
Wer digital arbeitet, braucht digitale Gewissheit. Die digitale Identität ist längst mehr als ein technisches Authentifizierungsverfahren: Sie ist die Eintrittskarte in eine digitale Welt. Für Steuerberater und Steuerberaterinnen, deren Berufung auf Integrität, Vertraulichkeit und hoheitlicher Verantwortung basiert, gewinnt die Frage einer sicheren, digitalen Identität eine besondere Tiefe: Ist sie geeignet, die vertrauenswürdige Identität eines Berufsträgers auch im digitalen Raum zu garantieren – und wie weit reicht diese Identität in die Zukunft?
Die integre Rolle des Berufsstands – auch elektronisch
In einer digitalisierten Verwaltungs- und Wirtschaftswelt hängt der Zugang zu behördlichen Leistungen, Registern oder vertraulichen Daten zunehmend von der verlässlichen digitalen Identifizierung ab. Nicht nur Privatpersonen, sondern gerade auch Berufsgruppen mit besonderem Vertrauensstatus benötigen eine digitale Identität, die Vertrauen, Sicherheit und Verbindlichkeit gewährleistet. Denn erst diese Identität ermöglicht es ihnen, dass sie ihre Mandanten angemessen im digitalen Raum vertreten. Doch Identität ist nicht gleich Identität. Der technische Login mit Benutzername und Passwort genügt längst nicht mehr den Anforderungen an Beweiswert, Integrität und rechtliche Absicherung, wie sie beispielsweise im Kontakt mit der Finanzverwaltung oder Sozialversicherung erforderlich sind. Es geht nicht nur um Zugang – sondern um Anerkennung, Berechtigung und Repräsentation.
Status quo: Steuerberaterplattform und eID
Mit der Steuerberaterplattform hat die Bundessteuerberaterkammer bereits ein starkes Fundament gelegt: Als hoheitliche Aufgabe stellt sie die Berufsträgereigenschaft durch den Abgleich mit dem Berufsregister in Verbindung mit dem Nachweis der natürlichen Person über die elektronische Identität (eID) des Personalausweises sicher. Im Ergebnis können nur solche Personen als Steuerberater digital auftreten, die auch Steuerberater sind. Diese Verbindung zwischen staatlich bestätigter Identität und qualifizierter Rolle (Steuerberater) markiert einen Meilenstein: Sie schafft eine digitale Identität mit hohem Vertrauensniveau nach der EU-Verordnung eIDAS (electronic IDentification, Authentication and trust Services), die nicht nur sicher ist, sondern auch interoperabel innerhalb der EU anerkannt ist. Steuerberater und Steuerberaterinnen können mit dieser Identität heute schon sicher über das besondere elektronische Steuerberaterpostfach kommunizieren, Vollmachten elektronisch verwalten oder über Portale wie das Bundesanzeiger-Unternehmensregister, das Akteneinsichtsportal der Justiz oder dem Antragsportal der Steuerberaterkammern tätig werden – digital, effizient und rechtsverbindlich.
Der Blick nach vorn: EUDIWallets und Organisationsidentitäten
Was heute noch über Plattformen und Register verknüpft wird, soll in Zukunft nahtlos und universell möglich sein. Mit der kommenden EUDI Wallet (European Digital Identity Wallet) schafft die EU die Grundlage für ein völlig neues Verständnis digitaler Identitäten. Bürgerinnen und Bürger – aber auch Unternehmen und Berufsträger – sollen künftig über eine einzige digitale Brieftasche verfügen, mit der sie sich nicht nur ausweisen, sondern auch elektronische Signaturen leisten, Qualifikationen nachweisen oder Verwaltungsleistungen vollständig digital beantragen können. Damit wird die digitale Identität mehr als nur ein Zugang zu Plattformen sein: Die digitale Identität eines Berufsträgers ist europaweit einsetzbar, hochsicher und vielseitig nutzbar. Auch juristische Personen werden künftig digitale Identitäten besitzen – sogenannte Business Wallets. Unternehmen können so in behördlichen Verfahren agieren, Dienstleistungen beauftragen oder Verträge elektronisch unterschreiben – alles kann medienbruchfrei und vertrauenswürdig über die Wallet abgewickelt werden. Die EU stellt dabei hohe Anforderungen an Datenschutz, Sicherheit, Transparenz und Nutzerkontrolle – ein Rahmen, der ideal zur Berufsphilosophie von Steuerberatenden passt. Für Berufsgruppen wie Steuerberater, deren tägliche Arbeit auf Verschwiegenheit und Integrität beruht, ist das essenziell. Die Chance liegt darin, diese Zukunft aktiv mitzugestalten. Wer sich heute mit digitalen Identitäten auseinandersetzt, sichert nicht nur die Anschlussfähigkeit des eigenen Berufsstands, sondern trägt dazu bei, die wirtschaftliche Infrastruktur Deutschlands und Europas zukunftsfähig zu machen.
Was heißt das für die Kanzleien?
Die Einführung der EUDI Wallet wird in einem europaweit anerkannten Rahmen die Art und Weise, wie Identitäten im digitalen Raum funktionieren und Nachweise erbracht werden, grundlegend verändern. Für Kanzleien bedeutet das: Wesentliche Strukturen der Kanzlei müssen künftig elektronisch, nachvollziehbar und rechtssicher abgebildet sein – insbesondere Rollen, Berechtigungen, Vertretungen und Freigaberechte. Auch wenn Details der Wallet‑Ausgestaltung noch finalisiert werden, ist klar: Wer die eigene Organisationsidentität sauber modelliert, wird die neuen Möglichkeiten reibungslos nutzen können. Strukturen sollten konsequent digital abgebildet werden – von der Organisation bis zum Mandat:
• Organigramm ->Rollen -> Rechte: Leiten Sie aus der Kanzleistruktur ein konsistentes Rollen- und Berechtigungskonzept ab – inklusive Zuständigkeiten und Vertretungsregelungen.
• Mandats- und Verfahrensebene: Verknüpfen Sie Rollen mit konkreten Mandaten/Prozessen (z. B. wer darf Vollmachten erteilen/entziehen, Fristen freigeben, Anträge einreichen, Registerabfragen tätigen).
• Rechts- und Nachweisfähigkeit: Regeln Sie Zeichnungs- und Freigabeketten elektronisch (Vier-Augen-Prinzip, Protokollierung/ Audit-Trails) und halten Sie die Berechtigungen aktuell.
Auch wenn die genaue technische Form der Wallets noch im Fluss ist, gilt: Sicherheit gehört an den Anfang („security by design“). Dazu zählen z. B. Mehrfaktor‑Authentisierung, Endgerätesicherheit und Verschlüsselung, Log- und Ereignisüberwachung, belastbare Backup-/Recovery‑Pläne sowie definierte Prozesse. Die digitale Identität ist damit kein reines IT-Thema – sie ist Berufspolitik und Standortfaktor zugleich.
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Über die Autorin:
Sandra Lingnau - Rechtsanwältin und
Abteilungsleitung
Sie ist Rechtsanwältin und verantwortet die
Abteilungsleitung Digitalisierung/
IT-Projekte bei der BStBK. Ihre Expertise
liegt an der Schnittstelle von strategischem
Management, Recht und innovativer
Technologie – mit Fokus auf Datenschutz, IT-Sicherheit
und Berufsrecht der Steuerberater