Roboter im Kanzleialltag: Automatisierung und Digitalisierung in der Rechtswirtschaft

von Konstantin Kohlmann, Dr. Stephan Hillenbrand und Alexander Scheel 

RechtsanwältInnen und ihre Mitarbeitenden sind täglich mit der Bearbeitung einer Vielzahl von Korrespondenz und Schriftsätzen befasst, die es auszuwerten, zu dokumentieren und abzulegen gilt. Die Auswertung erfordert Fachwissen, analytisches Verständnis und menschliche Intuition. Hier können und müssen AnwältInnen und Ihre Mitarbeitenden ihr fachliches Können voll ausspielen.

Einige der im Kanzleialltag anfallenden Aufgaben sind aber Routinetätigkeiten, die nicht sonderlich anspruchsvoll sind, jedoch viel Zeit benötigen. Hierzu gehört beispielsweise das Übertragen von eingegangenen Dokumenten in die Kanzleisoftware oder das Digitalisieren und Hochladen von Dokumenten. Diese Arbeit macht dem Menschen wenig Freude.

Gleichzeitig muss dies aber mit hoher Genauigkeit ausgeführt werden – denn jeder Fehler kann unangenehme Konsequenzen nach sich ziehen.

Roboter im Kanzleialltag Automatisierung und Digitalisierung in der Rechtswirtschaft

Während die erste Art der Tätigkeit auf absehbare Zeit die Domäne des Menschen bleibt, gibt es heute schon Ansätze, repetitive Aufgaben und Routinetätigkeiten in die Hände von Maschinen, namentlich Robotern, zu geben.

Software-Roboter – flexible Helfer

Wie muss man sich das vorstellen? Ein Roboter ist ein hochspezialisierter Software-Typ, der den Menschen bei verschiedenen repetitiven Aufgaben und Routinetätigkeiten imitiert und ihm die Erledigung abnimmt. Roboter sind in der Lage, Informationen aus Dokumenten herauszuziehen und den Inhalt automatisch z.B. in die Kanzleisoftware zu übertragen. Man spricht von „Robotic Process Automation“ (RPA). Roboter arbeiten streng nach Vorschrift: Einmal programmiert, wiederholen sie für Menschen langweilige und kraftraubende Routinetätigkeiten mit hoher Zuverlässigkeit und Schnelligkeit.

Roboter greifen über Schnittstellen auf Systeme, Datenbanken und Webseiten zu. Darüber hinaus können Sie aber auch die Arbeitsweise eines Menschen nachstellen, also mit Hilfe von Tastatur und Maus die Benutzeroberfläche des Computers bedienen. Gerade das ermöglicht eine hohe Flexibilität und die bestmögliche Anpassung an die jeweiligen Rahmenbedingungen einer Kanzlei. Und das unabhängig davon, ob sich die eingesetzten Softwareprogramme untereinander „verstehen“.

Automatisierung für jede Kanzleigröße

All das klingt interessant und zukunftsweisend, aber verbirgt sich hier nicht auch wieder ein Thema, das derzeit nur die ganz großen Kanzleien angehen können? Die Autoren haben kleine und große Projekte begleitet, in denen RPA zum Einsatz kam, und sind überzeugt: Die Prozessautomatisierung durch Roboter eignet sich für Kanzleien jeder Größe! Kleinere Automatisierungsprojekte sind in wenigen Tagen entwickelt und amortisieren sich bereits nach kurzer Zeit.

Die Lizenzmodelle für die Robotersoftware sind flexibel: Wer viele Aufgaben automatisieren will, mietet sich exklusiv einen Roboter, den nur seine Kanzlei benutzen kann. Sollen nur wenige Aufgaben durch Roboter erledigt werden oder möchte man die neue Technologie erst einmal ausprobieren, dann besteht die Möglichkeit, die Arbeitszeit der Roboter nach Bedarf – man spricht von „Software as a Service“, kurz SaaS – einzusetzen. Die Kanzlei mietet ein passendes Kontingent und bezahlt gleichsam nach Stundenlohn.

So gelingt die Automatisierung

Das Identifizieren möglicher Automatisierungsprojekte und ihre Umsetzung sind kein Hexenwerk, wenn Sie systematisch vorgehen. Folgende Leitlinien haben sich bewährt:

Schritt 1: Prozess identifizieren

Sie setzen sich mit ihren KollegInnen und Mitarbeitenden zusammen und überlegen gemeinsam, welche Aufgaben in Ihrer Kanzlei viel Zeit benötigen. Untersuchen Sie diese Prozesse daraufhin, ob sie klaren Regeln folgen („immer wenn…, dann immer…“) und ohne intuitive Bewertungen und Entscheidungen eines Menschen ausgeführt werden können. Gut geeignet sind beispielsweise die Erfassung und Zuteilung von Korrespondenz (z.B. beA), das Übertragen von Daten aus der Korrespondenz in die Kanzlei-Software oder der Datentransfer zwischen verschiedenen Software-Systemen.

Schritt 2: Pilotprojekt vorbereiten

Bestimmen Sie eine Person, die das Projekt vorantreibt. Diese muss nicht zwingend über IT-Expertise verfügen, wichtig ist eine gute Kenntnis der Abläufe und Tätigkeiten, Kommunikationsstärke und systematisches Arbeiten. Machen Sie sich auf die Suche nach einem geeigneten Umsetzungspartner. Nehmen Sie Kontakt auf mit verschiedenen AutomatisierungsspezialistInnen und stellen Sie sicher, dass diese schon einmal erfolgreich Projekte für Anwaltskanzleien umgesetzt haben. Gute Beratungsunternehmen werden Sie auch bei der Identifikation eines geeigneten Pilotprojekts unterstützen.

Schritt 3: Pilotprojekt umsetzen

Nun geht es los: Ihre AutomatisierungsspezialistIn wird Ihnen in wenigen Tagen einen funktionsfähigen Roboter-Prototypen vorstellen können. Testen Sie den Roboter gemeinsam mit Ihren KollegInnen und verbessern Sie ihn so lange, bis er Ihren Anforderungen und Vorstellungen entspricht. Dieser Prozess ist oft schon nach zwei bis drei Wochen abgeschlossen.

Schritt 4: Roboter einsetzen

Lassen Sie Ihre neuen „digitalen Mitarbeitenden“ arbeiten und prüfen Sie die Arbeitsergebnisse gerade in den ersten Wochen intensiver. So gewinnen Sie und Ihre KollegInnen Vertrauen in die Qualität und Zuverlässigkeit des Roboters und können eventuell verdeckte Fehler oder übersehene Ausnahmen noch eliminieren.

Schritt 5: Erfolge feiern

Den Erfolg eines Projekts erkennen Sie an schnelleren Prozessen, weniger Fehlern und zufriedeneren Mitarbeitenden. Holen Sie regelmäßig Feedback aus dem Kreis Ihrer KollegInnen und Mitarbeitenden ein und lassen Sie die Ergebnisse für sich sprechen. Jede erfolgreich umgesetzte Automatisierung, und sei sie noch so klein, birgt das Potential, Ideen für weitere Automatisierungsmöglichkeiten zu gewinnen.

Fazit

Ein erfolgreiches Automatisierungsprojekt beginnt häufig klein, bietet aber schnell einen sichtbaren Erfolg. Setzen Sie getrost einen Gegenpol zu „Mega-Digitalisierungsprojekten“. Es muss ja nicht immer gleich die „vollautomatisierte Erstellung von Schriftsätzen mit Künstlicher Intelligenz“ sein.

Verschaffen Sie sich, Ihren KollegInnen und Mitarbeitenden wieder mehr Zeit für das, wofür der Mensch wirklich gebraucht wird: Den Einsatz menschlicher Intelligenz. Robotic Process Automation kann Ihnen und Ihrem Team dabei helfen, diese Freiheiten zurückzugewinnen, und die Arbeit in Ihrer Kanzlei noch interessanter, spannender und abwechslungsreicher zu machen.

 

Über die Autoren:

Konstantin Kohlmann
Counsel im Bereich Konfliktlösung bei Freshfields Bruckhaus Deringer
Er vertritt global agierende Unternehmen in komplexen zivilrechtlichen Streitigkeiten. Er hat einen Schwerpunkt im Bereich großformatiger Prozesse, Massenverfahren und Sammelklagen.

Dr. Stephan Hillenbrand
Principal Associate im Bereich Konfliktlösung bei Freshfields Bruckhaus Deringer
Er vertritt global agierende Unternehmen in komplexen zivilrechtlichen Streitigkeiten. Neben der Beratung in großformatigen Prozessen und Massenverfahren leitet er schwerpunktmäßig mehrere Projekte im Bereich Legal Tech für Konfliktlösung.

Alexander Scheel 
Spezialist für Robotic Process Automation und Geschäftsführer der RIBOTA GmbH
Er berät Industrieunternehmen und Kanzleien bei der Digitalen Transformation und der Automatisierung