Warum Paragraf 14 des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes nicht für Dolmetscher und Übersetzer gelten sollte

von Dr. Thurid Chapman

Die vom Ministerium für Justiz- und Verbraucherschutz beabsichtigte Novellierung des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) ist angesichts der Entwicklungen und eines stetig ansteigenden Bedarfs für Dolmetscher- und Übersetzerleistungen mehr als geboten.

Es besteht dringender Bedarf nicht nur für die Anpassung der Stundensätze an die seit 2013 veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse, sondern ganz wesentlich auch in Bezug auf ein weiteres Problem, das sich seit Bestehen des JVEG perpetuiert: Die nach § 14 JVEG bestehende Möglichkeit zum Abschluss von Vergütungsvereinbarungen zu Preisen, die die im JVEG festgelegten Honorarsätze für Übersetzungen und Verdolmetschungen nicht überschreiten dürfen.

Dies hat zu einer Praxis geführt, die sich im freien Markt so nicht wiederfindet und dazu, dass qualifizierte Dolmetscher und Übersetzer sich lieber im freien Markt betätigen und der Justiz zunehmend nicht mehr ausreichend zur Verfügung stehen. Der Gesetzgeber zielte und zielt auf eine leistungsgerechte Vergütung ab, die die Gegebenheiten des außergerichtlichen Marktes in Berücksichtigung nimmt.

Parallel dazu ist es wichtig, Verwaltungs- und Verfahrensvorgänge durch streitvermeidende gesetzliche Regelungen effektiver zu gestalten, um die Behörden und die Gerichte zu entlasten und die Qualität erbrachter Leistungen zu sichern, damit der Grundsatz eines fairen Verfahrens erfüllt, aber teure Überprüfungen und dadurch verlängerte Verfahren zuverlässig vermieden werden können.

Die als Vereinfachung gedachte Möglichkeit zum Abschluss von  Rahmenvereinbarungen hat sich in der Praxis nicht bewährt.

Es hat sich gezeigt, dass, obwohl die Vorschrift auf eine Vereinfachung der Abrechnung abzielt, vorhandene Vergütungsvereinbarungen gerade bei denjenigen Ermittlungen der Polizei, die staatsanwaltlich geführt werden und damit unter das JVEG fallen, eine Vielzahl von Abrechnungsbedingungen enthalten, die die nun gerade keine Vereinfachung bedeuten1. Die nicht weitergehend definierte oder präzisierte „häufigere Heranziehung“, die eine Voraussetzung für den Abschluss von Vergütungsvereinbarungen darstellt, wird in vielen Fällen aus einer Voraussetzung zur Folge, nämlich dann, wenn der Dolmetscher oder Übersetzer nur dann herangezogen wird, wenn er eine Vergütungsvereinbarung abgeschlossen hat.

Auch kann eine erst in der Zukunft liegende häufigere Heranziehung seitens der Vertragspartei nicht verlässlich zugesichert werden, da nicht vorhergesagt werden kann, wie viel Bedarf an einem bestimmten Ort in einem bestimmten Zeitraum für eine bestimmte Sprache entstehen wird.

Die Regelung des § 14 bedeutet einen großen und sachlich nicht zu rechtfertigenden Nachteil für Dolmetscher und Übersetzer, denn die nach dem JVEG vorgesehene Vergütung darf nicht über, wohl aber unterschritten werden. Damit laufen Dolmetscher und Übersetzer Gefahr, eine Vergütung zu erhalten, die unter den im JVEG für den Normalfall vorgesehenen Stundensätzen liegt und die außergerichtlich erzielten Vergütungen nicht mehr abbildet.

Eine Vereinbarung nach § 14 stellt dem Sinne nach eine Pauschalvergütung als Gesamthonorar dar. Dies setzt voraus, dass sich die zu erbringende Leistung in der Mehrzahl der betroffenen Fälle auf sich wiederholende, gleich gelagerte Einzelfälle bezieht, bei denen sich aufgrund der häufigen Befassung eine vereinfachte Bearbeitung oder ein geringerer – auch zeitlicher – Aufwand ergibt, der eine Unterschreitung der Regelsätze rechtfertigen würde.

Daher kann eine solche Vereinbarung dem Grundsatz nach auf Dolmetscherleistungen nicht angewandt werden, da der mit der Verdolmetschung verbundene Zeitaufwand sich nach der Rede- und Sprechgeschwindigkeit der Beteiligten richtet und nicht durch eine Häufigkeit der Fälle verringert wird.

Auch in Bezug auf Übersetzungen kann die Vorschrift nur auf sich gleichende Texte angewendet werden, die in der Regel aufgrund der individuellen Umstände der Fälle, auf die in den Texten (z. B. Anklageschriften, Urteile) einzugehen ist, eher als Teile eines Textes und weniger als Text in seiner Gesamtheit auftreten.

Insgesamt stellen wir fest, dass Vergütungsvereinbarungen weniger von den Gerichten als vielmehr häufig von Polizeibehörden auch für die Ermittlungen, die unter das JVEG fallen, abgeschlossen werden. Anbieterlisten, nach denen bevorzugt oder ausschließlich die billigsten Anbieter zu beauftragen sind, würden zum einen die richterliche Freiheit unzulässig einschränken, zum anderen enthalten solche Listen in der Regel keine Kriterien zur fachlichen und persönlichen Eignung des Übersetzers oder Dolmetschers, mit der die gemäß Artikel 5 der EURichtlinie 2010/64 erforderliche Qualität der zu erbringenden Leistungen sichergestellt werden könnte.

In Anbetracht der auch aktuell in den Medien kolportierten Schwierigkeiten mit der Qualifikation der eingesetzten Dolmetscher und Übersetzer führt diese Praxis zu durch gerichtliche Überprüfungen notwendig gewordenen höheren Kosten und verlängerten Verfahren, die allein der Justiz angelastet werden und deren effektive Arbeit erschweren.

§ 14 JVEG sollte daher in der derzeitigen Fassung gestrichen oder insoweit geändert werden, dass die gesetzlichen Stundensätze und Auslagenpauschalen in einer solchen Vereinbarung nicht unterschritten werden dürfen.

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1 vgl. Beispiele für Rahmenvereinbarungen in Meyer/Höver/Bach/Oberlack/Jahnke (2018) JVEG. 27. neu bearbeitete Auflage, Carl Heymanns Verlag, §14 Rn 7.

Über die Autorin:

Dr. Thurid Chapman
staatlich geprüfte und öffentlich bestellte Dolmetscherin
und Übersetzerin für die englische Sprache,
Lehrbeauftragte an der Hochschule Anhalt sowie
Vizepräsidentin des Bundesverbands der Dolmetscher
und Übersetzer e.V. (BDÜ)

Quelle NJW 17/2020