Im Interview mit dem BECK Stellenmarkt teilt Karin von Heinemann, selbständige HR-Consultant, Einblicke in den Bewerbungsprozess aus der Perspektive von Personalabteilungen. Sie gibt Tipps, wie die Nervosität und Rückschläge bei der Jobsuche überwunden werden können und verrät, welche Eigenschaften ganz sicher einen guten ersten Eindruck hinterlassen.
Es gibt wahrscheinlich nur wenige Berufseinsteiger:innen, denen beim Gedanken an das nächste Vorstellungsgespräch nicht ein wenig flau im Magen wird. Was raten Sie jungen Menschen, die Ihnen von dieser Angst erzählen?
Die gute Nachricht ist, niemand ist allein mit dieser „Angst“! Es ist etwas völlig Normales, aufgeregt zu sein. Wie bei Prüfungen ist es auch bei Bewerbungsgesprächen hilfreich, eine gewisse Anspannung zu haben. So steigen unsere Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin und lassen uns besser „performen“: Wir werden wachsamer und können Höchstleistung abrufen. So gesehen ist „Angst“ sogar produktiv. Dieses Wissen hilft vielen schon, „Angst“ oder Aufgeregtheit als positiven Verbündeten zu sehen.
Das befreit Sie jedoch nicht von der Notwendigkeit, sich gut vorzubereiten. Denn dieser Teil ist die zweite Seite der Medaille: Vorbereitung bringt Sicherheit. Und nur wer vorbereitet ist hat die im letzten Absatz genannte „Höchstleistung“ überhaupt abrufbar.
Sollte es nicht Aufregung sein, sondern echte Angst, die Sie lähmt, unfähig macht zu antworten, zum Stottern bringt o.ä., dann sollten Sie in Erwägung ziehen, sich professionelle Hilfe zu holen z.B. durch Therapeuten. Denn die zugrunde liegenden Ursachen können meist gut analysiert werden und Sie bekommen Tools an die Hand, wie Sie künftig besser mit der Prüfungsangst umgehen.
Bleiben wir noch kurz bei der Aufgeregtheit – was kann ich tun, um trotz Nervosität einen souveränen Eindruck im Vorstellungsgespräch zu hinterlassen?
Wie eben angesprochen, ist eine sehr gute Vorbereitung die halbe Miete. Machen Sie sich im Vorfeld Gedanken, gerne Notizen. Es ist wie bei Prüfungen: Wer unvorbereitet in Klausuren geht, ist in aller Regel nervöser als jene, die sich gut vorbereitet und gelernt haben.
Schauen Sie sich also die Stellenausschreibung genau an: Was wünscht sich der neue Arbeitgeber an Fähigkeiten und Fertigkeiten und welche davon besitzen Sie bereits. Auf diese Punkte können Sie den Fokus im Gespräch leiten und damit Ihre Kompetenzen darlegen. Überhaupt ist es sinnvoll, das Gespräch proaktiv mitzugestalten. Warten Sie nicht, bis Ihnen eine Frage nach der anderen gestellt wird, sondern beantworten Sie eine Frage, um am Ende eine Gegenfrage zu stellen.
Als Beispiel: „Haben Sie bereits Erfahrungen in der gerichtlichen Durchsetzung?“ „Bisher konnte ich den Großteil der Einigungen außergerichtlich erzielen. Gerne möchte ich nun aber meine Kompetenzen in der gerichtlichen Durchsetzung ausbauen. Wie ist denn die Gewichtung bei der ausgeschriebenen Stelle und würde mir anfangs ein erfahrener Kollege zur Seite gestellt werden?“
Es gibt den schönen Spruch: „Wer fragt, der führt“. So signalisieren Sie Interesse und auch Kompetenz.
Welche Eigenschaften fallen Ihnen bei Bewerber:innen im Vorstellungsgespräch besonders auf – positiv wie negativ?
Motivation ist das A und O. Da können die Noten durchaus schlechter sein – sie waren für mich noch nie ausschlaggebend. Und wie man den Medien entnehmen kann, kommen auch große Unternehmen inzwischen zu dem Ergebnis, dass gute Noten nicht alles sind. Ich möchte im Gespräch merken, dass die Kandidatin oder der Kandidat wirkliches Interesse an den Aufgaben hat, motiviert ist diese gut zu erfüllen und Lust hat in unserem Unternehmen zu arbeiten, sich mit uns zu identifizieren. Als Bewerber wünsche ich mir ja auch vom Unternehmen, dass ich „die oder der Richtige“ bin. Das bedeutet im Umkehrschluss: Seid so fair und bewerbt euch nicht auf Stellen, die euch nicht interessieren, nur um gegebenenfalls mal den Marktwert zu checken. Wie würdet ihr euch fühlen, wenn das Unternehmen euch einfach mal einlädt, um zu sehen, wie weit es euch in den Gehaltsvorstellungen drücken kann, ohne je die Absicht zu haben, euch einzustellen?
Das geht einher mit dem nächsten Punkt: Respekt und Höflichkeit. Sei pünktlich – das mag banal klingen, aber Nicht-Erscheinen ohne Abmeldung und Zuspätkommen finden immer wieder statt. Die allermeisten Arbeitgeber empfinden das als sehr unhöflich und mögen es gar nicht, wenn so über ihre Zeit verfügt wird.
Grundsätzlich für unabdingbar halte ich Kommunikationsfähigkeit, und das bedeutet sowohl inhaltlich zu kommunizieren als auch zuzuhören! Letzteres wird leider bei dem Thema Kommunikationsfähigkeit oft vernachlässigt. Was ist gute inhaltliche Kommunikation? Mir fällt dazu immer wieder ein Softwareentwickler ein, den ich gebeten hatte, den Inhalt seiner Masterarbeit so zusammenzufassen, dass eine Psychologin ihn versteht. Er schaffte es dann ohne Fachtermini den Inhalt hervorragend zu transportieren. Wir haben ihn eingestellt, weil wir wussten, dass wir diesen jungen Mann auch wunderbar an Schnittstellen zu anderen Abteilungen einsetzen können.
Das ist meiner Meinung nach auch eine wichtige Fertigkeit für Juristen: Inhalte auch für den Laien verständlich transportieren zu können.
Wenn ich mich auf eine beliebte Stelle bewerbe und Pech habe, hatte das HR-Team, das ich vor mir sitzen habe, vor mir bereits viele Gesprächspartner:innen an diesem Tag. Was kann ich als Bewerberin oder Bewerber tun, um wirklich im Gedächtnis zu bleiben?
Darauf gibt es keine Pauschalantwort. Das HR-Team sitzt nicht vor den Bewerberinnen und Bewerbern und wartet auf Handstände oder besonders ausgefallene Antworten (lacht).
Was uns antreibt, ist die oder den richtige/n neuen Kollegen zu finden. Jemanden, der/die zur Unternehmenskultur und bestmöglich auf die Position passt. Also lautet die Antwort immer: Sei authentisch! Alles andere ist kurzfristig gedacht. Wenn Sie sich verstellen und dadurch den Job erhalten, was machen Sie dann? Sich dauerhaft weiterverstellen oder auf einmal ganz anders sein als der Arbeitgeber Sie kennen gelernt hat? Beides wird letztlich weder Sie noch den Arbeitgeber glücklich machen. Bleiben Sie lieber authentisch und wenn Sie dann nicht im Gedächtnis bleiben, war es wohl kein Match.
Ich habe ein Vorstellungsgespräch und erfahre kurz darauf, dass das Unternehmen mich nicht einstellen oder überhaupt weiter kennenlernen will. Was würden Sie Arbeitssuchenden an dieser Stelle raten?
Das greift in guten Stücken den letzten Satz meiner vorherigen Antwort auf. Ich vergleiche die Jobsuche und aus HR-Sicht die Kandidatensuche immer mit einer Beziehungssuche. Ein Partner oder eine Partnerin, mit der wir nicht zurechtgekommen sind, mag für einen anderen das „perfect match“ sein. Nur weil wir mit dieser Person keine Beziehung wollten, heißt es nicht, dass sie ein unzulänglicher Mensch ist.
Genauso ist es mit Kandidaten und Unternehmen. Nur weil es mit dieser einen Stelle nichts geworden ist, bedeutet es nicht, dass man nicht gut ist! Ganz oft sind es Nuancen, die die Entscheidung fallen lassen. Nach einem Schnuppertag sagt zum Beispiel ein Kollege, dass er Bedenken hat, dass der Bewerber nicht so eigenständig sei wie der Bewerber vom Vortag. Dieses Unternehmen sucht also neue Mitarbeiter, die ausgesprochen selbständig sind. Ein anderes Unternehmen dagegen hält eine detaillierte und ausgiebige Einarbeitung für das A&O. Damit wäre der Bewerber im zweiten Unternehmen einfach besser aufgehoben.
Ich weiß, dass viele Bewerber sich detailliertere Rückmeldungen wünschen. Leider ist das für Arbeitgeber im Lauf der Jahre, auch wegen vielfacher Klagen gemäß AGG, immer schwieriger geworden. Arbeitgeber möchten nichts Falsches sagen, und korrekt auszuformulieren nimmt viel Zeit in Anspruch, also „spart“ man es sich oft.
Wenn man den persönlichen Eindruck hatte, dass alles perfekt war und man die Absage absolut nicht nachvollziehen kann – oft hat man eigentlich selbst das Bauchgefühl, dass etwas nicht stimmig war - dann kann man freundlich eine E-Mail schreiben und zum Ausdruck bringen, dass man den Job sehr gerne gehabt hätte. Und ob es möglich wäre, eine kurze telefonische Rückmeldung zu erhalten. Ich kann aber auch immer wieder nur betonen: bitte nicht enttäuscht sein, wenn keine Antwort kommt. In aller Regel sind HR-Teams sehr eng getaktet, so dass Zeit immer ein knappes Gut ist.
Sie blicken auf langjährige Erfahrungen als HR-Managerin zurück. Gab es ein Vorstellungsgespräch, das so außergewöhnlich war, dass Sie sich immer mal wieder daran zurückerinnern?
Einmal hatte ich mit meinem damaligen IT-Leiter einen jungen Mann im Gespräch, der gerade erst in einem größeren Unternehmen seine Ausbildung zum Fachinformatiker absolviert hatte. Dort hatte die Ausbildung nur sehr basal stattgefunden und dessen war sich der junge Mann auch bewusst. Er war sehr authentisch und gab ganz offen zu, wo er Defizite hatte. Er brachte aber auch seine uneingeschränkte Motivation und sein Interesse für die IT zum Ausdruck. Er war kommunikationsfähig, höflich, reflektiert und motiviert. Wir haben ihn, statt eines erfahreneren Bewerbers eingestellt. Er hat sich grandios entwickelt und war bald ein geschätzter Ansprechpartner für das ganze Unternehmen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Über die Interviewpartnerinnen:
Karin von Heinemann
war als ausgebildete Werbekauffrau zunächst jahrelang in Werbung und Marketing tätig, sowohl in Agenturen als auch als Marketingleitung in Handelsunternehmen, bevor Sie ein Studium der Psychologie an der der Freien Universität Berlin mit dem B.Sc. abschloss und sich dem Themenfeld HR widmete. Sie kennt die Branchen Softwareentwicklung, Rechtsanwaltskanzlei, Unternehmensberatung und Legal Tech und war zuletzt als Leitung Personal tätig, bevor sie sich 2022 als HR-Consultant und Interim Manager für Unternehmen und Coach für berufliche Neuorientierung selbstständig machte.
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Franziska Vogl
Volontärin Social Media-/ Online-Marketing
Verlag C.H.BECK
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