Mit Stimmbildung zum Lawyer Well-being - Wie die Arbeit mit Stimme und Gesang Anwältinnen und Anwälte resilienter macht

von Ute Bolz-Fischer M.A.

Das Leben als Anwältin oder Anwalt ist geprägt von Stress und Leistungsdruck. Doch wie entgeht man in einer so leistungsorientierten Branche dem Burnout und der Depression? Die gute Nachricht ist: Dafür kann man selbst etwas tun. Lawyer Well-being ist der Begriff der Stunde. Stimmbildung hilft beim Abbau von Stress und sorgt zusätzlich für einen stimmlich guten Auftritt in jeder Situation auf der Karriereleiter.

Psychische Gesundheit versus Anwaltsbranche

Eine neue Studie zum Thema psychische Gesundheit in der Anwaltsbranche hat eine Erkenntnis zutage gebracht, die unterschwellig schon längst bekannt war: Eine Karriere in der Anwaltsbranche erfordert großen Einsatz – häufig sogar Einsatz über Gebühr. Bis vor kurzem wurden psychische Probleme bei Anwältinnen und Anwälten noch totgeschwiegen, die Studie „Lawyer Well-being – The Silent Pandemic“ des Liquid Legal Institute aus München hat dieses Schweigen jetzt gebrochen. Sie hat ans Licht gebracht, dass Anwältinnen und Anwälte im Vergleich zur Gesamtbevölkerung über-durchschnittlich oft mit Problemen zu kämpfen haben. Stress, Angstzustände, Depressionen, psychische Störungen, Burnout und Sucht befinden sich darunter, um nur einige zu nennen.

Die Ursachen für diese Schwierigkeiten liegen in den Anforderungen des Berufsbildes, unter anderem zum Beispiel in der (mangelnden) Fehlerkultur der Branche. Anwältinnen und Anwälte sind dazu aufgerufen, Fehler zu vermeiden oder bei anderen zu finden. Sie selbst zu machen, ist ein Tabu, die Angst davor ist groß. Perfektion ist anzustreben, der Druck ist immens. Das geht mit langen Arbeitszeiten, wenig Freizeitausgleich und einem hohen Konkurrenzdruck einher. Schafft man genauso viele Billable Hours wie die Kolleginnen und Kollegen?

Hinzu kommt das nach wie vor stark ausgeprägte hierarchische Denken in der Branche. Die Digitalisierung tut ihr Übriges, denn sie beschleunigt die Abläufe auch in Kanzleien. Spätestens die nachkommende Generation Z ist nicht mehr gewillt, diesen Druck auf sich zu nehmen. Sie strebt ein anderes Arbeitsumfeld an. Wer also für Nachwuchs sorgen und seine Mitarbeitenden nicht verlieren will, sollte sich unbedingt um Well-being in der Kanzlei kümmern.

Die Lösung des Problems: Lawyer Well-being

Mit dem Begriff Lawyer Well-being soll eine neue Haltung gegenüber den Anwältinnen und Anwälten Einzug in die Kanzleien halten. Diesen soll ermöglicht werden, auf sich selbst zu achten. Das erfordert eine neue Haltung, die vor allem von der obersten Managementebene transportiert und in die Kanzleikultur eingeschrieben werden kann. Denn Kanzleien können nur von mental resilienten Mitarbeitenden langfristig profitieren. Am besten ist es, wenn mit einer Investition in das Well-being gleichzeitig noch ein wichtiges SoftSkill gefördert werden kann. Dies ist bei der Stimme der Fall!

Die Stimme spielt im Leben von Anwältinnen und Anwälten eine sehr große Rolle. Sie ist ständig im Einsatz und ein entscheidender Faktor, was die Ausstrahlung und die Überzeugungskraft von Berufsträgerinnen und -trägern angeht. Wer gut und überzeugend sowie klangvoll spricht, kommt beim Gegenüber gut an – ein entscheidender Faktor im Umgang mit Mandanten, bei Vorträgen und vor Gericht. Dabei ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Stimme für die Überzeugungswirkung sogar wichtiger ist als das, was gesagt wird!

Singen für das Selbstbewusstsein

Die Stimme lässt sich wie ein Muskel trainieren – am wirkungsvollsten  und erfolgreichsten mit Gesang. Durch das Singen von Tönen erlangen die Anwältinnen und Anwälte größere Kontrolle über ihre Stimme, können sie gezielter einsetzen und modulieren. Hinzu kommt die bewusstere Atmung, die über Ausdauer und Kraft der Stimme bestimmt und beim Singen eben-falls eingeübt wird. Das Singen hat deshalb etwas Meditatives und sorgt schon dadurch für einen Ausgleich zu stressigen juristischen Belangen. Wer singt, produziert das Glückshormon Oxytocin, das aktiv beim Stressabbau hilft. Das Gehirn produziert diesen Stoff nur zu wenigen Gelegenheiten: bei Hautkontakt und beim Singen. Es senkt den Blutdruck und den Kortisolspiegel, wirkt schmerzstillend und kann sogar die Wundheilung fördern. Wenn bei der Arbeit an der Stimme Gesang als Werkzeug benutzt wird, ist eine stabile, angenehme und ausdauernde Sprechstimme das Ergebnis. Ein wichtiges Feature im anwaltlichen Arbeitsalltag – ob vor Gericht, im Pitch oder bei (virtuellen) Konferenzen. Wer sich auf seine Stimme verlassen kann, wird beruhigter und selbstsicherer in Situationen gehen, die karriere-bestimmend sein können. Allein das verringert das Stresslevel im Arbeitsalltag deutlich. Mit Gesang können Anwältinnen und Anwälte ihr Selbstbewusstsein stärken, etwas für ihre Gesundheit und ihr Lawyer Well-being tun. Es stellt sich eine innere Harmonie ein, die Anwältinnen und Anwälte nachhaltig zufrieden und entspannt durch den Kanzleialltag trägt.

Über die Autorin

Ute Bolz-Fischer M.A.
ist Stimmcoach, Sängerin und Musikwissenschaftlerin. Im Rahmen von  Law & Voice Stimmbildung für Juristinnen und Juristen hat sie ein speziell auf die Bedürfnisse von Juristinnen und Juristen abgestimmtes Stimmtraining entwickelt. Ihre Arbeit zielt darauf ab, die Stimme zu stärken und die Resilienz ihrer Coachees zu fördern.
www.law-and-voice.de