Wenn Prüfungsangst die Karriere gefährdet

von Dipl.-Psychologin & Business Coach Diane Manz

Das Jurastudium ist eine Klasse für sich. Darüber sind sich alle einig. In kaum einem Studium ist der Anspruch, eine Elite heranzuziehen so hoch und das Aussieben so gezielt umgesetzt. Wer sich hier durchbeißt, hat es geschafft und gehört damit zu den „Harten im Garten“, die vermeintlich mit Angst, Stress, Konkurrenz und fiesen Gegnern umgehen können. Bereits in der ersten Vorlesung weisen bereits manche Professoren darauf hin, dass es sich kaum lohnt, den Namen seines Nachbarn zu behalten, da ohnehin ein großer Teil frühzeitig ausscheiden wird. Auch wenn dies nicht ganz konform mit einer Abbruchquote von um die 25% geht, baut es schon in den frühen Semestern einen immensen Druck auf. Grundsätzlich wird die juristische Ausbildung mittlerweile an vielen Stellen kritisiert. Die Qualität der Ausbildung im Hinblick auf die Berufsvorbereitung lässt an vielen Stellen zu wünschen übrig, die empfundene Willkür in Prüfungen, das wenig transparente Bewertungssystem, hohe Durchfallquoten, die extreme Abhängigkeit der Realisierung des Berufswunsches von der Examensnote und nicht zuletzt ein überdurchschnittlich hoher Konkurrenzkampf, verbunden mit der Tabuisierung von Stressempfinden, führen zu einer enormen Belastung und Versagensangst, die Studierende und ReferendarInnen für lange Zeit begleiten.

Steigender Beratungsbedarf bei Studierenden aller Fächer

Fachbereichsübergreifend sind laut einer Veröffentlichung des deutschen
Studentenwerkes in 2019 (https://www.studentenwerke.de/de/content/beratungsbedarf-der-studierende...) die Beratungskontakte bei den Angeboten der Studierenden- und Studentenwerke stark gestiegen. Bei den psychologischen Beratungsstellen stieg die Nachfrage von 2006 bis 2017 um 60%, bei der Sozialberatung im gleichen Zeitraum um 50%. Zahlen zum Fachbereich Rechtswissenschaft liegen nicht vor, häufig wird jedoch über mangelnde Unterstützung in den Bereichen Stressbewältigung und Prüfungsvorbereitung von Seiten der Universitäten geklagt. Die Schwelle vorhandene Angebote wahrzunehmen, ist nach wie vor hoch.

Unterschiedliche Ausprägungen von Prüfungsangst

Das Thema Prüfungsangst ist weit verbreitet, so gaben 53% der Studierenden in der oben genannten Veröffentlichung an, schon einmal Prüfungsangst gehabt zu haben, 42% berichten von einem Blackout in der Prüfung. Zur genauen Prävalenz von schwerer Prüfungsangst ist wenig bekannt, aus verschiedenen Quellen lässt sich jedoch eine durchschnittliche Häufigkeit von etwa 15% jener Studierenden belegen, die vor der Prüfungssituation in eine extreme Panik verfallen, die sich sowohl gesundheitlich auswirkt als auch im schlimmsten Fall dazu führen kann, dass eine Prüfung gar nicht angetreten wird. Hier wird deutlich, dass es durchaus Fälle gibt, in denen trotz guter Vorbereitung und objektiv ausreichendem Wissen eine überdimensionale Angst vor dem Versagen in der Prüfung sämtliche Karrierepläne zunichte macht.

Mögliche Folgen der Prüfungsangst

Prüfungsangst im schweren Sinne beschreibt einen Zustand von anhaltender und deutlich spürbarer Angst in Prüfungssituation und/oder während der Vorbereitung, die den gegebenen Bedingungen nicht angemessen ist (L. Fehm & T. Fydrich (2011). Prüfungsangst. Göttingen: Hofgrefe). Beratungsbedürftig wird diese Prüfungsangst, wenn sie das alltägliche Leben und/oder den Ausbildungsverlauf oder das berufliche Weiterkommen deutlich beeinträchtigt. Derartige Prüfungsängste verursachen in der Regel eine dauerhaft erhöhte psychische und körperliche Anspannung, die dann häufig mit weiteren Stresssymptomen wie Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafstörungen, Antriebslosigkeit, Gereiztheit sowie Verspannungen, Kopfschmerzen oder Magen-Darmproblemen einhergehen. Die Angst wird oft durch ergänzende katastrophisierende und selbstabwertende Gedanken gefüttert. Auf der Verhaltensseite führt das dann häufig zu einem verstärkten Aufschiebe- und Vermeidungsverhalten. All das ist natürlich in der Prüfungsvorbereitung extrem kontraproduktiv. Das „saure Sahnehäubchen“ ist insbesondere bei den JuristInnen das Gefühl, mit all dem ganz allein da zu stehen und die einzige Person mit dieser vermeintlichen Schwäche zu sein. Auch das wirkt sich auf das zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon angekratzte Selbstbild aus und gefährdet damit ein erfolgreiches Vorankommen zusätzlich.

Tipps zur Bewältigung

Zur nachhaltigen systematischen Reduktion der Prüfungsangst auf ein angemessenes und nicht karriereschädigendes Maß bedarf es einer vielschichtigen Herangehensweise:
1. Frühzeitige strategische Überlegungen zu Motivation, Lernplan,
Problemprävention,
Zeitmanagement, Lernstrategien und Gedächtnistechniken.
2. Aufbau von Selbstvertrauen durch z.B. kognitive Techniken zur
Erarbeitung
förderlicher Denkmuster.
3. Austausch mit anderen Prüflingen – explizit zum Thema Prüfungsangst.
4. Regelmäßiges Üben von Prüfungssituationen.
5. Ausreichende Selbstfürsorge im Sinne von Entspannung, Ausgleich,
ausreichenden Pausen, gesunder Ernährung, erholsamem Schlaf und
wohltuenden Aktivitäten.
6. Unter Umständen kann auch ein selbstaufgestellter Belohnungsplan
hilfreich sein.
Stark ausgeprägte Prüfungsängste sprengen allerdings manchmal die Möglichkeiten eines erfolgreichen Selbstmanagements. Professionelle Unterstützung durch einen Coach oder Therapeuten kann dann zielführend sein, um die Karriere wieder auf Kurs zu bringen.

 

 

Über die Autorin:

Diane Manz
Dipl.-Psychologin und
systemischer Business Coach

www.brandung-consult.com