E-Government in Steuerkanzleien perfekt umsetzbar?

von Christian Heidler

Die gesamte Gemeinde bei diesem Thema hinter sich zu bringen, dürfte sich eher anfühlen wie bei Don Quijote. Die Windmühle als Symbol kann jeder für sich sehen, wie er möchte. Die einen bei der Finanzverwaltung und die anderen in der eigenen Steuerkanzlei. Warum an dieser Stelle der Informationssammlung zum Thema „Digitalisierung und E-Government“ der Wissensstand so weit auseinanderklafft, ist mir persönlich ein Rätsel. Aber es ist wie es ist und wenn ich mit diesem Beitrag etwas mehr Licht in den Schatten bringen kann, ist wieder ein Schritt in die digitale Welt getan.

Was die Finanzverwaltung „Digital“ bereitstellt?

Woher kommen wir und wo wollen wir hin? Einfacher gesagt vom Papierbescheid, der hier als Muster genommen wird, zur vollen digitalen Umsetzung des E-Government. Irgendwo dazwischen sind wir alle gefangen und schwimmen Tag für Tag in der Suppe, mal weiter oben oder weiter unten. Sicher, die Finanzverwaltung hat mit KONSENS (Koordinierte neue Software-Entwicklung der Steuerverwaltung) aus 2014 ein Bürokratiemonster erschaffen. Ich denke da nur an die Umsetzung der Vollmachtsdatenbank, die heute noch bei vielen ein Buch mit sieben Siegeln ist. Der Dienstname „ELSTER“ ist wohl jedem bekannt, sprechen wir dann aber von DIVA, RABE, NACHDIGAL, BIENE, ELFE, SESAM, usw. wird die Luft schon deutlich dünner. Und genau hier liegt das Problem. Was brauche ich wann und wie setze ich es ein bzw. in meiner Steuerkanzlei um! Gerade wenn ich von Papierprozessen oder nicht voll integrierten Softwarelösungen komme und mit Hilfsmitteln arbeiten muss.

Umsetzung E-Government – Gut Ding will Weile haben

Um einfach einmal ein Thema aufzugreifen – z.B. DIVA und Bescheidwesen. Eine Gruppe hängt beim Bescheidwesen noch am Papier und am Verteilungs- und Eingangsstempel auf dem Bescheid, die andere Gruppe scannt die Bescheide ein, macht Vermerke auf dem Digitalisat und schickt dann den Bescheid zur Prüfung per E-Mail inkl. Anhang an die zuständige Sachbearbeiterin oder Sachbearbeiter weiter und eine weitere Gruppe nutzt die zur Verfügung stehende Softwarelösung in der Steuerkanzlei, von den digitalen Möglichkeiten der Finanzverwaltung zum Abruf, bis zum digitalen Posteingang inkl. Bescheidwesen, Bescheidkontrolle, Fristenkontrolle, Auftragsplanung und -kontrolle, Rechnungsstellung, Terminkalender, Schriftverkehr, Freizeichnung und Dokumentenmanagement. Allein hier zeigt sich schon, wie die Prozesse in die Breite gehen und niemand fühlt sich in der Lage, in der Steuerkanzlei einmal die Prozesse für sich in die Hand zu nehmen. Man macht halt so weiter. Es funktioniert ja.

E-Government in den Softwarelösungen

Viele Steuerkanzleien tun sich eh schon schwer genug und kämpfen mit digitalen Prozessen in der Umsetzung. Machen wir es ihnen nicht noch schwerer. Digitalisierung im E-Government ohne digitalen Postein- oder Postausgang, ohne digitales Fristen- und Bescheidebuch, ohne digitalen globalen Terminkalender, ohne digitale Fristüberwachung und digitale Erinnerung, Vollmachtsdatenbank, ohne DIVA, NACHDIGAL, digitalen Einspruch, ohne digitale Korrespondenz und Dokumentenmanagement geht es nicht. Ich weiß, es gibt hier noch zwei oder drei weitere digitale Helferlein, aber meine Schriftzeichen sind begrenzt. Dies und nur dies ist der gesamte Prozess, um E-Government erfolgreich ein- und umzusetzen. Die volle Integration in der Softwarelösung inkl. DMS ohne Softwareinseln ist das Ziel. Und zwar in alle Richtungen. Papierbescheide einzuscannen und dann per E-Mail als Anhang zu versenden, ist weder die Einstiegslösung noch der richtige Weg.

Umsetzung von E-Government in Schritten

Es wäre vermessen, hier jetzt die Lösung zu präsentieren. Dafür ist das Thema viel zu komplex und es sind Menschen, Technik und eingefahrene Prozesse am Werk. Sie wissen schon, die „Windmühle“. Aber es muss doch möglich sein, sich einen kleinen Prozess herauszusuchen und diesen dann digital umzusetzen, um zu spüren, wie es sich anfühlt. Keine Angst, es tut nicht weh. Je nach Gusto oder Stand der Digitalisierung in der Steuerkanzlei, könnte das natürlich das Bescheidwesen mit DIVA sein sowie Steuerkontoabfragen, NACHDIGAL oder der digitale Einspruch, Bescheidrückübertragung und Bescheidabgleich, vielleicht das digitale Postbuch inkl. Terminkalender und Fristenüberwachung. Handlungssicherheit im Prozess ist für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das wichtigste. Wohlfühlen im Umgang und kleine Erfolge in der Umsetzung. Daran sollte alles gemessen werden. Ja, man braucht am Anfang wahrscheinlich mehr Zeit, aber am Ende schlägt „digital“ das Papier um Längen. Die Flexibilität digitaler Daten und Ereignisse lassen auch eine bessere Planung zu.

Fazit

Das Fazit sollte sein, dass kein Weg daran vorbeiführt. Ein paar Stolpersteine und Umwege gibt es schon noch. Hier ist als Beispiel nur DIVA zu nennen. Es können in der Version 1 nur die digitalen Ersteinkommensteuerbescheide abgerufen werden. Dies wird jetzt aber mit DIVA 2.0 Ende 2022 erweitert. Nur ewig zu warten, bis die anderen alles zu 100% fertig haben und die Zeit als Ausrede aufzuführen, ist nicht die Lösung des Problems

Über den Autor:

Christian Heidler
ist Vorstand der hmd-software AG, ein Anbieter im Bereich modularerer Software-Komplettlösungen für steuerberatende Berufe und deren Mandanten. Die hmd-software AG zeichnet sich aus durch Flexibilität, sowie einen praxisnahmen und kundenorientieren Service, bei dem der Anwender als Mensch im Mittelpunkt steht.
www.hmd-software.com

Der Beitrag erschien erstmals im Themenschwerpunkt "Tax goes Digital" in der DStR 40/22.