Wie lässt sich die Qualität im Bereich der juristischen Übersetzungen gewährleisten?

von Karen Rückert

Bericht von der Words to Deeds Conference 2018 – The Value of Legal Translation Professionals

Zum zweiten Mal trafen sich am 2. und am 3. Februar 2018 juristische Fachübersetzer, Rechtsanwälte und Akademiker aus 30 Ländern aller fünf Kontinente zur zweiten Words to Deeds Conference in London unter dem Motto: The Value of Legal Translation Professionals.

Das Ziel? Vertreter der verschiedenen Berufsgruppen zusammenzubringen, um brennende Themen aus verschiedenen Blickwinkeln zu besprechen sowie den Beruf des juristischen Fachübersetzers hervorzuheben.

Tatsächlich boten eine Reihe von Workshops bei der Rechtsanwaltskanzlei Irwin Mitchell am Freitagvormittag und bei Thomson Reuters am Freitagnachmittag sowie viele Vorträge und Diskussionsrunden bei der Konferenz im Gray’s Inn am Samstag viel Stoff zum Nachdenken, und es kristallisierten sich Erfolg versprechende Ansatzpunkte für verschiedene Handlungsmöglichkeiten heraus.

Disintermediation

Christina Guys Vortrag über „Disintermediation“ kam bei den Seminarteilnehmern ganz besonders gut an. Ihr Vortrag über das Auslassen von Elementen der Lieferkette, die keinen Mehrwert, sondern oft sogar einen Minderwert bieten, beschäftigte sich primär mit Transparenz und Aufklärung für Rechtsanwälte, damit diese informierte Kaufentscheidungen treffen können.

Große Übersetzungsagenturen versprechen oftmals schnelle und günstige Übersetzungen in vielen Fachgebieten und Sprachkombinationen. Aber haben diese wirklich das nötige Fachwissen, um im Bereich Recht eine korrekte Übersetzung anzufertigen?

Ein häufiger Einwand aus der Praxis ist, dass Einzelfachübersetzer trotz sehr guter Qualifikationen und hoher Spezialisierung nicht in der Lage seien, großvolumige Projekte schnell genug zu übersetzen. Rechtsanwälte wären deshalb in solchen Fällen (zwangsläufig) auf Großagenturen angewiesen.

In der Tat ist es so, dass ein Fachübersetzer alleine nicht in Windseile mehrere hundert Seiten übersetzen kann. Das ist aber oft gar nicht nötig, da die Zusammenarbeit mit einem Fachübersetzer einen ganz anderen Ablauf nach sich ziehen kann.

Nur wenn Rechtsanwälte die Arbeitsweise von Fachübersetzern kennen, können die beiden Gruppen optimal miteinander zusammenarbeiten, so Christina Guy. Die erfahrene juristische Fachübersetzerin für die Sprachkombination Niederländisch-Englisch berichtete über ihre Erfahrungen mit Präsentationen bei Rechtsanwaltskanzleien in Amsterdam, bei denen sie den Arbeitsprozess eines juristischen Fachübersetzers schildert.

Zum Beispiel erklärt sie ihnen, dass Fachübersetzer heutzutage in der Regel mit einem lokalen und projektspezifischem CAT-Tool arbeiten, das alle Sätze erkennt, die schon einmal vom Fachübersetzer in einem Projekt übersetzt wurden, ohne dass dabei Daten in das Internet gelangen oder überhaupt mit dem Internet in Berührung kommen (dies umgeht die Problematik hinsichtlich der Vertraulichkeit, die wiederkehrend mit Agenturen auftritt und mit der Rechtsanwälte oft nicht vertraut sind).

Das Tool zeigt beim Übersetzen zudem sämtliche Änderungen auf. Wenn der Übersetzer einen Entwurf bzw. eine Vorversion schon übersetzt hat, ist die Endfassung bzw. die Neufassung deshalb schnell und folglich auch kostengünstig übersetzt (dabei ist es nicht nötig, die Änderungen in Word mit der Änderungsfunktion zu markieren). Bei eiligen Projekten können Rechtsanwälte deshalb wertvolle Zeit im Endspurt sparen, wenn sie Fachübersetzer schon von Anfang an einbeziehen. Während der Rechtsanwalt noch kritische Einzelpunkte mit dem Mandanten bespricht, kann sich der Fachübersetzer schon Gedanken über die Fachbegriffe machen und in den Fall einlesen. Auch eine Übersetzung des Entwurfs kann frühzeitig erstellt werden, die später als Grundlage für die Endfassung dient.

In dieser Konstellation wird in der Regel auch kein Eilzuschlag berechnet, weil der Fachübersetzer ausreichend Zeit hat, den Entwurf in aller Ruhe zu übersetzen und nachträglich nur die Änderungen oder neuen Textteile übersetzen und einbauen muss.

Ohne den hohen Zeitdruck für eine kurzfristige Komplettübersetzung kann der Fachübersetzer auch eine qualitativ bessere Fachübersetzung erstellen. Es sprechen also eine Reihe von Gründen dafür, Fachübersetzer schon von Anfang an in ein Projekt einzubinden. Auch die am Seminar teilnehmenden Rechtsanwälte der Kanzlei Irwin Mitchell bestätigten, dass sie aus dem Vortrag von Christina Guy viel über die Arbeit professioneller Fachübersetzer gelernt hätten und diese Punkte künftig auf jeden Fall bei der Vergabe von Übersetzungen berücksichtigen werden.

Spezialisierung

In einer Podiumsdiskussion am Samstag ging es um die Spezialisierung als weitere Möglichkeit, um die Qualität juristischer Fachübersetzungen zu gewährleisten. Dabei war nicht nur die Spezialisierung des Fachübersetzers im Bereich Recht allgemein ein Thema, sondern vielmehr die weitere Spezialisierung innerhalb des Bereichs.

Diese „Super-Spezialisierung“ hätte nicht nur sehr viele Vorteile für den Kunden, sondern auch für den Fachübersetzer selbst. Ein Rechtsanwalt spezialisiert sich auf ein bestimmtes Fachgebiet oder einige wenige Fachgebiete, kennt sich in diesen Bereichen durch seine Qualifikationen und Erfahrung extrem gut aus und kann seinen Mandanten sehr gute Beratung bieten. Dasselbe gilt für den juristischen Fachübersetzer. Durch eine „Super-Spezialisierung“ könnten sich Fachübersetzer weiterbilden, ihre Fachkenntnisse vertiefen und folglich noch effizienter und in noch besserer Qualität übersetzen.

Zwei Fachübersetzer  aus Spanien berichteten über ihre Erfahrungen als Spezialisten für Vertragsrecht, und es gab Vorträge über die Zusammenarbeit als Fachübersetzer mit dem Europäischen Gerichtshof sowie über die „Super-Spezialisierung“ im Bereich Patentrecht. Eine „Super-Spezialisierung“ hat außerdem den Vorteil, dass der Fachübersetzer den Kunden maßgeschneiderte Lösungen anbieten kann, da er mit den Besonderheiten, Textsorten und Fristen seines Fachgebiets vertraut ist.

Aufklärung

In einem weiteren Vortrag wurde eine in Spanien durchgeführte Studie erläutert, aus der hervorging, dass sehr viele Rechtsanwälte nicht wissen, was ein juristischer Fachübersetzer macht oder wie sie überhaupt qualifizierte juristische Fachübersetzer finden können.

Teilweise wissen sie nicht einmal, dass es Fachkräfte dafür gibt. Obwohl sie mit ihren jetzigen Lösungen oft nicht zufrieden sind, haben sie akzeptiert, dass sie ihre wertvolle Zeit in die Nachbesserung von Übersetzungen investieren müssen, da ihnen keine anderen Möglichkeiten bekannt sind. An dieser Stelle ist auch Aufklärungsarbeit nötig.

Um hier Abhilfe zu schaffen, wurde der Vorschlag gemacht, das Thema „Einkaufen von juristischen Fachübersetzungen und Beauftragung juristischer Fachübersetzer“ in die juristische Ausbildung aufzunehmen. Beim Gespräch am runden Tisch am Samstagnachmittag wurde das Thema Kundenaufklärung ausführlich besprochen. Im Gespräch kristallisierten sich drei Zeitpunkte heraus, zu denen ein Fachübersetzer die Möglichkeit hat, Aufklärungsarbeit beim Kunden zu leisten: 1) wie anfangs erwähnt in der Form von Präsentationen (auftragsunabhängig), 2) direkt nach der Anfrage/bei Angebotserstellung, 3) nachdem der Kunde schon eine oder mehrere böse Überraschung(en) mit einem anderen Übersetzungsdienstleister erlebt hat.

Es wurde berichtet, dass die Aufklärung in der Regel im letzten Fall von allein stattfindet, frei nach dem Motto: Erst leiden, dann handeln. Einige Teilnehmer bestätigten allerdings, dass Präsentationen, obwohl nicht aktiv angefragt, dennoch sehr willkommen sind, wenn Fachübersetzer sie anbieten. Präsentationen oder Aufklärungsveranstaltungen bei Rechtsanwaltstagungen sowie kurze Webinare wären deshalb auf jeden Fall denkbar und könnten viel Positives bewirken.

Fazit

Zum Abschluss der Konferenz, einer Kreuzfahrt auf der Themse inklusive Abendessen, wurde der rege Austausch zu den Themen des Tages unter den Konferenzteilnehmern fortgesetzt.

Am Ende des Abends war für alle klar, dass die Qualität im Bereich der juristischen Fachübersetzungen nur durch eine langfristige, direkte Zusammenarbeit zwischen Rechtsanwälten und juristischen Fachübersetzern gesichert werden kann.

In diesem Fachgebiet sollte es ganz klar keinen Platz für Anbieter geben, die mangels Fachwissen nicht in der Lage sind, hochwertige Fachübersetzungen zu erstellen, keine Unterstützung vor Fertigstellung der Endfassung eines Textes anbieten können und sich oft zu wenig für die Vertraulichkeitsaspekte interessieren.

Wenn der Beruf des juristischen Fachübersetzers allerdings weiterhin unreguliert bleibt, werden juristische Fachübersetzer für direkte Aufklärung sorgen und sich (aktiv) für ihren Beruf einsetzen müssen.

Nur so wird gewährleistet, dass die Fachübersetzer selbst und die mit einer direkten Auftragsvergabe einhergehenden Vorteile angesichts der heutigen Fülle der Übersetzungsdienstleister von Rechtsanwälten tatsächlich auch ausreichend wahrgenommen werden.

Die Website der Konferenz mit Teilnehmerprofilen finden Sie hier:

http://conference2018.wordstodeeds.com/

Leitfaden für Rechtsanwälte

http://juristische-uebersetzungen-rueckert.de/files/Inhalte/PDF/leitfaden-fremdvergabe_von_juristischen_uebersetzungen.pdf

Über die Autorin:

Karen Rückert
Juristische Fachübersetzerin DE>EN,
öffentlich bestellte und beeidigte Urkundenübersetzerin
der englischen Sprache für Baden-Württemberg

Quelle NJW 17/2018