, um sich Gutes zu tun. Joggen Sie, machen Sie Yoga oder andere Sportarten.

Das funktioniert daheim sogar über Mittag. Es gibt viele Online-Angebote. Auch Entspannungsübungen und geführte Meditationen helfen, sich körperlich und geistig gesund zu halten. Probieren Sie aus, was Ihnen guttut, und etablieren Sie neue Gewohnheiten.

Rituale entwickeln

Der Small-Talk mit Kollegen fällt zuhause aus. Legen Sie im Team feste Zeiten für virtuelle Meetings ab. Die geschätzte Morgenroutine mit einem Blick auf den Tag bietet idealerweise auch Platz für informelle „Wasserstandsmeldungen“. Oder Sie wenden sich direkt telefonisch an vertraute Kollegen, wenn Sie der Schuh drückt. Natürlich mit Maß und fragen Sie kurz vorher an, ob der Moment günstig ist.

Im Netz kursieren recht kreative Beispiele, um das Wir-Gefühl auch virtuell zu stärken: etwa die „Online-Kaffeestunde“ per Webkonferenz am Freitagnachmittag mit Rückblick auf die Woche. Andere leiten vom „Casual Friday“ den „Formal Friday“ ab. Das heißt: Kollegen „meeten“ am Freitag online in bester Businesskleidung. Und es gibt Unternehmen, die einmal pro Woche mit einer telefonischen Morgenandacht von 8.00 Uhr bis 8.30 Uhr sich auf den Tag in diesen Zeiten einstimmen.

Also: Kommunizieren Sie sowohl Fachliches als auch Menschliches. Teilen Sie Bedenken und Erkenntnisse. Sprechen Sie über das, was Ihnen zuhause schwerer fällt. Und thematisieren Sie auch, was Sie am Home-Office besonders schätzen.

In sich gehen und Gesetztes hinterfragen

Ja, es gibt momentan unzählige Tipps und Tricks dafür, wie Sie gut durch die Zeit im Home-Office kommen. Und klar, die Corona-Krise hat die ganze Welt auf den Kopf gestellt. Es ist eingetreten, was viele noch vor einigen Wochen für unmöglich hielten: dass sich das Virus so rasant und folgenschwer ausbreitet sowieso; als nicht realistisch erschien aber auch eine virtuelle Arbeitswelt ohne Dienstreisen und persönliche Gespräche vor Ort konsequent zu leben.

Eines vorweg: Es gibt nichts schönzureden in dieser gesundheitlich und wirtschaftlich für viele extrem belastenden, unsicheren Zeit. Doch: Es lohnt sich innezuhalten und daraus zu lernen, dass das Unmögliche möglich ist.

Es ist erkenntnisbringend zu reflektieren, was diese Erfahrung mit uns macht. Viele Stimmen bekennen: „Von den Negativfolgen einmal abgesehen: Es tut mir richtig gut, die Pausetaste zu drücken und zu entschleunigen.“ Das ist Grund genug zu hinterfragen, was wir ändern wollen, um menschlicher, umweltverträglicher und damit wirklich zukunftsbejahend zu arbeiten. Und es ermutigt, einen neuen Blick auf das zu werfen, was wirklich sinnvoll ist.

Über die Autorin:

Susanne Kleiner
Kommunikationsexpertin, Autorin,
Texterin, Trainerin (dvct) und Coach (dvct)
in Freiburg im Breisgau

www.susanne-kleiner.de

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Quelle BECK Stellenmarkt 8/2020 (online-Vorabveröffentlichung)