Selbstfürsorge professionalisieren

von Susanne Kleiner

Nur wer seelisch und körperlich gesund ist, kann seine Karriere aussichtsreich gestalten und glücklich leben. Besonders für Berufsneulinge ist es essenziell, bewusst die Verantwortung für ihr persönliches Wohl zu verinnerlichen und gut für sich zu sorgen. Susanne Kleiners Impulse für eine stimmige Balance im turbulenten Kanzleialltag.

Ein Blick in den Alltag von Rechtsanwaltskanzleien zeichnet ein bekanntes Bild: Eine Frist jagt die andere. Überstunden gehören zum guten Ton. Hinzu kommt: Junge Kräfte strotzen vor Energie. Wer mit Elan in den langersehnten Job einsteigt, formuliert oft sehr hohe Ansprüche an sich selbst. Die Youngsters der Branche wollen nach Studium und Referendariat alles richtig und schnell Karriere machen.

Was viele beim Start in den Anwaltsberuf unterschätzen: Ambitionierte junge Menschen neigen dazu, sich dauerhaft zu überlasten oder zu überfordern, ohne sich dessen bewusst zu sein. Es fühlt sich wichtig und richtig an, nonstop gestresst zu sein. Das rächt sich irgendwann. Deshalb gehören zu einer guten Karriereplanung Zeiten und Aktivitäten für das mentale und körperliche Wohlbefinden selbstverständlich dazu.

Wichtig: Zukunftsfähige Kanzleien unterstützen ihr Team darin, gut für sich zu sorgen. Professionalität umfasst mehr denn je Kompetenzen wie Selbstfürsorge und Selbstmanagement. Es geht darum, negativem Stress vorzubeugen, sich kontinuierlich mental zu stärken und Lebensenergie zu steigern.

Teilen Sie Ihren Tag in Pausen ein Strukturieren Sie Ihren Tag sinnvoll, planen Sie feste freie Zeiten ein und erleben Sie Ihre Pausen bewusst. Psychologen empfehlen, neunzig Minuten konzentriert ans Werk zu gehen, dann fünfzehn Minuten zu pausieren. So regenerieren Sie und arbeiten anschließend produktiver. Probieren Sie aus, welche Taktung zu Ihnen und Ihrem Rhythmus passt. Wenn Sie Pause machen, machen Sie Pause. Checken Sie keine E-Mails oder tauschen sich über Fälle aus, die auf Ihrem Tisch liegen.

Mit Fachlichem beschäftigen Sie sich in Ihren aktiven Phasen. In Ihren Pausen nehmen Sie sich Zeit: etwa für ein leichtes, nährendes Mittagessen in aller Ruhe. Oder Sie machen über Mittag einen Spaziergang an der frischen Luft, vorzugsweise im Grünen. Lassen Sie vom Schreibtisch aus ab und zu den Blick aus dem Fenster schweifen und gönnen Sie Ihren Augen Ruhe.

Entscheidend ist, dass Sie selbst gezielt die Stopp-Taste drücken. Selbst kürzeste Auszeiten sind Gold wert. Für lange Pausen ist das Wochenende da. Halten Sie sich immer wieder ein paar Stunden frei, um nichts zu tun. Gehen Sie mit Leidenschaft einem Hobby nach, das Sie auf andere Gedanken bringt und die Zeit vergessen lässt. Spielen Sie mit Kindern, treiben Sie Sport oder wandern Sie im Wald, ohne sich überehrgeizige Ziele zu stecken.

Sportlicher Ehrgeiz hat durchaus seine Berechtigung. Entscheidend ist, dass Sie nicht unreflektiert im Autopiloten auf der Rennstrecke unterwegs sind und sich permanent selbst überholen. Lernen Sie freie Zeiten zu genießen und in die Stille einzutauchen, ohne im beruflichen Sinne zu funktionieren.

Fokussieren Sie sich

Konzentrieren Sie sich auf eine Sache, wenn Sie arbeiten. Bleiben Sie dran und vermeiden Sie es, mehrere Eisen parallel im Feuer zu haben. Seien Sie zeitweise offline. Ihr Verantwortungsbewusstsein weiß, wann das möglich ist.

Was, wenn Sie nicht umhinkommen, Ihre Antennen in brisanten Aufträgen dauerhaft auf Empfang auszurichten? Machen Sie Mini-Pausen: eine Minute, drei Minuten. Schließen Sie die Augen und atmen Sie. Verbinden Sie sich mit dem gegenwärtigen Moment und pflegen Sie diese kürzesten Auszeiten regelmäßig. Scannen Sie mental Ihren Körper und wenden Sie sich aufmerksam Ihren Handflächen und Fußsohlen zu, die satt auf der Erde stehen. Atmen Sie tief und ruhig. Nehmen Sie wahr, wie sich beim Einatmen Ihre Bauchdecke wölbt. Das zentriert. Zelebrieren Sie, wie Sie achtsam Wasser oder Tee trinken. Jede Sekunde, ganz bewusst.

Diese Übungen erden und beruhigen das Nervensystem. Nehmen Sie sich auch vor oder nach den Bürozeiten einige Minuten, um bei sich anzukommen: in der U-Bahn, auf dem Parkplatz vor einem Behördentermin oder im Auto in der Garage, bevor Sie den Feierabend einläuten. Auch ein festes Morgenritual wie eine Meditation, Joggen oder Dehnen macht Sie im ureigenen Wortsinn zum selbstbewussten Gestalter Ihres Lebens.

Die Entspannungsformel lautet: Tun Sie es. Tun Sie es immer wieder. Je konsequenter Sie Ihren persönlichen Boxenstopp praktizieren, desto schneller lernen Körper und Geist abzuschalten. Kultivieren Sie Selbstreflexion Pflegen Sie die Freundschaft zu sich selbst mit Hingabe. Widmen Sie sich wertschätzend, interessiert und aufrichtig Ihrer eigenen Persönlichkeit und Verletzlichkeit.

Nehmen Sie die Signale Ihres Körpers wahr und lauschen Sie aufmerksam in sich hinein. Wer sich regelmäßig selbst reflektiert, kennt und achtet selbstverständlich seine Bedürfnisse. Würdigen Sie wie ein bester Freund Ihr Denken, Fühlen und Handeln aus einer respektvollen Distanz. Etwa so: Wo stehe ich? Wo will ich hin? Was schwächt mich? Wer oder was tut mir gut?

Führen Sie einen stärkenden inneren Dialog mit sich selbst. Nehmen Sie sich entspannt wahr. Bewerten Sie nicht. Wer gut mit sich selbst verbunden ist, kommuniziert klarer. Einmal ist es ein selbstbewusstes »Nein«, ein anderes Mal eine aufrichtige Bitte um Hilfe, die in Ihnen lebendig ist. Sprechen Sie selbstverständlich und selbstbewusst aus, was Sie zu sagen haben. Oder Sie schweigen, wenn das für Sie stimmig ist. Kultivieren Sie eine wohlwollende Haltung, sich selbst und anderen gegenüber. Selbstreflexion ist ein permanenter Prozess.

Auch der Austausch mit inspirierenden Menschen stärkt sie darin, persönlich zu wachsen. Wertvoll ist es überdies, mit einfühlsamen Personen zu sprechen oder mit einem Coach zusammenzuarbeiten.

Coachen Sie sich selbst

Besonders reizvoll und effektiv ist es, sich selbst zu coachen. Wer das beherrscht, ist fast immer und überall in der Lage, sich in nur wenigen Minuten selbst zu reflektieren: mit intuitivem oder automatischem Schreiben. Das funktioniert auch im Wartezimmer beim Arzt oder im Zug. Nutzen Sie diese unkomplizierte und wirksame Methode, um die Schätze an die Oberfläche zu holen, die in Ihnen verborgen liegen.

Schreiben Sie mit der Hand. Unterbrechen Sie den Schreibfluss nicht. Wenn Ihnen nichts einfällt: Schreiben Sie »Mir fällt nichts ein«, »Mir fällt nichts ein«, bis Sie ganz automatisch in Ihren Schreibfluss zurückfinden. Schreibend schauen Sie so tief in sich hinein, wie nur Sie dazu in der Lage sind. Tun Sie es. Praktizieren Sie es. Beim Schreiben passiert viel.

Schreiben Sie sogenannte Morgenseiten. Füllen Sie nach dem Aufstehen drei Seiten handschriftlich. Absichtslos. Alternativ stellen Sie einen Timer auf fünf, zehn oder fünfzehn Minuten und beantworten eine Frage, die Sie sich selbst stellen. Schreiben Sie. Schreiben Sie. Schreiben Sie. Auch vor und nach stressigen Terminen oder schwierigen Gesprächen klärt sich vieles, wenn Sie Ihre Gedanken mit dem Stift in der Hand sortieren.

Jede und jeder trägt Verantwortung dafür, gut für sich zu sorgen. Gut mit sich selbst in Kontakt zu stehen, ist die gesunde Basis dafür. Ritualisieren Sie Zeiten mit sich selbst. Und freuen Sie sich. Tanzen Sie, lachen Sie, malen Sie, handwerken, gärtnern, backen oder kochen Sie. Tun Sie das in Hülle und Fülle, was Ihnen Freude bereitet. Initiieren Sie viele gute und erfüllende Momente. Leben Sie.

Über die Autorin:

Susanne Kleiner, MSc
Kommunikationsexpertin, Autorin, Texterin,
Trainerin (dvct), Online-Trainerin und Coach (dvct) in Freiburg im Breisgau
Sie trainiert und coacht Führungskräfte, Teams und Freiberufler, vor allem
in Krisen, Konflikten und Veränderungsprozessen – u.a. mit der Online-
Trainingsreihe ›wortwörtlichwirken‹ für Kommunikations- und
Textkompetenz sowie Persönlichkeitsentwicklung mit intuitivem Schreiben.
www.susanne-kleiner.de