Hollywood weiß, wie man Eindruck schindet

von Claudia Teibler

Treten in Filmen Anwälte auf, so gleiten sie durch blendend-weiße Design-Kanzleien, flankiert von modernster Kunst, die Dynamik und Durchsetzungskraft verheißt. Oder schweben, über dicken Orientteppichen, mahagoni-vertäfelte Gänge entlang auf den Besprechungsraum zu, in dem ein barockes Porträt milde aus seinem Goldrahmen lächelt. Wer hier verkehrt, weiß, welche Werte dem Handeln dieser Juristen zugrunde liegen, noch bevor das erste Wort gesprochen ist.

Vereinbarung von Funktionalität, Ästhetik und Außenwirkung

Die Realität sieht für den, der sich gerade daran macht, eine Kanzlei einzurichten, deutlich anders aus. Neben dem Einhalten eines Budgets gilt es, gleich zweimal einen Spagat zu meistern: Zum einen zwischen der Funktionalität, die üblichem Büromobiliar innewohnt und Ästhetik und persönlichem Stil sowie zum anderen zwischen den individuellen Bedürfnissen derer, die in den Räumen arbeiten, und dem Eindruck, den die Kanzlei ihren Mandanten vermitteln möchte. „Der Königsweg könnte für viele darin liegen, Standard-Büromöbel mit außergewöhnlichen Einzelstücken zu kombinieren. Für diese können Sie natürlich einen Designer beauftragen, im Kunsthandel Ihrer Wahl fahnden – oder aber, die vielleicht günstigste Möglichkeit: die Kataloge anstehender Auktionen durchsehen“, schlägt Stephanie Singer vor, Expertin für Möbel, Einrichtungsgegenstände und Alte Meister beim Münchner Auktionshaus SCHEUBLEIN Art & Auktionen. „Alleine wenn ich die über unser Haus verkauften Stücke durchgehe, findet sich vieles, was sich sofort als funktionales Büromöbel einsetzen ließe: Einen dänischen Palisander-Schreibtisch von Selectform zum Beispiel, der letztes Jahr für 1.100 Euro verkauft wurde. Einen ausziehbaren Tisch, etwa für einen Konferenzraum, der nach Entwürfen des Jugendstil-Architekten Bruno Paul für den Ozeandampfer „Washington“ gefertigt wurde – ein Kunde ersteigerte ein solches Exemplar unlängst für 800 Euro. Oder einen klassischen englischen Mahagoni-Bücherschrank, bei dem ein Interessent für 3.800 Euro den Zuschlag bekam.“

Gezielt Akzente setzen

Noch wesentlich größer ist das Spektrum, das sich im Auktionshandel finden lässt, wenn es darum geht, in ansonsten mit eher unspezifischem Mobiliar eingerichteten Räumen besondere Akzente zu setzen. „Das kann eine elegante Aluminium-Garderobe aus der Art Déco-Zeit sein, die schon beim Betreten der Kanzlei einen markanten Blickpunkt setzt. Oder Jugendstil-Fauteuils, auf denen Mandanten kurz zum Warten Platz nehmen“, so Stephanie Singer. „Immer wieder tauchen im Auktionshandel auch Ikonen der klassischen Moderne oder Stücke zeitgenössischer Designer auf, die oft zu wesentlich günstigeren Preisen verkauft werden als im Möbelhandel. Wir hatten zum Beispiel unlängst ein paar Beistelltische von Eileen Grey, die für 700 Euro versteigert wurden. Oder zwei der markanten, kräftig roten „Fjord Relax“-Sessel von Designerin Patricia Urquiola, gebraucht, aber in makellosem Zustand; für jeden von ihnen bekam ein Bieter den Zuschlag bei 800 Euro – neu würden sie fast das Vierfache kosten.“

Nonverbale Wirkung erzielen

Selbst im Büro des Anwalts können wenige, handverlesene Accessoires nicht nur für eine sehr persönliche Atmosphäre sorgen, sondern auch nonverbale Botschaften aussenden. „Schon die Schreibtischlampe – beispielsweise ein aufwendig gearbeitetes Stück aus der Ära des Jugendstils oder Art Déco – bringt ein besonderes Moment in ein ansonsten unauffälliges Büro“, empfiehlt die Expertin von SCHEUBLEIN Art & Auktionen. „Silberrahmen, klassische Schreibzeuge in edlen Materialien, vielleicht ein paar Leuchter… Es lohnt sich, einfach in Auktionskatalogen zu blättern und sich inspirieren zu lassen, mit welchen Objekten man sich bei der täglichen Arbeit gerne umgeben möchte.“ Was die Auswahl der Bilder betrifft, die an der Wand hängen, ist es sinnvoll, die Kanzlei wiederum aus zwei Perspektiven zu sehen – aus der eigenen sowie der der Mitarbeiter wie auch aus der der Mandanten. „Landschaften können schnell beliebig erscheinen“, sagt Stephanie Singer. „Moderne Kunst wirkt individueller. Und Darstellungen mit Menschen, seien es alltägliche Szenen, sei es etwas Mythologisches, bieten, zum Beispiel in Wartesituationen, Gesprächsstoff.“ Eine ganz besondere Botschaft senden Porträts. „Als Anwalt haben Sie mit Menschen in oft schwierigen Situationen zu tun. Mit einem Porträt an der Wand signalisieren Sie, dass Sie sie ernst nehmen.“

Geschickt und kosteneffizient auswählen

Wer sich ein bisschen mit dem Angebot von Auktionshäusern beschäftigt, merkt bald, dass er für solche Gemälde trotzdem kein Vermögen ausgeben muss. „Der Preis am Markt bildet sich auf der Grundlage verschiedener Parameter: Wie alt ist ein Objekt? Welche Qualität hat es? Steht ein namhafter Künstler dahinter? Und: Wo kommt das Objekt her – hatte es zum Beispiel einen berühmten Vorbesitzer“, erörtert die SCHEUBLEIN-Expertin. Drei dieser vier Parameter, die die Preise in die Höhe treiben – Alter, Künstler und Herkunft – sind für Sammler relevant, aber nicht unbedingt für jemanden, der Bilder für ein Büro sucht oder sich persönlich daran freuen möchte.

„Wenn Sie für überschaubares Geld trotzdem auch ein bisschen Name-Dropping betreiben möchten: Achten Sie auf Graphik“, rät Kunstexpertin Stephanie Singer. „Echte Drucke von Impressionisten wie Lovis Corinth oder Max Liebermann, ja selbst von Marc Chagall oder Georges Braque, sind oft schon für wenige hundert Euro zu bekommen.“ Generell sind für die Ausstattung einer Kanzlei geeignete, qualitativ einzigartige Objekte, bei Versteigerungen oft schon für kleines Geld zu haben. Viele Häuser bieten zudem neben ihren großen Auktionen mit renommierten, sehr prestigeträchtigen Kunstwerken auch kleine Auktionen mit günstigeren, aber dennoch von Experten begutachteten Objekten an. So ist auch der Weg zum milde lächelnden Altmeister für den Besprechungsraum lange nicht so steinig wie viele denken.

 

Über die Autorin:

Dr. Claudia Teibler
promovierte Kunsthistorikerin
und Autorin