Mit den Waffen einer Frau – Eine gegen alle? Schwestern, verbrüdert Euch

von Stephanie Beyrich

"Ich appelliere an Euch wunderbare (künftige) Anwältinnen: vernichtet Eure Messlatten, vergleicht Euch nicht und sucht Euch leuchtende Vorbilder!" Warum Frauen nicht gegen- sondern miteinander arbeiten sollten und welch große Bedeutung Selbstvermarktung  für Juristinnen hat, thematisiert Stephanie Beyrich in diesem Beitrag.

Die einsame Spitze des Erfolgs?

Juristinnen haben oft das Gefühl, sich alles hart erkämpfen zu müssen. Zunächst im Studium, später im Beruf, behaupten sie sich in der teilweise – vor allem in Großkanzleien – noch immer männlich geprägten Juristenwelt. Das Gefühl, als Frau doppelt so hart und doppelt so gut arbeiten zu müssen, um die gleiche Anerkennung wie männliche Kollegen zu erhalten, ist vielen Studentinnen, Referendarinnen und Rechtsanwältinnen vertraut. Hat man es dann endlich geschafft, sich seinen Platz auf gleicher Höhe mit den Kollegen zu erkämpfen, lauert schon die nächste, vielleicht noch größere Gefahr: die Kolleginnen! Mit diesen gilt es erst recht, in Konkurrenzkampf zu treten und daraus schlussendlich als Siegerin hervorzugehen. Wer so denkt und fühlt, den erwartet im Arbeitsleben täglich nur eins: ein brutaler Kriegsschauplatz. Eine frustrierende und äußerst unschöne Vorstellung. Zum Glück werden wir jedoch nicht gezwungen, als Amazonenkriegerin einsam unsere Runden durch die Kampfarena zu ziehen. Beruflicher Erfolg lässt sich auch auf anderem Wege bewerkstelligen. Aufrüsten muss man im Grunde nur das eigene Mindset. Selbstverständlich bedarf es auch eines geeigneten Umfeldes bzw. eines passenden Arbeitgebers, um sich beruflich voll entfalten zu können. Gegen, zum Glück sehr seltene, unüberwindbare Hindernisse mag man allein nichts ausrichten können, sodass sich die Frage nach einem Arbeitsplatzwechsel stellen kann. In den meisten Fällen liegt es jedoch in unserer Hand, etwas zu verändern und zu bewirken.

Selbstvermarktung – Eine Frage des richtigen Mindsets

In der scheinbar allein leistungsorientierten Jura-Bubble machen Frauen häufig mehrere entscheidende Fehler. Viele von uns gehen davon aus, dass Leistung der herausstechende und bedeutsamste Erfolgsfaktor ist. Natürlich ist gute Leistung von Bedeutung. Ohne ausreichendes Selbstmarketing ist sie indes nicht viel wert. Und gerade im Bereich Selbstmarketing haben Juristinnen leider häufig Nachholbedarf. Ursächlich dürfte sein, dass Frau zum einen die eigene Leistung oftmals kritischer als nötig betrachtet und hinterfragt, zum anderen Schwierigkeiten damit hat, die eigene Leistung zu erwähnen, von bewerben einmal ganz zu schweigen. Während viele männliche Juristen das Arbeitsmotto „Tue Gutes und sprich drüber“ ganz leicht und selbstverständlich umsetzen, fühlen sich Juristinnen in diesem Punkt häufig gehemmt. Doch warum fällt es uns so schwer, darüber zu sprechen, dass wir etwas geleistet haben? Fürchten wir, als arrogant abgestempelt zu werden? Vielleicht ein wenig. Die wahre Ursache liegt meines Erachtens jedoch tiefer. Und hier schließt sich der Kreis: Mindset. Wer es schafft, sich selbst für seine Leistung wertzuschätzen, kann auch vor anderen völlig frei von Arroganz für diese Leistung eintreten. Der erste Schritt ist daher stets eine gesunde Portion Selbstliebe, die nichts mit Selbstverliebtheit gemein hat, sondern lediglich Fairness gegenüber der eigenen Person darstellt. Wenn ich etwas geleistet habe, darf ich das gut finden. Punktum.

So einfach das klingt, so tückisch ist häufig die Umsetzung. Mit der Ausdauer, über die wir Frauen gemeinhin verfügen, werden wir mit der Zeit allerdings lernen, unsere Leistungen und Fähigkeiten selbst anzuerkennen. Sobald wir das beherrschen, geht sich der zweite Schritt um ein Vielfaches leichter: dort gut über unsere Kompetenz und Erfolge sprechen, wo es für den Erfolg darauf ankommt. Wir müssen zu unserer eigenen PR-Agentur werden, um Karriere zu machen. Falsche Bescheidenheit ist fehl am Platze, wenn wir vorankommen wollen. Wenn wir zur überzeugten Fürsprecherin für uns selbst werden und für uns eintreten, wird sich das – ggf. auch nur vermeintliche – Geschlechtsgefälle nivellieren. Und nicht nur das: wer die eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen anerkennt, muss keine Konkurrenz fürchten und eröffnet sich die Möglichkeit, ohne ständiges Vergleichen auch die Fähigkeiten anderer anzuerkennen und zu schätzen. Selbst aus der Konkurrentin wird so plötzlich ein Vorbild, von dem man sich eine dicke Scheibe abschneiden kann, um sich selbst weiterzuentwickeln.

Vorbild statt Feindbild – Es ist genug Platz für alle da

Gute Vorbilder sind essenziell für das eigene Wachstum, weshalb wir uns aktiv auf die Suche nach Role-Models begeben sollten. Unsere Jura-Welt ist voller geeigneter Kandidatinnen. Man findet sie auf Instagram, LinkedIn, TikTok oder in offenen und geschlossenen Netzwerken, denen man sich anschließen kann und sollte. Eine gute Vernetzung ist ein ausgesprochen mächtiges Werkzeug, das Synergieeffekte erzeugt, Austausch ermöglicht und Chancen eröffnet. Ich habe es zugegebenermaßen als Host eines juristischen Podcasts sehr leicht, habe ich doch das große Glück und Privileg, mit unzähligen Juristinnen und Juristen sprechen zu dürfen. Statt Gedanken daran zu verschwenden, wie ich selbst im Vergleich zu ihnen dastehe, lasse ich mich von jedem Gesprächspartner inspirieren. Für alle neuen Impulse bin ich dankbar. Jeder Gast verfügt über einzigartige Fähigkeiten und Interessen und jeder einzelne Gast ist es wert, mir als Vorbild zu dienen. Ich appelliere an Euch wunderbare (künftige) Anwältinnen: vernichtet Eure Messlatten, vergleicht Euch nicht und sucht Euch leuchtende Vorbilder!

Über die Autorin:

Stephanie Beyrich
ist Rechtsanwältin, Geschäftsführerin und Pressesprecherin der Bundesrechtsanwaltskammer. Seit 2020 moderiert sie den Podcast (R)ECHT INTERESSANT! Bildquelle: Bundesrechtsanwaltskammer/jm_lensman

Der Beitrag wurde erstmals in der JuS 04/23 veröffentlicht.